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Licht im Warmen. Festkulisse vor der Kapelle an der Breiten Straße.

© M. Thomas

Spolienfest der Garnisonkirchen-Freunde: Heißer wird’s nicht

Zum Spolienfest der Garnisonkirchen-Freunde wurde in der Nagelkreuzkapelle geschwitzt – im Sinne der gemeinsamen Sache.

Potsdam - Das wäre sicher der Traum vieler SED-Oberen in der früheren DDR gewesen: Menschen kommen zusammen, ganz ohne Zwang, nur ihrer gemeinsamen Sache wegen, und ertragen dafür selbst die Mühsal, eine geschlagene Stunde in einem völlig überhitzten Gebäude zu verbringen. So geschehen am vergangenen Freitagabend in der rappelvollen und superheißen Nagelkreuzkapelle am einstigen Standort der Potsdamer Garnisonkirche. Dort fanden sich jene ein, die getrieben sind von dem Willen eine Heilung zu betreiben – eine Heilung des Potsdamer Stadtbildes, dem ihrer Ansicht nach der markante Turm der Garnisonkirche fehlt. 1968 war er gesprengt worden, auf Geheiß der SED-Oberen, namentlich DDR-Gründer Walter Ulbricht.

Die Initiative Mitteschön und die Fördergesellschaft für den in Potsdam stark umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche hatten zu diesem Abend an der Breiten Straße eingeladen. Eine imposante Beleuchtung der geborgenen Reste der Kirche vor der Nagelkreuzkapelle war angekündigt. Drinnen wurde der Film des Historikers Joachim Castan über die Geschichte des Gotteshauses gezeigt. Nicht alle, die gekommen waren, um die filmische Dokumentation zu sehen, fanden auf den Stühlen Platz. Manche mussten am Rande stehen – und trotzten auf ihre Weise dem sauna-ähnlichen Kleinklima in der Kapelle. Es fehlte eigentlich nur noch ein Herr in Badelatschen, der irgendwo einen Aufguss macht. Auf den Stühlen hatte man sogar Papier ausgebreitet – aus Sorge, die Farbe könnte bei einer solchen Hitze auf die Kleidung abfärben. Besonders farbecht seien die Sitzmöbel jedenfalls nicht, man werde sie bald austauschen, hieß es von den Organisatoren.

"Grün ist die Hoffnung"

Nicht wenige zogen es allerdings vor, statt in der Kapelle zu saunieren auf der Freifläche davor rund um die rot angestrahlten Spolien des einstigen Gotteshauses das Gespräch mit Gleichgesinnten zu suchen. Nach Filmende kamen dann auch die Hartgesottenen aus der Kapelle und mischten sich unter die Freiluftgesellschaft. Was zu einer kleinen kulinarischen Katastrophe führte: Die 50 Liter Bier, die man geordert hatte, waren ziemlich schnell weg. Nachschub: Fehlanzeige.

Je dunkler der Abend, desto grüner die Location: Der Cottbuser Lichtkünstler Jörn Hanitzsch hatte den Grundriss des Turms der Garnisonkirche im vorderen Bereich an der Breiten Straße mit grün angestrahlten, fahnenähnlichen großen Stoffzylindern nachgezeichnet. „Grün ist die Hoffnung“, merkte Hanitzsch an. Welche Hoffnung konkret? Dass der Turm des früheren Gotteshauses wieder errichtet werden könne und dass sich hier eines Tages viele Menschen zusammenfinden, um den Versöhnungsgedanken zu leben, erklärte der Lichtkünstler. Über die Befürchtung, das wiedererrichtete Gotteshaus könnte angesichts des „Tag von Potsdam“ vom 21. März 1933 zu einer Naziwallfahrtsstätte werden, meinte Hanitzsch: „Da dürfte ja das Olympiastadion in Berlin auch nicht stehen.“ Dort hatte Hitler 1936 die Olympischen Spiele eröffnet. Ein anderer Herr sagte, die Geschichte mit dem Handschlag von Hitler und Hindenburg am 21. März 1933 vor der Garnisonkirche solle nicht immer wieder in der Zeitung erwähnt werden. Jedes Kind wisse doch nun Bescheid.

Erst den Turm bauen, dann werde man weiter sehen

Doch wer geglaubt hatte, an diesem Abend gebe es unter den Besuchern nur eine einzige Haltung zum Wiederaufbau, der irrte. Der Turm war wohl allen wichtig, beim Thema Kirchenschiff hörte man hingegen unterschiedliche Akzentuierungen heraus. Erst einmal den Turm bauen, dann werde man weiter sehen – diese Ansicht äußerten mehrere Besucher. Ein Mann bekannte seine Sympathie für die Idee, den Turm lediglich als Stahlskelett wieder aufzubauen.

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der sich kurzfristig aus familiären Gründen entschuldigt hatte, ließ in seiner von Mitteschön-Aktivistin Barbara Kuster verlesenen Rede keinen Zweifel an seiner Haltung: „Wenn die Spolien einst verbaut sein werden, erst im Turm, später im Kirchenschiff, werden die Zeugnisse der Vergangenheit Eingang gefunden haben in ein Bauwerk der Gegenwart.“ Martin Vogel von der Garnisonkirchen-Stiftung plädierte in der Frage des Wiederaufbaus des Kirchenschiffs dafür, „die Chancen, die so ein weiter Raum bieten könnte, ernsthaft zu prüfen“.

Auf die Frage, wann der Turm stehen werde, sagte Kabarettistin Barbara Kuster in ihrer unnachahmlichen Art: „Fragen Sie mich nicht nach Zeiten – für mich steht er schon.“ Über die Bebauung in der Umgebung meinte sie: „Wenn man guckt, was sonst in der Breiten Straße steht, ist nicht viel von Sinnlichkeit zu spüren.“ Holger Catenhusen

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