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Bei der Druckerei Stein sollen die Redakteure der Wochenzeitschrift "Weltbühne" eigene Arbeitstische gehabt haben.

© Potsdam Museum

Stadtgeschichte: 55 Verlage hatten ihren Sitz einst in Potsdam

Bilderbücher, Atlanten und die Wochenzeitschrift "Weltbühne" - Auch große Literatur wurde in der Stadt publiziert. Ein Rückblick.

Potsdam - Ein kleiner Zettel weckte die Aufmerksamkeit: „Hier nur Potsdamer Verlage“. So stand es auf einem Klebchen an einem Bücherregal im Depot des Potsdam Museums, erzählt Jan Kostka. Eines Tages, beim Gang durch das Depot, fiel ihm der kleine Zettel mit dem Hinweis auf die Potsdamer Verlage auf. Seitdem hat sich Kostka weiter mit diesem Thema befasst und Bücher gesichtet, die vor vielen Jahrzehnten in Potsdamer Verlagen erschienen waren. Der Literaturwissenschaftler arbeitet als wissenschaftlicher Volontär am Museum.

Die Verlage waren klein

Von seinen Forschungen zur Potsdamer Verlagslandschaft berichtete Kostka im Potsdam Museum im Rahmen der Reihe „Silver Salon“, einem Veranstaltungsformat, das sich an ältere Menschen richtet. Trotz tropischer Temperaturen waren knapp 20 Menschen erschienen, um gemeinsam mit Kostka in den wohltemperierten Räumen des Museums in die Historie von Potsdamer Verlagen einzutauchen. 

Konkret untersucht hat der Literaturwissenschaftler vor allem die Zeit zwischen 1914 und 1945. Und was sich ihm im Verlaufe seiner Forschungen bot, ist das Bild eines regen Verlagslebens in Potsdam. Allein die Anzahl der Verlage in der Zeit vom Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges lässt aufhorchen: „Insgesamt habe ich 55 gezählt“, sagt Kostka. Allerdings waren manche Verlagshäuser sehr klein. Bei ihnen wurden zum Teil nur ganz wenige Titel verlegt.

Gustav Kiepenheuer ist der bekannteste Name

Der heute bekannteste Name unter den damaligen Verlegern in der Stadt an der Havel dürfte der Gustav Kiepenheuers sein. Er hatte in den 1920er-Jahren seinen Sitz nahe dem Park Charlottenhof in der Viktoriastraße 59, der heutigen Geschwister-Scholl-Straße. Der Verlag hatte damals einige Autoren unter Vertrag, die in der Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts einen prominenten Platz errungen haben, darunter Arnold Zweig und Joachim Ringelnatz. Ein zweiter Verlag ähnlichen Namens hatte ebenfalls seinen Sitz in Potsdam. 

Es war der Verlag von Irmgard Kiepenheuer, die sich Anfang der 1920er-Jahre von ihrem Mann, dem Verleger Gustav Kiepenheuer, getrennt hatte und dann mit ihren drei Kindern in die Fasanerie im Park Charlottenhof zog. Hier richtete sie gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Hans Müller ein eigenes Unternehmen ein, den Verlag Müller & I. Kiepenheuer. Er war auf teure, bibliophile Veröffentlichungen spezialisiert, zum Teil gab es handkolorierte Luxusausgaben aus in Leder gebundenem Pergament. Irmgard Kiepenheuer initiierte innerhalb ihres Verlages auch eine Kinderbuchsparte. Preisgekrönte Bilderbücher, Atlanten und Sachbücher für Kinder sowie Großstadtgeschichten erschienen hier, so Kostka.

Damals ein richtiges Imperium war der Verlag Bonneß & Hachfeld, der in der Hohenzollernstraße 3-4, der heutigen Schopenhauerstraße, seinen Sitz hatte. „Der einzige wirklich sehr große Verlag“, sei dies damals in Potsdam gewesen, berichtete Kostka. Er gab unter anderem Lehrbriefe heraus, womit die Abonnenten beispielsweise für das Abitur lernen oder sich auch Buchhaltungskenntnisse aneignen konnten, so Kostka.

Ossietzky und Tucholsky schrieben für Potsdamer Verlage

Ein heute noch sehr prominentes Druckerzeugnis, in dem berühmte Autoren wie Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky schrieben, kam damals ebenfalls aus Potsdam. Die Wochenzeitschrift „Die Weltbühne“ wurde hier in der sogenannten Vereinsdruckerei gedruckt. Sie befand sich in der Junkerstraße 36/37, heute Gutenbergstraße. Ab 1925 wurde das Wochenblatt dann bei der Druckerei Stein, ebenfalls in Potsdam ansässig, gedruckt. 

Die Chefredaktion der Weltbühne hatte allerdings ihren Sitz in Berlin-Charlottenburg – was einen erheblichen Arbeitsaufwand mit sich brachte. So mussten Typoskripte, Anzeigen und Entwürfe von Charlottenburg zuerst nach Potsdam gebracht werden. Hier wurden die Druckfahnen korrigiert. Das Ganze ging anschließend in den Druck. Die gedruckten Exemplare wurden dann wieder nach Berlin gebracht.

Potsdam als Hort des Militarismus

Bei der Druckerei Stein hatten die Redakteure der Weltbühne einen eigenen Arbeitstisch, wie Kostka zu berichten weiß. Auch das Café Rabien, heute Café Heider, nutzten die Redakteure als Arbeitsplatz. Die Drucker mussten dann warten, bis alle Fehler beseitigt waren. Siegfried Jacobsohn, der Gründer der Weltbühne habe damals, so Kostka, die Devise ausgegeben: „Besser ein verspätetes Heft als ein Schlechtes.“ Der Druckort Potsdam habe auch in der Berichterstattung der Weltbühne durchaus eine Rolle gespielt, sagt Kostka.

Über Potsdam als Hort des Militarismus und des Monarchismus wurde berichtet. Aber nicht nur um die große Politik ging es. Auch das Schicksal „kleiner Leute“ aus der Region fand Eingang in die Berichte der Wochenzeitschrift. So fand Kostka einen Bericht über eine 42-jährige Hutmacherin, die am 28. März 1928 vor dem Potsdamer Schwurgericht wegen Mordes an ihrem Ehemann angeklagt war. Er hatte sie über Jahre hinweg tyrannisiert und war oft betrunken.

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