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Umstritten. Eine Studie hält Babyklappen wie hier am Potsdamer St.-Josefs-Krankenhaus für verfassungswidrig. Die Bundesrgierung plant deshalb jetzt ein Gesetz.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: „St. Josefs“ will Babyklappe behalten

Seit 2003 wurden im katholischen Krankenhaus acht Kinder abgegeben. Es ist das einzige Angebot im Land

Von Matthias Matern

Auch Timo Jost kennt die kritische Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) zu Babyklappen und anonymen Geburten. Kommentieren will der Pflegedirektor des Potsdamer St.-Josefs-Krankenhauses die Untersuchung aber lieber nicht. Seit 2003 betreibt die katholische Einrichtung die einzige Babyklappe Brandenburgs. Acht Kinder wurden nach Angaben der Stadtverwaltung dort bislang anonym abgelegt. Allen gehe es gut. Sie seien mittlerweile adoptiert worden, heißt es weiter. Die Wissenschaftler des DJI jedoch halten Babyklappen für verfassungsrechtlich problematisch, warnen zudem vor Missbrauch. Die Bundesregierung will deshalb bestehende Angebote überprüfen und neue Babyklappen verhindern. Im Potsdamer St.-Josefs-Krankenhaus aber sieht man keinen Grund, das eigene Angebot zu überdenken: „Wir halten die Babyklappe für richtig und sinnvoll. Unser Anspruch ist es, die Sicherheit des Kindes und das Wohlergehen der Mütter zu gewährleisten“, erklärt Pflegedirektor Jost.

Im Auftrag des Bundesfamilienministeriums hat das DJI bundesweit gut 970 Fälle analysiert, bei denen Kinder zwischen Juli 2009 und Oktober 2011 entweder in Babyklappen oder persönlich, aber anonym abgegeben worden sind. Ebenfalls untersucht wurden anonyme Krankenhaus-Geburten. Im Fazit ihrer Studie weisen die Wissenschaftler unter anderem darauf hin, dass mit Babyklappen und ähnlichen Angeboten gegen mehrere verfassungsmäßige Grundrechte wie etwa das Recht des Kindes auf Abstammungskenntnis oder aber das Recht des biologischen Vaters, Kontakt zu seinem Kind aufzunehmen, verstoßen wird. Weiterhin hätte die Untersuchung gezeigt, dass das Angebot Babyklappe auch immer wieder missbraucht wird. So seien in einigen Fälle auch tote, behinderte oder bereits mehrere Monate alte Kinder abgegeben worden, berichtete das Deutsche Jugendinstitut im Januar.

Bundesweit gibt es rund 100 Babyklappen, in Berlin sind es vier. Laut eines Eckpunktepapiers aus dem Bundesfamilienministerium sollen bestehende Einrichtungen nur bei Erfüllung bestimmter Mindestanforderungen weiterbestehen dürfen. So müssten Betreiber eines solchen Angebots künftig umgehend das zuständige Jugendamt informieren und das Kind übergeben, heißt es in dem Papier.

Im St.-Josefs-Krankenhaus ist diese Vorgehensweise ohnehin gängige Praxis. „Sobald ein Kind in die Klappe gelegt wird, wird automatisch unsere Gynäkologie und Rettungsstelle alarmiert. Das Kind wird geholt und untersucht. Im Anschluss wird sofort das Jugendamt informiert, das die Kinder übernimmt“, schildert Pflegedirektor Timo Jost den üblichen Ablauf.

Stadtsprecher Markus Klier bezeichnet die Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus als „hervorragend“. Sobald das Jugendamt ein Findelkind abgeholt habe, werde beim Amtsgericht die Vormundschaft beantragt, um den rechtsfreien Status aufzuheben. Danach werde ein Kontakt zu potenziellen Pflegeeltern hergestellt, berichtet Klier. Nach Ablauf der gesetzlichen achtwöchigen Einspruchsfrist der leiblichen Eltern würden die Kinder in der Regel auch von ihren Pflegeeltern adoptiert. „Wir begrüßen alles, was die Babyklappe aus der rechtlichen Grauzone in einen rechtssicheren Raum bringt“, meint Klier in Anspielung auf das in Berlin geplante „Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere bei verdrängter/verheimlichter Schwangerschaft – Regelung der vertraulichen Geburt“.

Erstmals wurde die Babyklappe im St.-Josefs-Krankenhaus am 8. Februar 2006 genutzt. Das damals abgegebene Mädchen soll heute bei Adoptiveltern im Raum Potsdam leben. Im Jahr darauf , am 16. März 2007, wurde ein kleiner Junge in die Klappe gelegt. Die Krankenhaus-Mitarbeiter hatten ihn damals vorläufig Felix März, also „glücklicher März“ getauft. Matthias Matern

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