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Stadt- und Landesbibliothek Potsdam: Bibliothek verteidigt Angebot kontroverser Bücher

Nach der Kritik am Angebot neurechter Verschwörungsliteratur verteidigt die Stadt- und Landesbibliothek ihren den Umgang mit rechten Publikationen – und erhält Zuspruch.

Die Potsdamer Stadt- und Landesbibliothek bekommt Rückendeckung für ihre Haltung, auch kontroverse Bücher mit neurechtem Gedankengut zu verleihen. „In Bibliotheken muss es die Möglichkeit geben, sich selbst eine Meinung zu bilden“, sagte Barbara Lison, Bundesvorsitzende des Deutschen Bibliothekverbands, den PNN jetzt auf Anfrage. Es gehöre zum Selbstverständnis von Bibliotheken, die pluralistische Entwicklung der Gesellschaft abzubilden. Demnach sei es sinnvoll, immer ein möglichst breites Spektrum an Positionen zu einem Thema anzubieten. „Es geht um einen ausgewogenen Bestand.“ Für Orientierung zu solchen Fragen gebe es auch einen Ethik-Code des Verbands, der vor allem die freie Meinungsbildung und den ungehinderten Zugang zu Informationen garantiere. „Zensur lehnen wir ab, unabhängig von persönlichen Vorlieben“, zitierte Lison aus dem Ethik-Code.

Wie berichtet hatte die Fraktion Die Andere Anstoß daran genommen, dass sich in den Beständen der Stadt- und Landesbibliothek mehr als 20 Bücher befinden, die laut Kritikern rechtspopulistisches oder verschwörungstheoretisches Gedankengut vermitteln. Das kollidiere mit den Zielen des Potsdamer Aktionsplanes gegen Rechtsextremismus, so die Auffassung der linksalternativen Fraktion. In dem von den Stadtverordneten beschlossenen Strategiepapier wird ein generell offensiver Umgang mit rechter Propaganda empfohlen, statt diese als Meinungsäußerung unwidersprochen zu lassen. Die Andere hatte die Debatte auch deshalb angeregt, da die Bibliothek im Bildungsforum, Am Kanal, nur über ein begrenztes Budget verfüge.

Bibliothekschefin Mattekat sagte dagegen, einige der von Die Andere kritisierten Bücher wie „Finis Germania“ hätten auf Bestseller-Listen gestanden, solche Publikationen würde die Bibliothek standardmäßig erhalten. Solcherlei nicht anzuschaffen, wäre auch ein Fehler, argumentiert Mattekat: „Dann würde man so tun, als ob es diese Bücher nicht gebe.“ Eingeordnet würden solche Bücher zum Beispiel in Regalen für Politik oder Geschichte, eine extra Einsortierung für Neue Rechte gebe es nicht: „Linke Bücher werden bei uns auch nicht extra gekennzeichnet.“

Haltung der Bibliothek mehrheitlich auch von PNN-Lesern unterstützt 

Insgesamt habe die Bibliothek pro Jahr rund 360 000 Euro zur Verfügung, um neue Medien zu beschaffen – der Anteil von neurechten Publikationen sei dabei minimal. Zudem falle die Resonanz von Nutzern nach dem Vorstoß von Die Andere eindeutig für die bisherige Linie der Bibliothek aus, sich frei informieren zu können, berichtete Mattekat. „Es geht darum, dass man sich in einer demokratischen Gesellschaft eine eigene Meinung bilden können muss.“ Für die konkrete Auswahl von Büchern greife die Bibliothek wie vergleichbare Häuser hauptsächlich auf die überregionale Lektoratskooperation zurück, ein Gremium, das bundesweit die wichtigsten Neuerscheinungen sichtet und für Bibliotheken empfiehlt. Allerdings gebe es auch einen knapp 10 000 Euro umfassenden Etat, um konkrete Leserwünsche zu erfüllen, sagte Mattekat. Zu der angestoßenen Diskussion hatten die PNN mehrere Leserbriefe erhalten, die fast durchweg die Linie der Bibliothek unterstützten.

Unterstützung für die Position kommt auch von der Bundesvereinigung Bibliothek und Information Deutschland (BID). Dort gibt es bereits ein Positionspapier zum bibliothekarischen Umgang mit umstrittenen Werken. Darin heißt es, einzelne Bürger, Politiker oder Verwaltungsvertreter würden zunehmend versuchen, „Einfluss auf das Medienangebot von Bibliotheken zu nehmen, in dem sie das Entfernen von Titeln aus dem Bestand fordern oder Verbote aussprechen, für die keine rechtliche Grundlage besteht“. Doch dies könne zu einer Einschränkung der Informations- und Meinungsfreiheit führen, zeigt sich der Verband BID besorgt. Man setze sich ausdrücklich dafür ein, dass als rechtskonform eingestufte Werke allen Bürgern zur Verfügung stehen. „Ein umfassendes Informationsangebot schließt auch kontrovers diskutierte Titel ein.“

Die Andere-Oberbürgermeisterkandidat Lutz Boede sagte dagegen, es gehe keineswegs darum, kritische Bücher aus der Bibliothek zu entfernen. Allerdings stelle sich schon die Frage, warum „ausgerechnet bei rechten Verschwörungsschinken so kämpferisch auf Pluralität und Informationsfreiheit beharrt“ werde. Als er einmal Bücher des Menschenrechtlers Rolf Gössner der Bibliothek habe schenken wollen, sei er abgewiesen worden, so Boede. Zudem störe ihn, dass die rechten Schriften unkommentiert für sich stünden, teils im Bestseller-Regal. Er erwarte von einer öffentlichen Stadtbibliothek eine kontroverse Präsentation, etwa mit daneben stehenden Büchern, „die sich kritisch mit den Neuen Rechten auseinandersetzen“.

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