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Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).

© Ottmar Winter

Städte Sicherer Häfen: Führungsrolle bei Flüchtlingsfragen

Potsdams Rathauschef Mike Schubert (SPD) will Kinder aus griechischen Elendslagern in der Stadt aufnehmen – und hofft auf viele Nachahmer in anderen Kommunen. 

Potsdam - Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) will mit Hilfe von vielen anderen Städten möglichst viele Flüchtlingskinder aus griechiechen Elendslagern retten. Damit würde Potsdam auch bundesweit eine Führungsrolle beim Umgang von Kommunen mit Flüchtlingen einnehmen. Seinen Plan erläuterte Schubert am Wochenende den PNN, zuvor hatte er dem Online-Portal des Nachrichtenmagazins Focus ein Interview dazu gegeben. Anlass: Die Ankündigung der Stadt, bis zu fünf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus griechischen Flüchtlingscamps in Potsdam aufnehmen zu wollen. 

Aus Schuberts Sicht könnte die Initiative ein Baustein sein, die festgefahrene Flüchtlingspolitik in Europa neu zu denken. „Ich hoffe, dass wir die Städte in Europa, die sich aufnahmebereit erklären und Kontingente zur Verfügung stellen, mit dem Vorstoß bestärken.“ Daher habe man auch dutzende deutschen Städte, die Teil des von Potsdam koordinierten Bündnisses „Städte Sicherer Häfen“ sind, gebeten zu prüfen, ob sie weitere Kinder aufnehmen können. Europaweit gehören 120 Großstädte zu dem Bündnis. 

Man könnte 100 Kindern eine Zukunft geben

Schubert sagte zu den Erfolgsaussichten für ein breites Städtebündnis: „Wenn Potsdam allein mit fünf Aufnahmen da stehen bleibt, wird es zwar sicher schwierig. Wenn es aber ein paar mehr werden und die Zahl eine Größe erreicht, die schwer zu ignorieren ist, sieht das Ganze anders aus.“ Schon bis zu 100 Kinder, die deutsche Kommunen so aufnehmen könnten, wären aus Schuberts Sicht ein großer Erfolg: „Diese haben dann eine neue Zukunft.“ Das Interview mit dem Focus wurde vielfach kommentiert, auch Beschimpfungen waren darunter.

Es gehe pro teilnehmender Kommune nur um eine vergleichsweise geringe Kinderzahl, sagte Schubert – der zugleich auf den Modellcharakter der Initiative verwies. „Es geht weniger darum, dass zum Beispiel der Bund im Großen festlegt, wir nehmen jetzt eine bestimmte Anzahl an Flüchtlingen auf ohne die Bereitschaft vor Ort zu kennen. Denn es sind die Kommunen vor Ort, wo die Menschen zusammenleben leben werden.“ Die Integrationsleistung finde vor Ort statt.

Die Aufnahme von Kindern in solchen Kommunen hat aus Schuberts Sichts mehrere Vorteile. „Es geht auch darum, Unterstützung in der Bevölkerung für die Aufnahme von Flüchtlingen zu stärken.“ Denn die Städte, die sich freiwillig dazu bereit erklären, „stützen sich ja meistens – so wie wir – auf demokratisch legitimierte Beschlüsse ihrer Stadträte“. Potsdam habe als Stadt auch schon vor 2015 ihre Offenheit und Toleranz – und zwar in allen Bevölkerungsschichten – mehrfach deutlich gemacht. Er verwies dazu auch das überparteilich getragenen Bündnisses „Potsdam bekennt Farbe“. 

Weg von starren Verteilmechanismen

So hatten die Stadtverordneten im vergangenen Jahr beschlossen, dass sich Potsdam für die zusätzliche Aufnahme von Flüchtlingen einsetzen soll. Schubert sagte, solche Beschlüsse von demokratisch gewählten Gremien hätten eine „höhere Legitimität, als wenn die Bundesregierung über Verteilungsschlüssel jedes Jahr Flüchtlinge verteilt.“ Weiter sagte der Rathauschef: „Wir müssen weg von starren Verteilmechanismen von oben nach unten.“ Das Prinzip der Freiwlligkeit müsse bei der Flüchtlingspolitik mehr in den Fokus rücken, sagte er. So gebe es auch aufnahmebereite Städte in Ländern wie Polen, denen sich die „die nationale Administration“ derzeit in Sachen Flüchtlinge „verweigert“ – solche Städte könnten mit der Initiative gestärkt werden.

Allerdings würde auch in Europa eine generelle Einigung zu Verteilmechanismen benötigt: „Es geht nicht, dass wir die Staaten am Mittelmeer alleine mit den Flüchtlingen lassen.“ Zudem müsse mehr über die Fluchtursachen gesprochen werden: „Es ist nicht nur Krieg, der die Menschen zur Flucht treibt. Wir müssen zum Beispiel auch Klima als Fluchtursache stärker in den Fokus rücken.“ Das könne auch der Hilfe vor Ort dienen. 

Einwanderung ist wegen des Fachkräftemangels dringend nötig

Am vergangenen Donnerstag hatte Schubert in seiner ersten Pressemitteilung des Jahres angekündigt, fünf Kinder aus einem Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln aufnehmen zu wollen. Die humanitäre Katastrophe, die sich dort abspiele, sei ein Armutszeugnis für Europa, so Schubert – notwendig sei ein gemeinsames Handeln von Kommunen. Und Potsdam sei jederzeit in der Lage, die Minderjährigen aufzunehmen, unterzubringen und zu betreuen. Jetzt sagte Schubert auch: „Wir haben hier in Potsdam eine Unterkunft, die diesen Bereich 2015 ausgebaut hat. Dort arbeiten wir mit erfahrenen Pädagogen.“ Vorher würden die Kinder ein standardisiertes Aufnahmeverfahren durchlaufen, wobei etwa ihr Alter geprüft werde. 

Für aufgenommene Flüchtlinge zahlt die Stadt Potsdam wie berichtet rund 16.000 Euro pro Person und Jahr, wobei 95 Prozent der Kosten vom Land erstattet werden. Bei Kindern kommen zusätzliche Kosten für die Betreuung extra dazu. 

Eine schnelle Entscheidung sei nötig, sagte Schubert: „Es geht nicht nur darum, abstrakt über Lösungen zu diskutieren, sondern die Kinder in den Camps brauchen jetzt Hilfe.“ Auch Brandenburgs Integrationsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hatte die Initiative begrüßt. Schubert sagte, wichtig sei es auch über den Nutzen durch Migration zu sprechen: „Wir brauchen in der deutschen Gesellschaft den Mut zu sagen, dass Fachkräfte gebraucht werden und in manchen Berufen klare Mangelsituationen herrschen.“ Als Beispiele nannte er Pflegekräfte, Sanitäter oder Bauarbeiter, wo es immer weniger einheimische Fachkräfte gebe. „Wir brauchen den Mut zu sagen, wir werden ohne Migration auf Dauer nicht zusammenleben können. Das ist eine Ehrlichkeit, bei der die Politik wieder deutlicher den Rücken gerade machen muss.“

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