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SPD vor der Wahl: Jetzt geht’s um die Kandidatur

Die beiden SPD-Bewerber, die Potsdams neuer Oberbürgermeister werden wollen, liefern sich einen heftigen innerparteilichen Wettstreit. Was für den einen spricht – und was für den anderen. Eine Analyse.

Potzsdam - So viel Spannung gab es bei der Potsdamer SPD nur selten: Am morgigen Samstag steht die Entscheidung an, wer für die Sozialdemokraten als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters antritt. Alles läuft dabei auf ein enges Duell zwischen dem Finanzdezernenten Burkhard Exner und dem Sozialbeigeordneten Mike Schubert hinaus. Angesichts dessen, dass Potsdam seit 1990 von SPD-Oberbürgermeistern regiert wird, kann sich derjenige, der zum Kandidaten der Sozialdemokraten gewählt wird, mindestens gute Chancen ausrechnen, auch bei der eigentlichen Wahl zu überzeugen. Die PNN geben einen Überblick, wer auf welchen Feldern bislang punkten konnte – und für welche Politik die beiden Bewerber bislang stehen.

Städtischer Haushalt

Exner steht für den Sparkurs der vergangenen Jahre, der Potsdam jetzt aber wieder Investitionen aus eigener Kraft ermögliche, wie Exner stets betont. Kritiker vor allem aus anderen Parteien im Stadtparlament haben ihm jedoch regelmäßig eine undurchsichtige Haushaltspolitik vorgeworfen. Der Grund: Die finanziellen Spielräume, die Potsdam aufgrund erhöhter Einnahmen habe, seien immer erst mit den Jahresabschlüssen klar geworden. Mit dem aktuellen Entwurf für den Doppelhaushalt 2018/19 hat Exner zahlreiche Investitionen versprochen, gerade im mitgliederstarken Sportbereich. Schubert will mit Verweis auf das Wachstum der Stadt – siehe nächstes Thema – eher mehr Geld ausgeben.

Grenzen des Wachstums?

In vielen Punkten sind die Positionen von Exner und Schubert ähnlich. Doch beim weiterhin rasanten Wachstum der Stadt will Schubert versuchen, dieses zumindest partiell zu begrenzen. Dafür gebe es Mittel und Wege für Land und Kommune, so könnten beispielsweise Baugebiete langsamer ausgewiesen werden. Nötig sei dies, um überhaupt mit der Infrastruktur hinterherzukommen. Schon jetzt gebe es Engpässe allerorten, so Schubert, der außerdem meint, Potsdam müsse mehr investieren, um diese zu beheben. Seine Argumentation: Wie jedes Unternehmen, das investiere, wenn es wachsen wolle, müsse auch die Stadt dies verstärkt tun – und im Zweifel mehr Schulden machen. Exners Ansatz ist dagegen, dass das Wachstum sich nicht begrenzen lasse, weil sonst die Mieten durch den Ansturm auf den Potsdamer Wohnungsmarkt immer weiter steigen würden. „Wer das versucht, macht das auf dem Rücken sozial Schwacher, die dann keine Miete mehr zahlen können“, sagte Exner im Dezember, als er vor den Stadtverordneten seinen Haushaltsentwurf für 2018/2019 einbrachte.

Personalführung

Bei diesem Punkt steht Exner schon länger im Fokus. Ihm wurde von Stadtverordneten vorgehalten, in den vergangenen Jahren viele leitende Mitarbeiter in seinem Dezernat „verschlissen“ zu haben – abzulesen an auffallender Fluktuation auf wichtigen Posten. Doch auch Schubert wird nachgesagt, ziemlich hart mit Mitarbeitern umgehen zu können, die nicht schnell umsetzen, was der Beigeordnete auf der Agenda hat. Auch in seinem Dezernat gibt es einen Ausfall in leitender Position.

Kommunikation

Exner gilt nicht als Kommunikator, obwohl er bei Reden deutlich zugelegt hat, sich offensichtlich Unterstützung eines Coaches geholt hat. Auch Schubert hatte in den vergangenen Jahren an Format bei der freien Rede gewonnen. Beide sind in sozialen Netzwerken aktiv, Schubert allerdings deutlich länger und öfter, so das Gegner schon abfällig das Wort „Twitter-Prinz“ nutzen. Als einziger Beigeordneter lädt er alle drei Monate zu Bürgersprechstunden. Seine glatte, manchmal etwas arrogant wirkende Art hat Schubert aber nicht gänzlich abgelegt. Exner hat als jahrelanger zweiter Mann hinter Jakobs einige Erfahrung in öffentlichen Auftritt und kann diese auch routiniert absolvieren – dass er dabei vor Witz und Eloquenz sprüht, würden wohl nicht einmal seine Unterstützer behaupten. Die Bezeichnung, die ihn wohl am meisten ärgert: Kassenwart.

Wahlkampferfahrung

Exner hat in Potsdam noch nie für sich Wahlkampf führen müssen, diese Erfahrung fehlt ihm gänzlich. Schubert hat den Malus, dass er schon zwei Wahlkämpfe nicht für sich entschieden hat – allerdings gegen starke Gegner. So verlor er 2009 bei der Landtagswahl gegen Linke-Zugpferd Hans-Jürgen Scharfenberg deutlich mit 31,4 zu 42,8 Prozent und fünf Jahre später gegen Saskia Ludwig von der CDU knapper mit 31,7 zu 29,4 Prozent. Allerdings lässt sich diese Rechnung auch umdrehen: Er weiß, wie sich Niederlage anfühlen, hat kämpfen gelernt.

Wie sehen es die anderen?

In den linken Parteien wird Exner als der dankbarere Gegner wahrgenommen – weil man sich an dessen Politik und Person abarbeiten könne. So könne man ihn, der im Rathaus schon lange der zweitmächtigste Mann ist, noch mehr als den früheren SPD-Chef Schubert, der erst ein Jahr Beigeordneter ist, für die Regierungspolitik der vergangenen Jahr verantwortlich machen. Ein Thema ist der Konflikt um den gesperrten Uferweg am Griebnitzsee, wo der Jurist Exner lange die Position der Stadt bestimmt hat. Bei den Konservativen hat es Exner mit seiner soliden Haushaltspolitik und manch anderer Position eher leichter.

Schubert könnte noch vom Überraschungsbonus profitieren. Viele hatten dem langjährigen Stadtverordneten und SPD-Fraktionschef nicht zugetraut, den Wechsel auf die „andere Seite“, in die Spitze der Verwaltung, ohne Turbulenzen zu meistern. Vor allem bei den Linken kommt der Neu-Beigeordnete jedoch an. Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, lange Schuberts Intimfeind, lobte ihn offen, Linke-Kreischef Stefan Wollenberg sprang ihm indirekt bei, in dem er zuletzt Exner und nicht Schuberts Vorgängerin Elona Müller-Preinesberger als verantwortlich für die falsch und mutmaßlich zu hoch berechneten Kita-Elternbeiträge bezeichnete. Freilich weist Exner dies mit Hinweis auf die Ressortverantwortung jedes Bereichs für seine Satzungen zurück – und die Aktenlage zum Thema ist erstens geheim und zweitens detailreich und sehr diffizil.

Innerparteiliche Querelen

Bei Schuberts Wahl zum Sozialdezernenten im Sommer 2016 lief nicht alles glatt, verweigerten ihm offenbar auch Parteigenossen, die mit ihm eine Rechnung offen hatten, die Zustimmung. Erst im dritten Wahlgang hatte er es geschafft. Ohnehin hat er sich in seiner Zeit als langjähriger SPD-Partei- und Fraktionschef nicht nur Freunde gemacht, war schon wegen Strukturreformen in die Kritik geraten. Auch bei der Stadtwerke-Affäre 2010, als er mit seiner harten Haltung damals mit verantwortlich dafür war, dass der damalige Boss des kommunalen Unternehmens, Peter Paffhausen, abtreten musste, fand dieser Kurs nicht nur Unterstützung. Der heutige SPD-Fraktionschef Pete Heuer, der einst bei den Linke gescheiterte Kreischef, dem Schubert in der SPD eine neue politische Heimat gab, gilt inzwischen als einer seiner größten innerparteilichen Gegner – auch weil Heuer ernsthafte Ambitionen nachgesagt werden, selbst Finanzdezernent werden zu wollen. Dafür aber muss Exner Oberbürgermeister werden.

Exner selbst hat vor allem finanzpolitisch Ärger auf sich gezogen, wenn es um die Haushaltsaufstellung und damit um die Verteilung der Pfründe ging, die ja für die Politik auch nötig sind. Seine letzte Wiederwahl als Finanzdezernent lief jedoch einigermaßen glatt. 2013 erhielt er 32 Ja-Stimmen, gegen ihn votierten 15 Stadtverordnete. Er kam im ersten Wahlgang durch.

Der innerparteiliche Wahlkampf ist seit Oktober vergleichsweise aufwendig geführt worden, unter anderem sendeten die Kandidaten über den SPD-Verteiler diverse Infopost – auf eigene Kosten. Der in der Potsdamer SPD noch nicht lang verwurzelte Kämmerer warb dazu bei persönlichen Wohnzimmergesprächen bei Genossen um ihre Zustimmung. Dazu gab es nicht-öffentliche Vorstellungsrunden an der Parteibasis – und jeden Freitag veröffentlichte Positionspapiere der Kandidaten zu diversen Fragen von Genossen.

Die Potsdam-Verbundenheit

Schubert wurde zwar in Schwedt geboren, als er zwei Jahre alt war, zog seine Familie jedoch nach Potsdam. „Er brennt für diese Stadt“, sagen seine Unterstützer. Exner kommt aus Berlin-Steglitz, seine Eltern stammen aus Falkensee, sie waren aus der DDR geflohen. Auch seine politische Heimat hatte der studierte Jurist zunächst im Havelland, bis er als Finanzdezernent 2002 nach Potsdam wechselte. Doch in die Stadt zog er bis jetzt nicht, er lebt in Berlin-Kladow einige wenige Kilometer hinter Groß Glienicke. Auch mit der Potsdamer SPD ist Exner noch nicht lange als Mitglied verbunden: Erst vor einem Jahr trat er in den SPD-Ortsverein Mitte/Nord ein – bis dato war er in Berlin organisiert.

Das Alter der beiden Kandidaten gilt den Genossen als ein wichtiger Gesichtspunkt für die Entscheidung: Schubert ist 44, Exner 15 Jahre älter. Exner hätte also noch maximal eine Amtszeit zu absolvieren, Schubert bei einer Wiederwahl sogar 16 Jahre. Ein Graus wäre letztere Vorstellung für manche jüngere Sozialdemokraten, die selbst Ambitionen für höhere Ämter hegen. Altgediente Sozialdemokraten wie Ministerpräsident a.D. Manfred Stolpe oder der jetzige Landeschef Dietmar Woidke geben sich dagegen sybillinisch: Beide Kandidaten seien geeignet, haben sie zuletzt erklärt.

Und nach der Wahl?

Beide Kandidaten habe einen professionellen Umgang mit dem Ergebnis gelobt. Ob allerdings ihre Anhänger mit voller Kraft in den Wahlkampf für den jeweils ungeliebten Kandidaten gehen, darf zumindest hinterfragt werden. 

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