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Standort für SprinD gesucht: Alle Vorzüge von Potsdam in vier Stunden

Werbefahrt auf der "MS Schwielowsee": Mit einem vierstündigen Programm sollte SprinD-Chef Rafael Laguna de la Vera von den Vorzügen Potsdams überzeugt werden

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Vier Stunden, das war die Vorgabe. Vier Stunden hatten die Vertreter von Stadt und Land am Montag Zeit, Rafael Laguna de la Vera, den Gründungsdirektor der neuen Agentur für Sprunginnovationen, von Potsdam als geeignetem Standort zu überzeugen. Sie stellten ein aufwendiges Programm zusammen und dem Gast hochrangige Stadtführer zur Seite: Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach und Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (beide SPD). Ob sich der Aufwand gelohnt hat, wurde am Montag noch nicht klar. Auch andere Städte seien noch im Rennen, ließ Laguna de la Vera wissen. Doch bald soll die Standortentscheidung fallen – nach dem Willen des Gründungsdirektors noch im September.

Für Potsdam wäre die Ansiedlung der Agentur vor allem ein Image- und Prestigegewinn. Sie soll zwar nur 35 bis 50 Mitarbeiter beschäftigen, hätte aber Strahlkraft über die Stadtgrenze hinaus. Immerhin darf sie, gestreckt über zehn Jahre, insgesamt eine Milliarde Euro ausgeben. Mit der Agentur will die Bundesregierung einen Missstand bekämpfen, den Experten seit Langem bemängeln: dass bahnbrechende Innovationen heutzutage kaum noch aus Deutschland kommen. Als Beispiel für eine solche „disruptive“ Innovation nannte der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft Martin Stratmann einmal die Digitalfotografie, die einst einen ganzen Markt umgekrempelt hat: Jahrzehntelang verdienten Kodak, Agfa oder Fuji viel Geld mit 35-mm-Filmen für Fotoapparate. Im Jahr 2000 war erst jede zehnte verkaufte Kamera eine Digitalkamera, zehn Jahre später lag ihr Anteil bei fast 100 Prozent. Die analoge Fotografie ist verschwunden, und mit ihr auch Kodak und Agfa in ihrer einstigen Form.

Disruptive Innovationen brauchen oft Zeit, da neue Technologien anfangs noch nicht gut genug sind, um rentabel zu sein. Etablierte Unternehmen in Deutschland scheuen diese Risiken oft und erfolgreiche Start-ups werden nach einigen Jahren nicht selten von großen US-amerikanischen Unternehmen aufgekauft.

Genau diese innovativen Kleinunternehmen soll die neue Agentur finden, fördern und finanziell so unterstützen, dass sie „marktreif“ werden und ohne ausländisches Kapital auskommen. Das müssen nicht unbedingt Innovationen aus der Digitalbranche sein, betonte Laguna de la Vera. Er könnte sich auch vorstellen, gute Ideen aus dem Umweltbereich zu fördern, wie etwa eine Innovation zur Vermeidung von Plastik. Laguna de la Vera hatte sich am Mittag den Fragen der Journalisten gestellt, die Stadt Potsdam hatte dafür ein Fahrgastschiff der Weissen Flotte angemietet. Mit diesem wurde der Gast vom Hasso-Plattner-Institut am Griebnitzsee zur Schiffbauergasse geschippert – mit mehreren Schleifen über die sonnige Havel. Passend zum Thema Innovation hatte man die „MS Schwielowsee“ gechartert, Deutschlands erstes Hybridschiff dieser Größe. Ausgerechnet zum Beginn der Pressekonferenz musste allerdings der laute Dieselmotor angeworfen werden, damit das Schiff drehen konnte. Eine Tatsache, über die Laguna de la Vera freundlich hinweglächelte.

Ein deutscher IT-Pionier

Laguna de la Vera wurde 1964 in Leipzig geboren und verließ die DDR im Alter von zehn Jahren. Er war einer der deutschen Pioniere im IT-Bereich und hat bereits mehrere Firmen gegründet. Bis heute ist er CEO der von ihm mitgegründeten Open-Xchange AG im nordrhein-westfälischen Olpe, die Software für die Bearbeitung von E-Mails, Kontakten und Terminen anbietet. Er werde dort zunächst auch bleiben, zumindest das nächste Jahr noch, sagte Laguna de le Vera. Er hoffe, am 1. Januar 2020 mit SprinD an den Start gehen zu können.

Dass der Unternehmer Gründungsdirektor von SprinD werden soll, hatte die Gründungskommission im Juli beschlossen. Mitglied in dieser Kommission war wie berichtet auch die Potsdamer Bundestagsabgeordnete Manja Schüle (SPD). Sie sei es gewesen, die sich von Beginn an für Potsdam als Standort stark gemacht habe, sagte Schubert. Tatsächlich heißt es auch in der Pressemitteilung des Bundesministeriums vom Juli: „Als Standort der Agentur hat die Gründungskommission eine gut entwickelte, urbane Region mit starker Wissenschaftsorientierung, zum Beispiel die Metropolregion Berlin, empfohlen.“ Man habe sich mit Berlin abgesprochen, betonte Minister Steinbach am Montag. Dort wäre man einverstanden mit einer Ansiedlung in Potsdam. Laguna de la Vera will sich von der Empfehlung der Kommission aber offenbar nicht unter Druck setzen lassen. Er hielt sich am Montag sogar offen, neben Potsdam, Leipzig und Karlsruhe noch weitere Städte anzusehen.

Möglicher Standort ungewiss

Wo genau die Agentur in Potsdam ihren Sitz haben könnte, wollten Steinbach und Schubert am Montag nicht verraten. Womöglich haben sie aber eine Immobilie an der Schiffbauergasse im Visier, zumindest stand dort nach dem Pressegespräch das Thema Standort auf dem Programm. Ob der Aufwand für Laguna de la Vera nicht etwas hoch sei, wurde Schubert noch gefragt. Schließlich geht es um maximal 50 Mitarbeiter und das Geld soll nicht nach Potsdam, sondern in die innovativen Firmen in ganz Deutschland fließen. „Wir wollen von einer Stadt der Wissenschaft zu einer Stadt des Wissenstransfers werden“, sagte Schubert. Da würde eine Agentur für Sprunginnovationen natürlich gut passen. In einigen Wochen wird sich zeigen, ob er als Stadtführer überzeugt hat.

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