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Stationäre Hospiz in Potsdam: Ein Pferd auf dem Flur sorgt für Freudentränen

Das stationäre Hospiz auf Hermannswerder bekam Besuch von „Pony 13“. Das sorgte bei den Bewohnern für viele nostalgische Erinnerungen.

Potsdam - Es ist ein ungewöhnliches Geräusch, das an diesem Tag im Flur des Hospizes auf Hermannswerder zu hören ist: Hufgeklapper. Tatsächlich bekommen die neun Bewohner der Einrichtung heute Besuch von einem ganz besonderen Gast: „Pony 13“, so der schlichte Name der ausgewachsenen Welsh-Ponydame, die gerade von Hinrika Höges an einer Kordel von Raum zu Raum geführt wird. Einer der Bewohner, der gerade sein Zimmer mit dem Rollator verlassen hat, fängt breit grinsend an zu singen, als er das Tier sieht: „Es steht ein Pferd auf dem Flur...!“ Er wird nicht der Letzte sein, der dieses Lied heute anstimmt.

Es ist das erste Mal, dass das stationäre Hospiz der Hoffbauer Stiftung und des Evangelischen Diakonissenhauses Berlin Teltow Lehnin Besuch von einem Pony bekommt. Pony 13, das im PS Aktivstall in Nudow zu Hause ist, hat schon Erfahrung mit Hospizen: „Seit über einem Jahr kommt es einmal wöchentlich ins Hospiz Wannsee, dadurch sind wir darauf aufmerksam geworden“, sagt Schwester Barbara Kothe. „Es werden viele Erinnerungen wach, an die Jugend, an das Leben – es macht einfach Freude“, sagt Höges vom PS Aktivstall. „Es geht darum, trübe Gedanken zu verscheuchen und die letzten Tage, Wochen oder Monate etwas zu schöner zu machen.“

Für manche der Bewohner ist der Besuch von Pony 13 nicht nur eine willkommene Abwechslung, sondern auch eine Reise in die eigene Vergangenheit. So etwa für die 77-jährige Monika Förster, die regelrecht strahlt, als sie das Pony sieht: „Ich hab Tiere immer so lieb gehabt“, sagt sie unter Freudentränen, als sie Pony 13 streichelt und mit klein geschnittenen Möhren füttert, die von dem kleinen Pferd mit viel Appetit verspeist werden. „Ja fein!“, freut sich Förster.

Förster hatte früher selbst einen Bauernhof, den sie aber nach dem Tod ihres Mannes und wegen ihrem gesundheitlichen Zustand aufgeben musste. „Wir hatten ein Shetland-Pony, das war nur 80 Zentimeter groß, aber hatte so eine Mähne! Das war unser Rasenmäher“, erzählt sie. Damals hatte sie das Tier vor dem Pferdeschlachter gerettet: „Wir dachten, es lebt vielleicht noch ein, zwei Jahre, aber dann sind daraus zehn geworden.“ Den Bauernhof mit den Tieren verlassen zu müssen, war ein schwerer Schritt für Förster: „Meinen Hund, einen Dackel, konnte ich leider nicht hierher mitnehmen.“

Mittlerweile kommen auch andere Bewohner aus ihren Zimmern und schauen, was auf dem Flur los ist. Manche scheuen sich zuerst, an das Tier heranzugehen und zu streicheln, tun es nach einer Weile aber doch. „Na los, Klaus!“, animiert Förster einen ihrer Mitbewohner, der sich daraufhin auch näher traut und durch die kurze Mähne wuschelt. Die Pony-Dame mit den großen dunklen Augen lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, macht entspannt den ganzen Trubel mit. Immerhin ist sie mit Mitte 20 auch schon ein reiferes Semester. „Lebenserfahren, cool und locker“, fasst Höges Pony 13s Charakter zusammen.

Nicht mehr alle Bewohner des Hospizes können sich aus eigener Kraft aus ihren Zimmern bewegen, deshalb kommt Pony 13 auch direkt ans Bett: So etwa bei Hans-Jürgen Bolle, dem Höges ein paar Möhrenstücke in die leicht zitternden Hände legt, damit er das Pony füttern kann. Angst vor Pferden hat er nicht, im Gegenteil: „Ich war als junger Mann Gespannführer in der Altmark, sechs Pferde hatte ich vor meinem Wagen“, erinnert sich der 82-Jährige. „Geritten bin ich auch, das hat Spaß gemacht!“ Und auch er stimmt das Lied vom „Pferd auf dem Flur“ mit leicht brüchiger Stimme an – immerhin war er viele Jahre lang im Babelsberger Männerchor. Obwohl Pony 13 gar nichts Besonderes tut, hellt Anwesenheit die Atmosphäre des Hospizes spürbar auf: Das Pony zaubert ein Lächeln auf die Lippen.

Für alle hier Wohnenden ist das kleine, etwas abgeschiedene Gebäude auf dem Hoffbauer-Campus das letzte Zuhause. Im Schnitt währt der Aufenthalt der Bewohner etwa sechs Wochen, manchmal auch etwas länger, so Kothe. Für die Dauer dieser Zeit kommen neben den Familienangehörigen und Verwandten auch noch andere Gäste zu Besuch, um den Hospiz-Alltag etwas abwechslungsreicher zu gestalten: Alle zwei Wochen findet das Ehrenamtler-Café statt, bei dem freiwillige Helfer des Hospizes zur Kaffee- und Kuchen-Zeit vorbeikommen, um den Bewohnern Gesellschaft zu leisten. Alle vier Wochen kommen die Freiwilligen zum großen gemeinschaftlichen Kochen, auch der Chor des benachbarten Gymnasiums ist hin und wieder zu Gast. Tierischen Besuch gibt es auch: „Diensthund“ Spencer, der einer der 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hospizes gehört, ist bei den meisten Bewohnern ähnlich beliebt wie Pony 13.

Das macht sich nun wieder auf die Reise nach Nudow und lässt nur einen leichten Stallgeruch im Haus zurück – mehr zum Glück nicht, dafür hatte Höges dem Tier gleich zu Beginn eine Windel angelegt. Vielleicht kommt es demnächst wieder, doch das hängt auch vom Geld ab: Den Besuch durch das Pony inklusive Anfahrt, Pflege und Futter kann die Einrichtung nicht aus eigenen Mitteln stemmen, es ist dafür auf Spenden angewiesen. Wer spenden möchte, kann sich dafür einfach an das Hospiz wenden.

hoffbauer-stiftung.de/hospizarbeit

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