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Fahrt ins Ungewisse. In solchen Kastenwagen wurden die Gefangenen der Staatssicherheit teils stundenlang durch die Gegend gefahren. Die Kammern waren eng, hatten kein Licht und keine Fenster. Einer dieser sogenannten Barkas-Transporter steht jetzt in der Gedenkstätte Lindenstraße.

© Andreas Klaer

Stasi-Gedenkstätte Lindenstraße in Potsdam: Horrorfahrt im Barkas

Gedemütigt und orientierungslos: Wie politische Gefangene von der Stasi transportiert wurden, ist nun in der Gedenkstätte Lindenstraße in Potsdam zu sehen.

Potsdam - Es riecht nach DDR, nach Linoleum, Bohnerwachs und Zweitaktabgasen. Die Wände der nicht mal einen Kubikmeter großen Zelle sind schmucklos grau. Bei geschlossener Tür ist es stockdunkel, die Kammer hat nämlich kein Fenster. Frischluft kommt, wenn überhaupt, nur durch einen kleinen Schlitz in der Decke hinein – wenn ihn jemand von außen öffnet. In dieser Umgebung würde sich niemand freiwillig gerne aufhalten wollen.

Eng, stickig, dunkel und mit ungewissem Ende – Fahrten in einem Barkas-Transporter der DDR-Staatssicherheit waren für die politischen Häftlinge eine Tortur. Einen Eindruck davon, wie es bei den Transporten zuging, können sich Besucher in der Gedenkstätte in der Lindenstraße 54 verschaffen. Dort ist nun ein solcher Barkas hinter einer Glasscheibe ausgestellt, in einer Garage im Hof. Geführte Besuchergruppen dürften ihm auch näherkommen, sagte Christian Müller-Lorenz von der Gedenkstätte. Insgesamt fünf Zellen gibt es in dem hellgrau lackierten Kastenaufsatz. Die größte davon hatte ein Volumen von nicht mal einem Kubikmeter. „Das widersprach der Menschenrechtskonvention.“ Durch ein kleines Guckloch konnte der mitfahrende Wächter die Gefangenen beobachten.

Politische Gefangene im Barkas transportiert

Der Transport sei ein weitgehend unbekannter Teil des Schicksals politischer Gefangener in der DDR. „Dabei war die Fahrt in solchen Transportern für viele Häftlinge der erste Berührungspunkt mit der Stasi“, sagte Müller-Lorenz bei einer Präsentation des neuen Ausstellungsstückes. Meist seien politische Häftlinge zunächst von der Volkspolizei festgenommen worden. Die Staatssicherheit holte sie dann von den Polizeiwachen ab – mit Fahrzeugen wie dem Barkas, so Müller-Lorenz. Er komplettiere jetzt die Ausstellung. Die Gedenkstätte habe an sich wenig Haptisches. „Bei uns ist sonst der Ort das wichtigste Ausstellungstück.“

Das Gefährt selbst hat den Erkenntnissen nach keinen Häftling mehr transportiert. Das Ende der DDR kam schneller als die volkseigene Fahrzeugindustrie den Kasten auf das Fahrgestell montieren konnte. Im Herbst 1989 hatte das formal für Haftanstalten zuständige DDR-Innenministerium das Fahrzeug nach den Vorgaben der Stasi bestellt. Als es fertig wurde, gab es die Stasi schon nicht mehr. Nun hat ihn die Gedenkstätte aus dem Bestand eines Technikmuseums erworben, unterstützt von der Stadtverwaltung, dem brandenburgischen Kulturministerium, der Stasiunterlagenbehörde und der Gedenkstätte Bautzen.

Ähnliche Transporter waren jahrzehntelang auch in Potsdam unterwegs. Zwei solche Wagen besaß die Bezirksverwaltung Potsdam des Ministeriums für Staatssicherheit, so Müller-Lorenz. Abgestellt waren sie auf dem Gelände des Stasi-Fuhrparks in der Hegelallee – dort wo heute die Stadtverwaltung sitzt. „Dieser Typ wurde seit Anfang der 1970er- Jahre benutzt.“ In Potsdams Straßen waren die Gefangenentransporter inkognito unterwegs. „Es gab konspirative Aufschriften wie ,Ostseefisch’“, so Müller-Lorenz.

Nichts dem Zufall überlassen

Für den Transport politischer Häftlinge war in der DDR die Stasi verantwortlich. Zuständig war die sogenannte Abteilung 14. Diese hatte auch in Potsdam einen Dienstsitz – und zwar in der Lindenstraße. „So gibt es auch einen direkten Zusammenhang zur heutigen Gedenkstätte.“ Die Staatssicherheit überließ dabei ungern etwas dem Zufall. In einer Dienstanweisung von 1982 ist geregelt, wie mit den in ihren Augen staatsfeindlichen Verbrechern umzugehen ist. So wurde weder der Zeitpunkt des Transports angekündigt noch das Ziel verraten. Männliche Gefangene wurden grundsätzlich gefesselt transportiert. Vor jedem Transport führten Stasi-Mitarbeiter eine Leibesvisitation durch. Persönliche Gegenstände – selbst Brillen – wurden den Gefangenen abgenommen. Im Falle eines Fluchtversuchs, so drohte die Stasi, werde geschossen. Die Bewacher sollten die Häftlinge schon beim Einsteigen in den Barkas mit vorgehaltener, schussbereiter Maschinenpistole empfangen. Auch ein Hund fuhr immer mit. „Viele Häftlinge berichten, dass diese Wachhunde immer sehr aggressiv waren“, so Müller-Lorenz.

Machtdemonstration, Demütigung und Desorientierung gehörten zum Konzept der Stasi. Zeitzeugen berichten, dass es während der Fahrt im Inneren der Zelle nach Abgasen roch. Manchmal wurden die Fahrten mit unbekanntem Ziel auch willkürlich unterbrochen. Die Häftlinge wussten wegen der fehlenden Fenster nicht, wo sie waren und wo sie hingebracht wurden. Manchmal ging es dann weiter, manchmal stand der Barkas einfach nur ein paar Stunden irgendwo herum. Etwa auf dem Gefängnishof – bevor die Häftlinge wieder herausgeholt wurden. Das war eine besonders grausame Spezialität der Stasi.

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