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Stadtpolitik Potsdam besuchte den Pfingstberg: Im Gänsemarsch durchs Unterholz

Seit Monaten gibt es Streit um dem Park am Pfingstberg. Nun besuchten etwa 30 Stadtpolitiker das umstrittene Areal. Zum Sinneswandel führte die Begehung allerdings nicht.

Potsdam - Erst kommt der ungeliebte Bauzaun, weiter oben im waldigen Gelände ein rot-weißes Flatterband: Es soll den Verlauf des künftigen Zauns kennzeichnen, der den öffentlichen vom privaten Teil des Gartens um die Villa Henckel am Pfingstberg abgrenzen soll – nach einer Linie, die eine Expertengruppe im Pfingstbergstreit erarbeitet hat, die aber sowohl die Stadtspitze als auch die große Mehrheit im Stadtparlament als zu weitgehend ablehnt. Am gestrigen Mittwochnachmittag trafen sich rund 30 Stadtverordnete am Pfingstberg, um sich bei einer Begehung vor Ort ein Bild zu machen von den räumlichen Gegebenheiten in Potsdams jüngstem Streitfall. Zum Sinneswandel führte der einstündige Rundgang bei ihnen aber nicht.

Wie berichtet hatte die Schlösserstiftung 2014 mit Springer-Chef Mathias Döpfner einen Vertrag geschlossen, der dem Investoren als Gegenleistung für die mindestens 1,8 Millionen Euro teure denkmalgerechte Wiederherstellung des verwilderten Parks rund um die Villa Henckel und die Sanierung der maroden Villa Schlieffen für 40 Jahre ein privates Nutzungsrecht einräumt – obwohl der Großteil des Areals laut Bebauungsplan als öffentliche Grünfläche gewidmet ist. Das sogenannte Nießbrauchsrecht für Döpfner ist bereits im Grundbuch eingetragen. Von der insgesamt knapp 8,5 Hektar großen Fläche sind laut B-Plan nur knapp 1,5 Hektar zur Privatnutzung vorgesehen – das entsprechende Gelände hatte Döpfner bereits früher gekauft. Für Proteste von Anwohnern sorgt seit Monaten ein Zaun, der um den Park gezogen wurde – um der Verkehrssicherungspflicht nachzukommen, wie es seitens des Investors heißt. Es bestehe Gefahr für Leib und Leben, bei Arbeiten auf dem Gelände seien bereits zwei Bäume umgestürzt, sagte der von Döpfner beauftragte Gartenarchitekt Thomas Guba beim gestrigen Rundgang: „Wir können von Glück reden, dass niemand umgekommen ist.“

Grotte unter meterdicken Schuttschicht entdeckt

Derartige böse Überraschungen oder Unfälle gab es am Mittwoch nicht – die Stadtverordneten waren mit der Maßgabe, festes Schuhwerk zu tragen, eingeladen worden. Tatsächlich ging es teilweise im Gänsemarsch durchs Unterholz, wobei Klassenausflugsstimmung aufkam. Die Stadtverordneten witzelten über eine mögliche neue Badestelle am noch zu sanierenden Wasserlauf unterhalb der Villa und staunten über die bereits sanierte Grotte, die einer Art Loggia Raum bietet, vor der bei eingeschalteter Wasserzufuhr noch ein Wasservorhang fällt.

Diese Grotte befindet sich – anders als im Bebauungsplan eingezeichnet – auf dem Privatgelände, wie Guba und Stadtplanungschef Andreas Goetzmann erklärten. Bei der Erstellung des B-Planes in den 1990er-Jahren habe man sich auf ungesicherte Erkenntnisse zur Lage der Grotte beziehen müssen. Erst im Laufe der Bauarbeiten sei sie unter einer meterdicken Schuttschicht entdeckt worden. Im öffentlichen Bereich liegen dagegen ein Teil des Wasserlaufes und der kleine Teich, in den er mündet. Laut der von der Expertengruppe erarbeiteten Linie wäre aber auch dieser Parkteil künftig privat.

Keine Sackgassen innen und außen

Guba und Goetzmann bemühten sich, den Verlauf der mit Flatterband abgesteckten Linie, die dem Investor insgesamt gut 3,6 Hektar des Parks zur Privatnutzung lassen würde, zu rechtfertigen. Man habe unter anderem auf das historische Wegenetz Rücksicht genommen – ein sogenannter Drive soll wie früher von der Großen Weinmeisterstraße in ausladender Kurve den Hang hinauf zur Villa Henckel führen, auch ein weiterer Rundweg soll wiederhergestellt werden. Die im B-Plan vorgesehene Grenze würde dieses Netz durchschneiden, Spaziergänger sowohl auf der öffentlichen als auch auf der privaten Seite würden dann ständig in Sackgassen laufen und vor Zäunen stehen, erklärte Guba. Beim nun erarbeiteten Verlauf gebe es dagegen „keine Sackgassen außen und innen“, sagte der Landschaftsarchitekt. Ein Weg zum Pfingstberg bleibe frei.

Überzeugen konnte die Stadtverordneten diese Argumentation nicht. Er sehe auch nach der Begehung „kein Handlungserfordernis“, sagte SPD-Vizefraktionschef Pete Heuer den PNN – wie berichtet müsste der Bebauungsplan per Stadtparlamentsbeschluss geändert werden, um den in der Expertengruppe erarbeiteten Vorschlag umzusetzen. Auch Linke-Fraktionsvize Sascha Krämer konstatierte: „Wir halten am Bebauungsplan fest.“ Grünen-Fraktionschef Peter Schüler verwies auf die Parteisitzung in der kommenden Woche, zeigte sich persönlich aber auch wenig angetan von der vorgeschlagenen Linie. Große Teile des Parks seien dadurch „nicht mehr erlebbar“, betonte Carsten Linke von der Fraktion Die Andere: „Einen Einwegwanderweg braucht niemand.“

Jakobs: Mit ihm gibt es keine Änderung des B-Plans

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatte unlängst deutlich gemacht, dass es eine B-Plan-Änderung mit ihm nicht geben wird, dass er aber Verhandlungsspielraum über die Linie innerhalb des geltenden B-Planes sieht. Die Stiftung habe es versäumt, die Frage nach der öffentlichen Zugänglichkeit mit Döpfner vertraglich zu regeln, hatte er kritisiert. Der renommierte Verwaltungsrechtler Ulrich Battis hatte in den PNN darauf hingewiesen, dass öffentliches Recht vor Privatrecht geht. Die Einzäunung sei nicht problematisch, der Eigentümer müsse aber die im B-Plan vorgesehene öffentliche Zugänglichkeit gewährleisten. Andernfalls könne die Stadt dies anordnen.

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