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Flexibler Macher. Rainer Speer (SPD) hat beim Umbau des Stadions des SV Babelsberg 03 selbst Hand angelegt. Links im Hintergrund steht Frank Marczinek  einer der Akteure beim Krampnitz-Geschäft, für das Speer als Finanzminister verantwortlich war.

© M. Thomas

Sport und Politik: Potsdamer Filz-Affäre: SV Babelsberg 03 gerät in den Strudel

In der Potsdamer Filz-Affäre überschlagen sich die Ereignisse: Es geht nicht mehr nur um frühere Stasi-Zuträger oder um Spitzeldienste in städtischen Unternehmen. Nun geht um die Zukunft des Fußball-Drittligisten SV Babelsberg 03.

In der Potsdamer Filz-Affäre  überschlagen sich die Ereignisse: Es geht nicht mehr nur um frühere Stasi-Zuträger oder um Spitzeldienste in städtischen Unternehmen. Nun geht es auch um gestohlene Laptops, möglicherweise brisante Daten und die Nähe von Sport und Politik – und um die Zukunft des Fußball-Drittligisten SV Babelsberg 03. Die Opposition im Landtag wittert inzwischen ein personelles Netzwerk, das sowohl beim Dumping-Verkauf der Kasernen in Potsdam-Krampnitz als auch in der Stadtwerke-Affäre aktiv war, die dem einflussreichen Peter Paffhausen den Posten als Unternehmenschef gekostet hat. Denn es gibt eine auffällige Überschneidung, ja Gemeinsamkeit: Alle Protagonisten dieser Affäre haben oder hatten mit dem Fußball-Drittligisten Babelsberg 03 zu tun.

Es begann mit Ex-Innenminister Rainer Speer (SPD), der im September 2010 über eine Unterhaltsaffäre um ein uneheliches Kind gestolpert war. Die Bild-Zeitung hatte den Sturz ins Rollen gebracht, als sie aus E-Mails von Speers gestohlenem Laptop berichtete. Speer ist Präsident des Clubs. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist auch dem Potsdamer Unternehmensberater Thilo Steinbach, einem engen Vertrauten Speers und Marketingchef beim SVB 03, im März der Laptop gestohlen worden. Von Ermittlern hieß es, Steinbach habe erklärt, jemand sei in seine Villa am Potsdamer Jungfernsee eingestiegen, habe den Rechner mitgenommen, andere Wertgegenstände aber nicht beachtet. Auf dem Laptop seien aber keine wichtigen Daten und Informationen. Allerdings hat wie im Fall Speer die Staatsanwaltschaft Potsdam den  Fall an sich gezogen und prüft einen möglichen Zusammenhang.

Auch SVB-Geschäftsführer Ralf Hechel kam der Laptop abhanden. Als vor einigen Monaten bekannt wurde das Hechel in der DDR einst Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit war, löste das bei Fans Proteste aus, ein Sponsorentreffen musste abgesagt werden. Ob sich auf Hechels Computer brisante Daten befanden, ist ungewiss.

Fest steht aber, dass auch die aus dem Konjunkturpaket von Bund und Land finanzierte acht Millionen Euro teure Sanierung des Karl-Liebknecht-Stadions ins Zwielicht gerät. Der Landesrechnungshof hat nach Informationen dieser Zeitung nun einen Verstoß gegen das Vergaberecht festgestellt. Und das ausgerechnet beim 183 000-Euro-Auftrag für die Gesamtprojektsteuerung des Vorhabens, das ohne Ausschreibung an die EWP Potsdam – bisheriger Chef war Peter Paffhausen – vergeben wurde. Paffhausen war bislang auch Aufsichtsratschef des Vereins Babelsberg 03, der  von der EWP jährlich mit 370.000 Euro gesponsert wurde.

Mit dem Geschehen rund um den Fußballclub wegen all dieser Verquickungen will sich auch der Untersuchungsausschuss des Landtags zur Immobilienaffäre um die Krampnitz-Kasernen befassen. Auch Steinbach soll als Zeuge geladen werden. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte, der erzwungene Rücktritt des Stadtwerke-Chefs Peter Paffhausen werfe ein Schlaglicht auf ein „ungutes Geflecht zwischen Kommunal- und Landespolitikern, vornehmlich von SPD und Linke, kommunalen Unternehmen und Sportvereinen“. Vogel sagte, „dem Anschein nach konnte sich in Potsdam ein Freundeskreis aus wenigen einflussreichen Persönlichkeiten etablieren, der sich der Kontrolle der Volksvertretung völlig entzieht“.

Zu diesem Freundeskreis gehörten Speer, Steinbach und Paffhausen. Letzterer hat am Montagabend seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender niedergelegt. Und Speer informierte am Dienstag, dass wegen ausgebliebener Sponsorenzusagen die Insolvenz und der Zwangsabstieg aus der 3.Liga drohen.  Dem Club gehen die Sponsoren abhanden, Geldgeber halten sich seit Wochen zurück – erst durch den Untersuchungsausschuss des Landtags, nun verstärkt durch die Spionagevorwürfe gegen Paffhausen bei den Stadtwerken und dessen Rückzug aus dem Unternehmen.

Auch Frank Marczinek, ebenfalls ein enger Vertrauter von Speer und Mitglieder der CDU, hat sich bereits vor einiger Zeit zurückgezogen – offenbar um den Club zu schützen. Er war im Vorstand für den Bau verantwortlich, gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Potsdam aber wegen des Verdachts auf schwere Untreue zum Schaden des Landes Brandenburg.

Er hatte als Geschäftsführer der unter Speer privatisierten Brandenburgischen Boden Gesellschaft (BBG) den Dumping-Verkauf der Krampnitz-Kasernen an ein dubioses Firmengeflecht eingefädelt. Steinbach hatte am Entwicklungskonzept für das 112 Hektar große Gelände mitgewirkt. Später, als der Skandal aufzufliegen drohte, versuchte er gemeinsam mit Marczinek das Millionen-Projekt noch zu retten. Der Kauf eines Grundstücks am Rande der Kaserne scheiterte aber.

Auffällig  ist zudem: Marczinek war nach der Wende Staatssekretär unter Verteidigungsminister Rainer Eppelmann. Als NVA-Offizier soll er in der DDR als Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) mit dem Decknamen „Frank Wulff“ Soldaten bespitzelt haben, wie aus seinen Stasi-Akten hervorgeht. Heute ist Marczinek CDU-Mitglied, ebenso Steinbach, der nach der Wende als außenpolitischer Berater von DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU) die Wiedervereinigung mitausgehandelt hat. Doch nun droht ihm Ungemach von seiner Partei. Brandenburgs CDU will Steinbach ausschließen. Das will CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski dem Landes-Vorstand vorschlagen. Grund, so Dombrowski, sind Stasi-Vorwürfe gegen Steinbach. Dombrowski sagt, es „liegen ausreichend Erkenntnisse vor“, dass Steinbach gegen die Parteisatzung verstoßen habe, „indem er andere Bürger an das MfS denunzierte“. Steinbach hatte dies stets bestritten. Seine Darstellung bestätigte auch Richard Schröder, Gründungsmitglied des Beirats des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes und bis Januar 2009 Verfassungsrichter in Brandenburg. Er stellt in einer Erklärung für Steinbach fest: „Dies ist keine typische IM-Akte. Es ist dem Inhalt nach die Akte von einem gescheiterten Anwerbeversuch.“

Nur eins wagt in diesen Potsdamer Tagen, in denen sich alles überschlägt, niemand zu prophezeien, nämlich, wen die Affäre noch alles mitreißen wird. Und wann die nächsten Interna aus gestohlenen oder verschwundenen Laptops kursieren, ein Polit-Thriller mit allen Zutaten.

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