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Landeshauptstadt: Spaghetti an Oldtimer

In der Garage du Pont speisten gestern 18 sozial schwache Familien. Gastgeber war Inhaber Kai Desinger

Familie Israpilov hat sich schick gemacht. Es ist lange her, dass die Eltern, ihre fünf Kinder und ein Enkelchen gemeinsam an einem Tisch in einem Restaurant saßen. Am gestrigen Mittwochabend gehören sie zu den Gästen in der Garage du Pont. Zum zweiten Mal haben Inhaber Kai Desinger und seine Frau Sandra Schilling in das Restaurant an der Glienicker Brücke Menschen eingeladen, die in schwierigen sozialen Verhältnissen leben. Insgesamt 71 Personen, darunter 35 Kinder, aus Potsdam, Ludwigsfelde und Zossen wurden von der Stiftung „Hilfe für Familien in Not“ in Kooperation mit örtlichen Beratungsstellen dazu ausgesucht.

Trotz aller gesetzlichen Hilfen sei es besonders für die Familien, die arbeitslos oder alleinerziehend sind oder ihr Geld im Niedriglohnsektor verdienen, nicht einfach, zurechtzukommen, heißt es von der Stiftung. Gemeinsame Ausflüge geschweige denn Restaurantbesuche sind für diese Familien eine Seltenheit oder haben noch nie stattgefunden.

Mittwochabend sind unter den Gästen auch viele Flüchtlinge wie Martina und Adnan Israpilov. Sie kamen vor zweieinhalb Jahren mit ihren Kindern aus Tschetschenien nach Deutschland. Noch immer ist ihr Aufenthaltsstatus ungeklärt. Der Vater darf nicht arbeiten, die Eltern leben mit den jüngsten drei Kindern, neun, 15 und 16 Jahre alt, in einem Zwei-Zimmer-Appartement in einem Heim. „Da ist es so laut, ich kann nicht richtig Hausaufgaben machen“, sagt Hava, die in die dritte Klasse geht. Seit zwei Jahren suchen sie eine eigene Wohnung – bisher vergeblich. Besonders die Teenager finden das blöd. Mal Freunde oder Mitschüler nach Hause einladen – das geht einfach nicht.

Der schöne Abend im Restaurant soll deshalb nicht nur satt machen, sondern auch ein wenig Abwechslung in den oft schwierigen Alltag der Familien bringen. Und auch Desinger, so scheint es, ist in diesem Jahr entspannter als zur Premiere der Veranstaltung 2014. Auch er ist mit der ganzen Familie gekommen – und gibt sich bescheiden. „Also uns gehört hier diese Garage“, sagt er und eröffnet den Abend. Vorher stellt er noch einen wichtigen Gast vor. Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck, Schirmherr der Stiftung Familien in Not, ist mit dabei und mischt sich schnell unters Volk. Mit Menschen kann er gut, mit Holz vielleicht derzeit weniger: Beim Holzmachen, sagt seine Frau Jeanette, hat er sich einen Finger gebrochen und trägt den rechten Arm ruhiggestellt. Trotzdem setzt er sich an die Tische, ganz besonders freut das Familie Israpilov. Eben erst wurde dort ein Handy mit einem Foto von Platzeck herumgereicht. Den ehemaligen Ministerpräsidenten, den wollen sie unbedingt treffen.

Nicht alle Gäste sind gleich so locker und entspannt. Die fremde Umgebung verunsichert manche, und drei Familien aus dem Landkreis Teltow-Fläming wären überhaupt nicht gekommen, wenn sie nicht von zwei Familienhelferinnen begleitet worden wären. Mit ihren privaten PKWs haben Melanie Giese und ihre Kollegin sich die Familien geschnappt und nach Potsdam gefahren. „Die kommen sonst nie raus aus ihrem Alltag, ihrer Umgebung, in solchen Situationen sind sie total angstbehaftet“, sagt Giese.

Gäste aus Potsdam konnten kostenfrei mit einem Ticket des VBB anreisen. Unterstützung gab es auch von den Potsdamer Klinikclowns, die ein Kinderprogramm vorbereitet haben. Noch vor dem Abendessen gibt es außerdem für die Kinder Überraschungstüten. „Wir haben den Osterhasen aktiviert“, sagt Stiftungsratsvorsitzende Ute Tenkhof. In den bunten, namentlich beschrifteten Päckchen stecken altersgerechte Bücher, Spiele und Gutscheine von den Sponsoren, Thalia-Kino Potsdam, Klubhaus der Stadt Ludwigsfelde, Tanzstudio „Move it“ in Zossen, Kristall-Saunatherme Ludwigsfelde, Hugendubel und Bürgel-Buchhandlung. Und Nachbar Günther Jauch hatte für jede Familie eine Flasche Wein von seinem eigenen Weingut Othegraven spendiert. „Der ist lecker, selber trinken oder weiter verschenken“, sagt Desinger und verteilt die Flaschen persönlich.

Desinger stellt Essen und sämtliche Getränke – und verzichtet an diesem Abend auf reguläre Einnahmen. Doch das Schild „geschlossene Veranstaltung“ gilt nicht für alle. „Keiner sollte draußen bleiben“, sagt er, und deckte, weil es plötzlich doch mehr Gäste waren, sogar in der echten Garage, wo die Oldtimer stehen, zusätzliche Tische festlich ein. Dort dürfen nach der Begrüßung endlich zuerst die Kinder ans Buffet. Manche trauen sich nicht recht oder brauchen Hilfe, zu üppig ist das Angebot aus Antipasti, Fisch, Fleisch und Salaten, daneben leckere Desserts. Am Ende tut’s für manche Kinder der Klassiker: Spaghetti satt mit Tomatensoße.

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