Start in das Ausbildungsjahr: Handelskammer verzeichnet zwölf Prozent mehr Azubis

Dass sie nicht einfach nur im Hörsaal sitzen will, war für Michelle Czesnat klar. „So ist es einfach viel praxisnäher“, sagt die 19-Jährige, die am gestrigen Mittwoch als eine von 36 Auszubildenden eine Lehrstelle bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse begonnen hat. Sie gehört zu den zehn neuen Dualen Studenten, die ihre an der Fachhochschule erlernten Theorie-Inhalte gleich in die Praxis umsetzen können. Czesnat zählt zu den Glücklichen, die einen der beliebtesten Ausbildungsplätze ergattern konnten. Ihre Entscheidung, warum sie die Sparkasse wählte, war aber ganz pragmatisch: „Ich war einfach selbst zufriedener Sparkassen-Kunde, genau wie meine Eltern“, sagt sie.

Für Lisa Michelle Quade war es dagegen vor allem die Jobsicherheit, die sie zu einer Ausbildung bewog. Sie ist eine von 14 neuen Lehrlingen im Kongresshotel am Luftschiffhafen. Anders als viele andere Mitbewerber ist das Vier-Sterne-Hotel nicht von Nachwuchsproblemen geplagt. „Alle Stellen sind vergeben“, sagte Personalchefin Silvia Timm. Das sei auch schon in den vergangenen Jahren so gewesen, die angepeilten zehn Stellen wurden immer übererfüllt. „Es ist bekannt, dass wir ein großes Haus sind und schon seit vielen Jahren ausbilden“, erklärte Geschäftsführerin Jutta Braun die konstant hohe Zahl an Bewerbungen.

Unter den neuen Azubis sind auch wieder drei Ukrainer, die eine Lehre zur Fachkraft im Gastgewerbe ablegen. Zuvor haben diese in der Ukraine einen mehrmonatigen Integrationskurs absolviert, der auch Sprachunterricht beinhaltete. „Ansonsten würde es Probleme bei der Verständigung mit Gästen geben“, sagte Personalchefin Timm. Schon im vergangenen Ausbildungsjahr hatten 17 Azubis aus der Ukraine eine Lehre im Kongresshotel begonnen. Die Erfahrungen des Hotels damit: durchweg positiv. Neben der Sprache sollten Bewerber außerdem eine Begeisterung für den Beruf und eine gewisse Grundfreundlichkeit mitbringen, sagte Timm.

Überhaupt scheint es, als würden sich zumindest in der Region wieder mehr Heranwachsende für eine Ausbildung entscheiden. Das zumindest registrierte die Industrie- und Handelskammer (IHK) in diesem Jahr. „Wir verzeichnen einen Aufwuchs in allen Branchen“, sagte Wolfgang Spieß, der den IHK-Bereich Bildung leitet. Insgesamt seien in diesem Jahr im Kammerbezirk Potsdam, der neben der Landeshauptstadt ganz Westbrandenburg umfasst, 1849 Ausbildungsverträge unterzeichnet worden. Das sind immerhin fast zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. Besonders gestiegen sei die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen in der Baubranche, sagte Spieß. Die Zahl der Azubis habe sich in diesem Bereich gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. „Ich denke, dazu trägt die gute Baukonjunktur bei“, sagte er. So begrüßte etwa auch die kommunale Immobilienholding Pro Potsdam zwölf neue Auszubildende – und knackte so die Marke von 200 Lehrlingen seit der Gründung des Unternehmens.

Zu den Lehrlingen im Zuständigkeitsbereich der IHK kommen solche, die in diesem Jahr eine Stelle im Handwerk antreten. Insgesamt 103 neue Azubis zählte die Handwerkskammer (HWK) in diesem Jahr allein in der Stadt Potsdam. Überraschend: Anders als viele es vermuten, ist davon jeder fünfte Lehrling eine Frau.

Gleichwohl sind das Kongresshotel und die Sparkasse aber offenbar Ausnahmen auf dem Azubi-Markt. Denn: Noch immer gibt es Hunderte freie Lehrlingsstellen in der Region. Im Zuständigkeitsbereich der IHK sind es mehr als 800, ähnlich viele zählte die Handwerkskammer mit 720 Stellen in insgesamt 61 Berufen. Allein in Potsdam gebe es noch 108 freie Plätze im Handwerksgewerbe, sagte eine Sprecherin. „Jugendliche, die jetzt noch keine Ausbildung haben, haben also allerbeste Chancen, noch in diesem Jahr eine zu finden“, sagte Spieß von der IHK.