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Großveranstaltung. Das Stadtwerkefest lockte regelmäßig Zehntausende Besucher an, vor allem als sich unter Peter Paffhausen die Superstars ein Stelldichein in Potsdam gaben. In diesem Jahr wurde das Spektakel erstmals deutlich zurückgefahren.

© Andreas Klaer

Stadtwerkefest in Potsdam: Juristisch zweifelhaft, politisch umstritten

Die geplante Staffelung der Eintrittspreise für das bislang kostenlose Stadtwerkefest stößt auf heftige Kritik - und ist möglicherweise rechtswidrig.

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Potsdam - Die geplante Preisstaffelung bei einem künftigen Eintritt für das Potsdamer Stadtwerkefest ist möglicherweise rechtswidrig. Zu dieser Einschätzung gelangte der Potsdamer Universitätsprofessor und Kommunalrechtsexperte Thorsten Ingo Schmidt. Von Besuchern aus dem Umland einen höheren Eintritt zu verlangen als von Potsdamern sei „rechtlich höchst zweifelhaft“, sagte er am Donnerstag den PNN. Schmidt wertete das als möglichen Verstoß gegen die Kommunalverfassung, wonach kommunale Einrichtungen – dazu zählten auch Veranstaltungen – allen Menschen zu gleichen Bedingungen zugänglich sein müssten. Diese Vorschrift gelte mittelbar auch für kommunale Unternehmen wie die Stadtwerke, so Schmidt.

Wie berichtet hatte Stadtwerke-Interimschef Horst Müller-Zinsius am Mittwochabend im Hauptausschuss erklärt, dass man für das Stadtwerkefest künftig Eintritt verlangen müsse – aus Sicherheitsgründen und um den Besucheransturm zu regeln. Die Preise sollen gestaffelt sein. Potsdamer, die Strom von den Stadtwerken beziehen oder regelmäßig den Verkehrsbetrieb ViP nutzen, sollen, je nach Starstatus der Künstler, fünf bis zehn Euro zahlen und dafür einen Verzehrgutschein über die gleiche Summe bekommen. Alle anderen Einwohner zahlen ebenfalls fünf bis zehn Euro, bekommen aber keinen Gutschein. Besucher von außerhalb sollen mit 20 bis 30 Euro zur Kasse gebeten werden.

Differenzierung in  „gute und schlechte Kunden“

Für diese Pläne sehen auch die Stadtverordneten noch erheblichen Diskussionsbedarf. SPD-Fraktionschef Pete Heuer sagte den PNN, nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre mit einer teilweise riskant hohen Zuschauerzahl begrüße er zwar einen „kontrollierten Zugang“. Allerdings lehne er die von den Stadtwerken gewollte Differenzierung in „gute und schlechte Kunden“ ab. Der Kundenbonus müsse für alle Potsdamer gelten, die von den Stadtwerken Trinkwasser und Fernwärme beziehen würden, forderte Heuer. Zudem müssten auch auswärtige Stadtwerke-Kunden – etwa über die ViP-Umweltkarte oder Inhaber einer blu- Schwimmbaddauerkarte – von dem Kundenbonus profitieren. Ansonsten sollten Besucher von außerhalb aber zahlen, sagte Heuer.

Nach den Plänen der Stadtwerke zahlen nur Kinder bis 16 Jahre keinen Eintritt, erhalten aber auch Tickets. Allein der Aufwand für deren Verkauf wird mit 120 000 Euro angegeben. Dem stehen Erlöse in gleicher Höhe gegenüber.

Trennung zwischen Stadtwerke-Kunden und Potsdamern „schwierig zu vermitteln“

Positiv zu den Ticketplänen äußerte sich CDU-Fraktionschef Matthias Finken, der allerdings auch die Trennung zwischen Stadtwerke-Kunden und Potsdamern „als schwierig zu vermitteln“ kritisierte. „Bei Wasser und Abwasser sowie bei der Stadtentsorgung sieht sich wohl jeder als Kunde.“ Es müsse vermieden werden, dass Potsdam „in eine gefühlte Zweiklassengesellschaft“ eingeteilt werde. Dem hatte Müller-Zinsius bereits am Mittwoch entgegengehalten, dass die Stadtwerketochter EWP den Löwenanteil der auf nun 920 000 Euro gedeckelten Kosten trage. Bevorzugen wolle man daher auch deren Kunden, die sich jeden Tag neu und gegen Konkurrenz für die Energie-Angebote des Unternehmens entscheiden. Die Preisunterschiede bei Stadtwerke-Kunden und den anderen Potsdamern hält auch Schmidt für rechtlich vertretbar, weil es als Marketingmaßnahme der direkten Kundenbindung dient.

Sollte der Kundenbonus auf Wasserbezieher erweitert werden, müsste sich die Stadt an den Kosten für das Fest beteiligen, hatte Müller-Zinsius erklärt. Für Wasser-, Abwasser- oder Müllgebühren sei das Rathaus zuständig, hieß es weiter.

Jakobs: Kostenloses Fest aus Sicherheitsgründen „nicht mehr zu verantworten“

Weitere Neuerungen betreffen die Besucherzahl, es werden nur knapp 21 000 Tickets ausgegeben. Dies ergebe sich aus dem zur Verfügung stehenden Platz in einem eingezäunten und somit noch rund 10 500 Quadratmeter großen Lustgarten, hieß es von den Stadtwerken. Laut Versammlungsstättenverordnung seien pro Quadratmeter nur zwei Personen zulässig. Die Tickets sollen an die Potsdamer ab dem 1. März verkauft werden, an Auswärtige erst ab dem 15. April. Das Fest selbst findet vom 6. bis zum 8. Juli statt, das Programm soll schon Ende Februar feststehen – insofern ist auch die Zeit für die politische Debatte nur sehr begrenzt.

Diese will Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) in der nächsten Hauptausschusssitzung im November führen. Er selbst stimmte dem Plan prinzipiell zu: Wegen der Sicherheitsaspekte sei ein kostenloses Fest „nicht mehr zu verantworten“. Auch die Stadtwerke führen an, dass man den Besucheransturm nur mit einem definierten Ticketkontingent regeln könne. Zudem lasse sich so der eigentliche Zweck des Festes, die Kundenbindung, wiederherstellen, so Jakobs: „Dieser Bezug ist im Verlauf der Zeit verloren gegangen.“ Auch Wolfhard Kirsch vom Bürgerbündnis sprach von einer „guten Lösung“. So werde die Akzeptanz für das Fest steigen.

Idee in die Welt gesetzt

„Sehr skeptisch“ auf die Ankündigungen reagierte dagegen Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Die Ideen veränderten den Charakter des Stadtwerkefestes, der bisher von Offenheit geprägt gewesen sei, völlig: „Warum wird so etwas infrage gestellt?“ Er fürchte nun ein „bürokratisches System“, das auf Ausschluss und Einengung hinauslaufe.

Arndt Sändig, Fraktionschef von Die Andere, nannte die Überlegungen für ein „teilweise kostenpflichtiges Festival mit Anmeldezwang“ nicht schlüssig. Nebenwirkungen wie die Bürokratisierung des Zugangs seien nicht durchdacht. Heuer und Linke-Kreischef Stefan Wollenberg forderten, dass die Stadtverordneten bei den Plänen das letzte Wort haben. Jakobs hatte hingegen betont, die Stadtverordneten könnten nur Empfehlungen abgeben. Grünen-Fraktionschefin Jenny Armbruster plädierte bei dem Fest für einen „kompletten Neuanfang“ und forderte mehr Unterstützung der Stadtwerke für andere Veranstaltungen.

Für Debatten sorgten die Pläne auch in sozialen Netzwerken. Vor allem aus dem Umland kam Kritik. „Vielleicht sollten wir in Teltow dann ab nächstem Jahr auch Eintrittspreise von den zahlreichen Potsdamer Besuchern bei unserem Stadtfest nehmen“, schrieb etwa ein Nutzer. 

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Kommentar: Die unausgegorene Idee gestaffelter Eintrittspreise ist nichts anderes als der Versuch, das Stadtwerkefest zu beerdigen, meint PNN-Redakteur Peer Straube in seinem Kommentar.

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