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Gastdirigent Miguel Pérez Iñesta inmitten der Musizierenden.

© Ottmar Winter

Stadtteiloper feiert Premiere: Schüler kämpfen gegen die Zeitsparkasse

Wiederauftakt nach der Pandemie: Die Kooperation zwischen der Stadtteilschule Drewitz und der Kammerakademie Potsdam wird mit „Momo“ weitergeführt.

Potsdam - Die Turnhalle der Stadtteilschule Drewitz, ein Dienstagvormittag. Ganz schön aufregend, so eine Hauptprobe, für Professionelle wie für Laien gleichermaßen – zumal wenn sich, wie hier, Kinder für ein Theaterstück zusammenfinden, um es vor Schulkameraden, Eltern und Gästen aufzuführen. Es wuselte also gestern noch mächtig in der Schule Am Priesterweg. Die jungen Darstellerinnen und Darsteller hielten sich mit manchen Bemerkungen nicht zurück. Doch wenn sie das Podium erreichten, agierten sie äußerst konzentriert.

Man merkte ihnen die Freude, ja die Begeisterung an, nach Corona-Zeiten endlich wieder auf der Bühne stehen zu dürfen. Denn das Theaterspiel hat an der Stadtteilschule gute Tradition – seit vielen Jahren findet hier in Zusammenarbeit von Kammerakademie Potsdam und der Grundschule die Stadtteiloper statt. Die Theaterpädagogin Leonie Hentschel von der Kammerakademie ist die Leiterin des Projekts, sie behält den Überblick, bleibt stets ruhig und versprüht eine warme Freundlichkeit und den nötigen Optimismus, auch wenn dieser oder jener Auftritt bei der Probe noch verpatzt wird.

Die Probenzeit ist zu Ende

Das Kammerorchester und der spanische Gastdirigent Miguel Pérez Iñesta gaben den 150 Schülerinnen und Schülern der Klassen 4 bis 6 aus zwanzig Nationen ebenfalls die nötige Ruhe und Sicherheit. Am Dienstag ging die Probenzeit zu Ende, am Mittwoch feiert das Stück „Momo“ seine Premiere. Man konnte auch in der Probe bereits so manch vielversprechende, berührende und erfrischende Szenen erleben – beispielsweise wenn das Mädchen Momo, dargestellt von der 12-jährigen Esther, einsam durch die Stadt geht und dazu eine melancholische Musik von Benjamin Britten erklingt. Oder wenn die Mädchen und Jungen in der Klassengemeinschaft leidenschaftlich über den Wert von Zeit und Freundschaft diskutieren.

Michael Endes „Momo“ kritisiert eine Welt, in der nur die Arbeitenden einen Wert haben.
Michael Endes „Momo“ kritisiert eine Welt, in der nur die Arbeitenden einen Wert haben.

© Ottmar Winter

„Momo“ von Michael Ende ist die zeitlose Geschichte eines alterslosen Mädchens, das anderen Menschen seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenkt. Bis die „grauen Herren“ von der Zeitsparkasse auftauchen und die Menschen überreden, ihre Zeit fortan „sinnvoll“ zu investieren: Verzicht auf Freundschaften, Hobbys, Liebe – für eine Zukunft, in der sie die gesparte Zeit wieder einlösen können. Denn „für das richtige Leben muss man frei sein“. Alle hetzen, alle sparen Zeit, und haben doch statt immer mehr immer weniger davon. Am Ende aber wird alles gut, Momo erlöst die Welt von den grauen Herren.

Stadtteilschule und der Kammerakademie kooperieren seit zehn Jahren

Michael Ende veröffentlichte „Momo“ 1973. In dem berühmt gewordenen Kinderbuch übt der Dichter an einer Gesellschaft Kritik, in der nur der arbeitende Mensch einen Wert hat. Nichts ist seitdem in puncto Stress besser geworden. Das haben die Kinder längst bemerkt. Sie sprechen darüber und sind ärgerlich, dass ihre Eltern für sie kaum noch Zeit haben.

Seit zehn Jahren gibt es die enge Kooperation zwischen der Stadtteilschule und der Kammerakademie. Beschäftigten sich bislang die Schülerinnen und Schüler vorwiegend mit Motiven aus Musiktheaterwerken, die das Orchester für Aufführungen der Potsdamer Winteroper vorbereitete, so hatte man 2022 ein Sprechtheaterstück im Visier. Die Kammerakademie kommt dennoch mit konzertanten Stücken von Benjamin Britten, Claude Debussy, Philipp Glass und Igor Strawinsky zum Zuge. So hört man die Musik meist dann, wenn die Handlung vorwärts getrieben werden soll oder choreographierte abstrakte Szenen die Bühne beherrschen.

Leonie Hentschel hat sich schon vor gut sechs Monaten in die Grundschule begeben, um vor allem mit der Mathematik- und Kunstlehrerin Anne Sonnabend und der Musiklehrerin Manuela Herrmann das Projekt auf den Weg zu bringen. Natürlich sind auch die Schulleiterin Amrei Dettbarn, ihre Stellvertreterin Anika Glimm und das Lehrerkollegium eng mit der Stadtteiloper verwoben. Die Stückauswahl wird besprochen, die Theater-Arbeitsgruppe taucht szenisch in die Welt von Momo ein, das Bühnenbild wird konzipiert und von den Schülerinnen und Schülern mit Hilfe der Lehrerinnen und Lehrer hergestellt, der Chor studiert seinen Part ein. Und die Percussion-Instrumentalisten freuen sich, wenn die Violinistin Julita Forck mit ihnen besondere Klänge hervorzaubert, die man nicht vergisst.

„Momo“, am Mittwoch um 16 und um 18 Uhr in der Stadtteilschule Am Priesterweg, Oskar-Messter-Straße, Drewitz

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