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„Zu deprimierend.“ Karl-Heinz Birkholz (88) ist dagegen, dass das Minsk abgerissen wird. 

© A. Klaer

Stadtentwicklung nach der DDR: Was Minsk-Architekt Birkholz über die Potsdamer Ostmoderne denkt

Karl-Heinz Birkholz ist der Architekt des Minsk. Er ist heute nicht mehr gern auf dem Brauhausberg.

Von Barbara Nolte

Potsdam - Ausgemacht war ein Spaziergang über den Brauhausberg, die bewaldete Bergkuppe gegenüber des Potsdamer Hauptbahnhofs, deren Nordflanke Karl-Heinz Birkholz in den 70ern bebaute. Doch Birkholz schüttelt nur den Kopf. „Zu deprimierend“, sagt er.

Viel ist von Birkholz’ Bauten dort nicht übrig. Die Kaskade aus Treppen, Terrassen und Springbrunnen, die er damals anlegen ließ und die den Architekturkritiker der „Süddeutschen Zeitung“ an den Weinberg von Schloss Sanssouci erinnerte, ist bereits seit Jahren abgetragen. Vom alten Bad auf dem Brauhausberg, das Birkholz zwar nicht entwarf, aber so geschickt platzierte, dass sein konkav geschwungenes Dach wie eine Sprungschanze in den Himmel ragte, sind nur noch Trümmer übrig. Stattdessen steht da das neue blu, ein wuchtiger Quader, den Birkholz nicht näher kommentieren will. „Kein Respekt vor der Hanglage“, sagt er knapp.

Karl-Heinz Birkholz ist ein drahtiger, 88-jähriger Mann, der am Waldrand von Geltow wohnt und gerade von seinem morgendlichen Bad im Schwielowsee zurückgekommen ist. Auf dem Brauhausberg in Potsdam ist von seinem Ensemble nur sein Terrassenrestaurant Minsk stehen geblieben. Auch das ist zurzeit kein schöner Anblick. Der letzte Pächter ist in den 90ern ausgezogen, die Scheiben sind eingeschlagen, das Interieur ist geplündert. Auf den Terrassen wuchert Unkraut.

Abriss der alten Schwimmhalle am Brauhausberg Potsdam.
Abriss der alten Schwimmhalle am Brauhausberg Potsdam.

© Andreas Klaer

Dieser hohle Zahn hat in letzter Zeit richtige Fans gewonnen. Während sich vor wenigen Jahren noch vor allem die Linkspartei für den Erhalt einsetzte, wobei ihr DDR-Nostalgie unterstellt wurde, wird heute auch von bürgerlicher Seite „die hochwertige Gestaltungsqualität“ des Terrassenrestaurants gelobt.

„Dass nicht gezeigt wird, was die Investoren da vorhaben, halte ich für gefährlich“

Karl-Heinz Birkholz, nach dem Krieg Stahlarbeiter in Hennigsdorf, Architekturstudent in Neustrelitz, dann jahrelang im VEB Landbauprojektierung für die Gestaltung von Schweineställen zuständig, findet seinen Namen in den überregionalen Feuilletons wieder. Der „Spiegel“ nennt das Minsk „Unikat der Ostmoderne“, und die „Süddeutsche“ lobt, wie Birkholz den Hang „zur Tribüne mit Blick über die Stadt und Havel“ gemacht habe.

Über die ästhetische Bewertung hinaus ist das Minsk auch außerhalb von Potsdam zum Symbol geworden, wie weit Städte bereit sind, ihr Gesicht und ihre Struktur Verwertungsinteressen zu opfern. Eigentlich wollen die Stadtwerke, denen die Hanggrundstücke gehören, durch ihren Verkauf 27 Millionen Euro einnehmen, um das neue Schwimmbad blu gegenzufinanzieren. Der Investor, der Interesse zeigte, will das Minsk abreißen. Wer es ist und wie genau seine Pläne aussehen, ist geheim. Auf der Hand liegt, dass sich ein so hoher Kaufpreis nur bei hohen Gewinnmargen lohnt. Auf Potsdams Tribünenplätzen sitzen dann die Superreichen.

Leipziger Dreieck Potsdam mit blu-Bad am Brauhausberg und Busbahnhof.
Leipziger Dreieck Potsdam mit blu-Bad am Brauhausberg und Busbahnhof.

© Lutz Hannemann

Karl-Heinz Birkholz bittet in sein Arbeitszimmer. An den Wänden hängen Aquarellbilder von Strandlandschaften, die er in Ostsee-Urlauben gemalt hat. „Dass nicht gezeigt wird, was die Investoren da vorhaben, halte ich für gefährlich“, sagt er. Generell hat Birkholz nichts gegen Potsdams oft barocke Umgestaltung, wie man vielleicht denken könnte von einem, der 40 Jahre lang in der DDR als Architekt arbeitete. Den Blick auf die Knobelsdorff-Fassade des Landtags findet er „wunderschön“. Birkholz erzählt, dass er dabei war, als die Garnisonkirche gesprengt wurde. Wegen der Erschütterung mussten seine Kollegen und er raus aus ihren Büros. „Ich sah, wie das Ding runterging“, sagt er. „Das wühlt mich heute noch auf.“

Ein neues Werkstattverfahren würde neuen Vorschlägen Platz geben

Dreißig Jahre nach der Wende scheint sich der ästhetische Glaubensstreit, Preußen gegen DDR, der Potsdam so lange prägte, aufzulösen. So spricht beispielsweise die „FAZ“ Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) in Bezug auf den Minsk-Abriss, den er zuletzt vorangetrieben hat, das „ästhetische und geschichtsdidaktische Verständnis“ dafür ab, dass es Gründe geben könne, „die Ostmoderne zu erhalten“. In einem offenen Brief werben 35 Kulturschaffende – von Martin Bredenbeck vom Verband Deutscher Kunsthistoriker über Oliver Elser, Kurator des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt, bis Christian Keller, Präsident der Brandenburgischen Architektenkammer, – für eine „Perspektive für das Minsk“ als „vermittelndes Bindeglied über 120 Jahre Baugeschichte“. Mittlerweile favorisiert laut einer Forsa-Umfrage der Märkischen Allgemeinen Zeitung eine Mehrheit der Potsdamer den Erhalt.

Doch je mehr die Unterstützerfront wächst, desto mehr drängt die Stadt auf die Abrissentscheidung. Ein mögliches Werkstattverfahren würde neuen Vorschlägen Platz geben: Es gibt Investoren, die das Minsk erhalten und zugleich Wohnungen bauen wollen – für einen niedrigeren Kaufpreis. Als Konzession hat sich die Stadt vom meistbietenden Investor die Zusage geben lassen, zwanzig Prozent Sozial- und Studentenwohnungen zu errichten – gegen einen Preisnachlass. Oppositionspolitiker unken, da eine stark befahrene Straße den Brauhausberg begrenze, könne man ahnen, wo die billigen Wohnungen liegen werden. Karl-Heinz Birkholz sagt, dass er – falls das Minsk doch abgerissen wird – wenigstens hier draußen in Geltow die Demontage nicht täglich mitansehen müsse.

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