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Spaziergang im Nuthepark: Unterwegs zum Wildkräutersammeln

Claudia Zesche ist Kräuterexpertin. Pünktlich zum Ehrentag des Unkrauts zeigt sie, was Essbares im Potsdamer Nuthepark wächst. 

Von Valerie Barsig

Wenn Claudia Zesche spazieren geht, muss sie sich manchmal zwingen, auf den Weg zu achten. „Manchmal geht es mit mir nur schleppend voran“, sagt die 34-Jährige. Denn links und rechts des Weges sucht sie ganz automatisch den Boden nach Wildkräutern ab, eine Papiertüte zum Sammeln hat sie für alle Fälle immer dabei, einige Fundstücke landen auch in einer rotgepunkteten kleinen Vase am Lenker ihres Fahrrads. Zesche ist ausgebildete Kräuter- und Wildnispädagogin. An diesem Tag geht es für die zierliche Frau mit dem braunen Filzhut hinein in den Nuthepark – Kräuter finden, mitten in der Stadt. Das geht, sagt Zesche, die normalerweise Kräuterwanderungen als „Herbal Hunter“ – also Kräuterjäger – vor allem im Wildpark anbietet. 

Im Moment kann man Wunderlauch ernten

Rund 50 Meter hinter der Langen Brücke stoppt Zesche bereits und geht ein Stück die Böschung in Richtung Neue Fahrt hinunter und zeigt auf mehrere Büschel Grün – „Berliner Lauch“, sagt sie, beugt sich hinab und pflückt einige Blätter. Die Bärlauchart, aus der man beispielsweise Pesto machen kann, wurde im Botanischen Garten in Potsdams Nachbarstadt kultiviert. „Irgendwann ist er ausgebüxt“, sagt Zesche. Seitdem breitet sich das Kraut, das man auch Wunderlauch nennt, invasiv aus. Im Gegensatz zum echten Bärlauch steht es aber in Brandenburg nicht auf der Roten Liste gefährdeter Arten und darf gepflückt werden. 
Wer wilde Kräuter sammeln will, muss die Umgebung gut im Auge behalten – der Spaziergang an der Havel entlang ist eher für diejenigen gedacht, die sich noch nicht gut auskennen und das Bestimmen der Kräuter erst lernen müssen. „Denn hier ist Hundestrecke“, erklärt Zesche. Und das ist für Wildkräuteresser nur wenig appetitlich. Anfänger sollten erstmal drei bis fünf Kräuterarten bestimmen können. „Man sollte beim Pflücken nicht sofort auf die Kräuter zurennen, sondern schauen, wo man ist“, sagt die 34-Jährige. Am besten sucht man sich geschütztere Orte im Wald, Kräuterblätter sollten frei von Vogelkot sein und nicht beschädigt. Auch die potenzielle Gefahr durch den Fuchsbandwurm kann man weitgehend ausschließen, wenn man beachtet, dass Füchse eher in der Nähe von Erhebungen wie Steinen oder Baumstümpfen koten. 
Zesches Opa hat bei ihr die Begeisterung fürs Gärtnern geweckt. In Golm zog sie schließlich in eine Wohngemeinschaft mit verwildertem Garten. Irgendwann beim Unkraut rupfen habe sie sich gefragt: „Was wächst hier eigentlich alles?“, erzählt sie. „Dann habe ich festgestellt: Eine Menge Giersch. Und den kann man essen.“ Was bei den meisten Gartenbesitzern als lästiges Unkraut gilt, ist für Zesche ein Lieblingsessen. Man kann es auch im Park kurz vor der Nuthebrücke finden. „Giersch schmeckt wie eine Mischung aus Petersilie und Karotte“, sagt die 34-Jährige, die hauptberuflich als Erzieherin arbeitet. Zerreibt man das Kraut kräftig zwischen den Fingern, färbt es leicht und riecht frisch. Besonders der noch kleine Babygiersch, dicht am Boden, hat es ihr angetan. Viel Vitamin C ist in der Pflanze, sie regt den Stoffwechsel an. Man könne aus Giersch ebenfalls Pesto machen, sagt Zesche, während sie ein Blättchen pflückt. „Aber auch einen Salat mit Ziegenkäse und Nüssen oder eine Kräuterlimo.“ 

Dreimal Drei: Glück dabei

Die Regel zum Erkennen des Doldenblütlers mit den geteilten Blättern: „Drei mal Drei ist Glück dabei“, sagt Zesche und erklärt was gemeint ist: Giersch erkennt man an seinem dreieckigen Stiel, der sich in drei Blätter teilt, von denen das oberste nochmals dreigeteilt ist. Sind diese Kriterien nicht erfüllt, sollte man lieber die Finger vom Kraut lassen.  Wessen Körper Wildkräuter noch nicht gewöhnt ist, sollte pro Tag erstmal nur eine handvoll essen – denn beinahe alle regen den Stoffwechsel an und das kann bei übermäßigem Verzehr zu Magen oder Nierenschmerzen führen. Kleine Dosen jedoch sind gesund und entschlacken im Frühling. 

Im Nuthepark zu finden ist auch die Brennnessel, die man mit Butter braten kann. Wer weiß, wie es geht, verbrennt sich nicht, erklärt Zesche. Die Finger müssen die Brennnessel wie eine Zange abzwacken, dann streicht man kräftig von unten nach oben Richtung Blattende - so werden die pieksenden Härchen, die das Brennen auf der Haut verursachen abgebrochen und unschädlich gemacht.

Alles für den Salat

Ebenfalls auf dem Spaziergang im Nuthepark zu finden sind herb schmeckender Löwenzahn und Schafgarbe - beide sind gut für die Leber, Schafgarbe wirkt außerdem entkrampfend, erklärt die Kräuterexpertin. Auch die Vogelmiere, die bald kleine weiße Blüten bekommt, kann man jetzt pflücken. "Sie schmeckt so wie Zuckererbsen." Aus allen diesen Kräutern könne man einen Salat machen, sagt Zesche. 

Nicht so gern mag sie die Taubnessel, die jetzt zu blühen beginnt. "Ich finde, die schmeckt ein wenig muffig." Wenn man sie brät, erinnere der Geschmack an Pilze. Die Blüten allerdings kann man in Butter mischen - und das sei sehr schmackhaft, so Zesche. Auf dem Weg zurück zur Langen Brücke kann Zesche den Blick tatsächlich nicht vom Wegesrand abwenden. „Efeublätter“, sagt sie. „Zerreißen und in einem Glas Wasser über Nacht stehen lassen und ab und zu schütteln.“ Das ergebe ein Spülmittel, zum Beispiel fürs Campen. „Nur essen sollte man den Efeu nicht“, sagt sie. Denn der ist giftig. 

Termine für Kräuterwanderungen in Potsdam findet man zum Beispiel hier und hier .

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Rezepte zum Ausprobieren

Wer selber Kräuter gesammelt hat, kann sich einen Kräuter-Smoothie machen. Für vier Becher 2 handvoll Wildkräuter (zum Beispiel Giersch, Brennnessel, Löwenzahn und Vogelmiere), einen Apfel, eine halbe Banane, ein kleines Stück Ingwer und den Saft einer halben Zitrone, einen Esslöffel Sonnenblumenkerne, 0,75 Liter Wasser sowie 2 Esslöffel Honig in einen Mixer geben und mischen. 

Giersch-Pesto kann man entweder mit dem Stabmixer oder mit Hilfe eines Mörsers zubereiten. Dazu drei Hände voll Giersch, 40 Gramm geröstete Pinienkerne, 80 Gramm geriebenen Parmesan, Salz, Pfeffer und Olivenöl mischen - je nachdem, wie flüssig man das Pesto haben will, gibt man mehr oder weniger Öl dazu.

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