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Stadtentwicklung: Wohnungs- und Schulbau in Potsdam auf der Kippe

Bauprojekte im Wald an der Pirschheide und in der Waldstadt könnten an Formalitäten scheitern - und Brandenburgs Ministerpräsident wird deswegen als "Maulheld" tituliert.

Potsdam - Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und Probleme bei der Versorgung mit Schulplätzen gehören in Potsdam seit Jahren zu den Dauerthemen. Auch bei den regelmäßigen Bürgerumfragen des Rathauses landen beide Themen stets weit vorn. Umso passender wäre es für die Stadt, wenn sie solche Bauprojekte auf günstigem öffentlichen Grund errichten könnte. Doch nun stehen in Potsdam gleich zwei Großprojekte in der Waldstadt und in Potsdam-West infrage – wegen finanzieller Forderungen des Landes.

Konkret geht es um Pläne für einen Schulcampus am Bahnhof Rehbrücke. Dort möchte die Stadt in den nächsten Jahren eine weiterführende Schule, eine Förderschule, eine Kita und zwei Sportplätze errichten. Derzeit wird der Bebauungsplan aufgestellt. Für eine zweite Fläche zwischen Luftschiffhafen und Bahnhof Pirschheide hatten die Stadtverordneten im vergangenen Jahr eine vorbereitende Untersuchung in Auftrag gegeben. Die sollte klären, wie auf dem Areal hunderte Wohnungen und eine weiterführende Schule errichtet werden können. Beide Areale haben etwas gemeinsam: Sie liegen unmittelbar am Stadtrand, haben bereits Anschluss ans Tramnetz sowie einen Bahnhof – und sind derzeit als Wald im Eigentum des Landesforsts.

Oberbürgermeister fordert Änderung in der Landeshaushaltsordnung

Letzteres könnte nun zum Problem werden. Wie die Märkische Allgemeine am Donnerstag berichtete, können nämlich die benötigten Forstflächen nicht vergünstigt an die Stadt Potsdam abgegeben werden. „Diese Projekte werden schwierig zu realisieren sein, wenn es so teuer wird. Da kriegen wir keinen sozialen Wohnungsbau hin oder müssten eine sehr teure Schule bauen“, zitierte die Zeitung Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD). Er fordere, dass das Land die Regelungen der Landeshaushaltsordnung für Forstflächen anpasst.

Hintergrund sind vermögensrechtliche Vorschriften. Wie die Stadtverwaltung auf PNN-Nachfrage erkärte, gebe es unterschiedliche Regelungen für sogenanntes Verwaltungsvermögen und für Flächen im Vermögen des Landesforstbetriebs. Nach dem Haushaltsgesetz können landeseigenen Flächen sogar kostenlos übertragen werden, wenn dort Schulen oder Kitas gebaut werden und die Kommunen über keine geeigneten Grundstücke verfügen, hieß es. Bei Forstflächen soll das Haushaltsgesetz aber nicht gelten. Dafür müsste die Stadt den vollen Wert bezahlen – da eine Bebauung beabsichtigt ist, wäre dann der Preis für Bauland fällig. Bei insgesamt 22 Hektar könnte so schnell ein zweistelliger Millionenbetrag zusammenkommen. Zahlen nannten auf Anfrage weder Stadtverwaltung noch Landesregierung.

Seit zwei Jahren wird verhandelt

Tatsächlich ziehen sich die Verhandlungen über die Preisfrage schon seit rund zwei Jahren hin – bisher ohne Ergebnis. Im Herbst hatte sich angesichts des angespannten Wohnungsmarktes im Berliner Umland auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zum Thema geäußert. Beim Berliner Wohnungsgipfel sagte er im September 2018, er wäre bereit, den Kommunen landeseigene Flächen kostenlos für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Günstiger Wohnraum werde dringend gebraucht, denn Wohnen sei ein Grundrecht, hatte Woidke erklärt und die Landeshauptstadt sogar explizit erwähnt: „Vor allem in Potsdam und anderen Gemeinden rund um Berlin wird es für Familien immer schwerer, eine bezahlbare Wohnung zu finden.“

Woidkes Einlassungen sorgen nun – weniger als zwei Monate vor der Landtagswahl – für Zündstoff. Der Potsdamer Landtagsabgeordnete und CDU-Generalsekretär Steeven Bretz kritisierte Woidke am Donnerstag deutlich: „Der Ministerpräsident erweist sich als Maulheld“, sagte er den PNN. „Zwischen seinen Ankündigungen und seinen Taten klaffen riesige Lücken.“ Entweder kenne Woidke die Haushaltsregeln nicht oder er habe versäumt sie zu ändern.

„Da muss man die Regelungen eben ändern“

Auch in den Reihen des linken Koalitionspartners kommt die Hängepartie nicht gut an. Der Fraktionschef der Linken in der Stadtverordnetenversammlung Stefan Wollenberg – ebenfalls Landesgeschaftsführer der Linken – äußerte sein Unverständnis. „Ich habe die klare Erwartungshaltung, dass das Land den Städten hilft, die es nötig haben.“ Es handele sich um formalrechtliche Hürden. „Da muss man die Regelungen eben ändern.“ Niemand verstehe, dass das Land erschlossene Grundstücke innerhalb der Stadt kostenlos abgebe und gleichzeitig für Wald hohe Preise verlange. „Es wäre absurd, wenn der Schulbau in der Waldstadt an dieser Frage scheitert.“ Das Land habe die Fläche doch 2014 selbst ins Spiel gebracht, sagte Wollenberg.

Außerdem sind noch einige Fragen offen. So war die Stadt mit dem Start der vorbereitenden Untersuchung für ein Entwicklungsgebiet in Pirschheide in die Offensive gegangen. Denn mit einem solchen Verfahren werden gewöhnlich die Grundstückspreise eingefroren, um Spekulationen zu verhindern. Anfragen, welche Auswirkungen dies auf die Verhandlungen hat, konnten am Donnerstag weder die Stadtverwaltung noch die Landesregierung beantworten. Auch beim Schulcampus in der Waldstadt zieht sich die Diskussion schon seit Jahren hin. Seit dem Schulentwicklungsplan 2014 hat die Stadt das landeseigene Areal am Bahnhof Rehbrücke im Visier – genug Zeit also, um Preisvorstellungen auszutauschen.

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