zum Hauptinhalt

STADTENTWICKLUNG: „Wir wollen nicht ausziehen“

Die Debatte über den Staudenhof geht weiter. Ex-Bauausschuss-Chef Christian Seidel macht klar: Eine Integration des Wohnblocks in das Leitbautenkonzept ist unmöglich. Dafür erntet er Widerspruch.

Innenstadt - Abriss versus Erhalt: Zu einem spannenden Argumente-Austausch zur Zukunft des „Staudenhofes“ am Alten Markt 10 kam es am Dienstagabend im Schaufenster der Fachhochschule. Eingeladen hatten die Bürgerinitiative Mitteschön und die Stadtfraktion Potsdamer Demokraten; gekommen waren zahlreiche Bewohner des 183 Wohnungen bietenden Gebäudes aus DDR-Zeiten, aber auch viele Befürworter einer Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte gemäß Leitbautenkonzept. Der Staudenhof wurde quer zum Potsdamer Stadtgrundriss errichtet; seit 1990 gilt jedoch ein Stadtverordnetenbeschluss, der eine behutsame Rückkehr zu den alten Quartieren und Blockrändern vorschreibt.

Im Jahre 1990, erklärte Linksfraktions-Chef Hans-Jürgen Scharfenberg, hätte kaum ein Stadtverordneter richtig gewusst, was er da beschlossen habe. Mit dieser Bemerkungen sorgte Scharfenberg dafür, dass die Debatte schnell Betriebstemperatur erreichte. So sprach sich Architektur-Professor Ludger Brands gegen „Ostmoderne-Sentimentalitäten“ aus, geißelte die „Zerstörung durch Planung, nicht durch Krieg“ nach 1945 und forderte eine Rückkehr zu einer langfristigen Stadtplanung statt einer Verherrlichung von „Brüchen“ im Stadtbild.

Christian Seidel (SPD), langjähriger Bauausschuss-Vorsitzender, reagierte auf Scharfenbergs Steilvorlage. Nur zu gut hätten die Stadtverordneten 1990 gewusst was sie taten. Er zitierte aus dem Buch „Ein Yankee in der Mark“ aus dem Jahr 1969 Joachim Seyppels, einem Potsdamer Stadtplaner, der damals schrieb, es entstehe „eine neue Stadt, so, dass sich Altpotsdamer darin gruseln werden“. Der DDR-Architekt habe recht behalten sollen, 1990 aber sei es vielen darum gegangen, das Gruseln zu beenden. Seidel nannte es „unverantwortlich“, dass die Staudenhof-Bewohner durch die beschlossene Machbarkeitsstudie verunsichert werden. Eine Integration des Staudenhofs in das Leitbautenkonzept sei nicht möglich. Wie Mitteschön-Grafiken zeigten, durchbricht der DDR-Block ausgerechnet die Fassade eines Leitbaus und sei zudem viel zu hoch. „Bitte keinen Schmusekurs“, forderte Seidel, „als wären die beiden Konzepte vereinbar“. Seidel schlug vor, dass die Pro Potsdam als Grundstückseigentümer die Mieteinahmen aus dem Staudenhof der nächsten zehn Jahre zurücklegt, um dann damit an Ort und Stelle sozialverträgliche Wohnungen in Gebäuden zu errichten, die dem Leitbautenkonzept und dem alten Stadtgrundriss entsprechen. Scharfenberg, der vor „wachsenden sozialen Gegensätzen in der Stadt“ sowie einem „Verdrängungsprozess“ zuungunsten der Einkommensschwächeren warnte, sagte einem solchen Konzept die Unterstützung zu. Es müsse „belastbar“ sein; gleichsam signalisierte Scharfenberg, dass er an bezahlbare Mieten bei einer Neubebauung des Quartiers nicht recht glauben könne. Scharfenberg: „Was wir haben, wissen wir, was wir bekommen, nicht.“

Rosemarie Preuß, die seit 1971 im Staudenhof wohnt, erklärte: „Wir wollen nicht ausziehen.“ Die Abrisspläne seien eine „Vertreibungsattacke“, die Focussierung auf den alten Stadtgrundriss „provinziell und weltfremd“, da die Bevölkerungszahl nun einmal stark gestiegen sei. Seidel reagierte berührt auf die Rede der Betroffenen. Niemand dürfe so tun, als stünde „jemand mit der Abrissbirne vor der Tür“. Zehn Jahre Restlaufzeit habe der Block noch, dann müssten die Bewohner für eine umfangreiche Sanierung angesichts der Bauschäden zunächst ohnehin ausziehen. Seit 1990 werde „ein klarer Weg gegangen“, die Perspektive hin zum historischen Stadtgrundriss sei klar aufgezeigt.

Zur Startseite