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Stadtjubiläum: Warum wurde Potsdam verschenkt?: „Die Urkunde zur Schenkung gibt Rätsel auf“

Am 3. Juli 993 wird Potsdam erstmals erwähnt - in einer Urkunde, laut der ein damals 13-Jähriger die Ortschaften Potsdam und Geltow an eine Äbtissin verschenkt. Doch die Urkunde gibt Historikern Rätsel auf, wie Archivar Klaus Neitmann im PNN-Interview erklärt.

Herr Professor Neitmann, Potsdam feiert in diesem Jahr den 1025. Jahrestag seiner urkundlichen Ersterwähnung. Dabei bezieht man sich auf eine Urkunde des römisch-deutschen Königs Otto III. vom 3. Juli 993. Was steht dort genau drin?

Die Urkunde beinhaltet in ihrem Kern, dass Otto III. der Äbtissin des Stifts von Quedlinburg zwei Orte im Havelland schenkt. Orte, die von heutigen Historikern als Potsdam und Geltow identifiziert werden. Potsdam wird in der Urkunde als Poztupimi bezeichnet. Also diese zwei Orte und die dazugehörigen Besitzungen werden vom König dem Stift Quedlinburg geschenkt, einer geistlichen Einrichtung, die mit dem damaligen Herrscherhaus sehr eng verbunden war.

Als er die Schenkung machte, war Otto, der später noch zum Kaiser gekrönt wurde, erst etwa 13 Jahre alt. Da hat er doch sicherlich nicht aus eigenem Antrieb gehandelt.

Wir können natürlich davon ausgehen, dass sich andere verantwortliche Personen um die Regierungsgeschäfte gekümmert haben. Seine Mutter Theophanu war nach dem Tode ihres Gatten förmlich zur Regentin bestellt worden. Sie hatte die Vormundschaft für ihren unmündigen Sohn übernommen und als Vormund eben faktisch die Regierungsgeschäfte geleitet.

Und nach dem Tod Theophanus im Jahre 991 war Ottos Großmutter Adelheid von Burgund die Regentin. Also zu jener Zeit, als Otto Potsdam verschenkte.

Ja, genau.

Haben Sie das Original der Schenkungsurkunde einmal vor Augen gehabt?

Ich habe es selber auch noch nicht gesehen. Es liegt im Landesarchiv von Sachsen-Anhalt in Magdeburg.

Wer hat die Urkunde unterzeichnet? Der minderjährige Otto?

Urkunden wurden damals nicht unterschrieben. Uns ist natürlich heutzutage ganz selbstverständlich, dass zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts von jeder Partei die persönliche Unterschrift geleistet wird. Das ist aus Sicht eines Historikers eine relativ junge Erscheinung. Erst im 16. Jahrhundert kommt tatsächlich die Praxis auf, dass die Fürsten, die Könige und Kaiser zumindest die wichtigeren Urkunden persönlich unterschreiben.

Wie hat man stattdessen Dokumente autorisiert?

Die ganzen mittelalterlichen Jahrhunderte über ist das entscheidende Beglaubigungsmittel das Siegel gewesen.

Kann man sicher sein, dass die Potsdam-Urkunde von 993 wirklich echt ist?

Es gibt keinen begründeten Zweifel an der Echtheit des Dokuments.

Warum wurde Potsdam verschenkt?

Seit dem 9. und 10. Jahrhundert gibt es geradezu unendlich viele Schenkungen, die die deutschen Könige und Kaiser geistlichen Einrichtungen gewährten. Der Hauptzweck ist üblicherweise, dass die wirtschaftliche Kraft der Beschenkten gestärkt wird. Die Urkunde allerdings, in der die Schenkung Potsdams beurkundet worden ist, gibt, was ihren Inhalt betrifft, gewisse Rätsel auf.

Welche denn?

Es ist in der Forschung schon wiederholt diskutiert worden, ob Potsdam und Geltow sich damals überhaupt im tatsächlichen Besitz des Königs befunden haben. Die Regionen östlich der mittleren Elbe und östlich der Saale waren von Kaiser Otto I. – also dem Großvater Ottos III. – vor allem in den 940er-Jahren unterworfen worden. Die dort ansässigen Slawen wollten sich aber nicht damit abfinden, dass sie nun unter die Herrschaft eines ihnen fremden Herrschers gerückt wurden. So gab es im Jahre 983 einen großen Slawenaufstand. Dadurch ist das Gebiet östlich von Magdeburg der deutschen Herrschaft wieder verloren gegangen.

Hat Otto III. das Gebiet nicht zurückerobert?

Er hat in den frühen 990er-Jahren mehrere militärische Züge von Magdeburg aus gen Osten geführt, um diesen Verlust wieder wettzumachen. Man weiß, dass er 992 und 993 in Brandenburg an der Havel gewesen ist, da hat er auch Urkunden ausgestellt. Aber man weiß eben auch, dass er diese slawischen Lande nicht wieder dauerhaft in seinen Besitz gebracht hatte.

Das Gespräch führte Holger Catenhusen

Klaus Neitmann, 63, ist seit 1993 Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs. Seit 2014 ist er zudem außerplanmäßiger Professor für Landesgeschichte an der Universität Potsdam.

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