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Pro-Potsdam-Chef Jörn-Michael Westphal, Oberbürgermeister Mike Schubert und EWP-Geschäftsführerin Sophia Eltrop (v.l.) decken die neue Solarthermieanlage auf. Rund 900 Haushalte können damit beheizt werden.

© Ottmar Winter

Solarthermie: Neue Strategie für Klimaschutz in Potsdam

In 30 Jahren will Potsdam den CO2-Ausstoß um 95 Prozent gesenkt haben. Solar- und Geothermie soll dabei helfen. Aber ist das Wissen um die Klimakrise schon in den Köpfen der Verantwortlichen angekommen?

Potsdam - Die Zukunft sieht nicht besonders spektakulär aus. Sie ist ziemlich grau, besteht aus Glasrohren auf Stahlgestellen und steht auf einer Brache zwischen einer Industrieruine und einer Bahnlinie an Potsdams südlichem Stadtrand. Die neue 5157 Quadratmeter große Solarthermieanlage unweit des Heizkraftwerks Potsdam-Süd soll ab sofort rund ein Prozent der Potsdamer Haushalte mit Fernwärme versorgen. 2,4 Millionen Euro hat der Potsdamer Energieversorger Energie und Wasser Potsdam (EWP) investiert. Die EWP-Geschäftsführung, Sophia Eltrop und Eckard Veil, startete die Anlage im Beisein von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) und Pro-Potsdam-Geschäftsführer Jörn-Michael Westphal. 

1044 Kollektoren erzeugen jährlich 2,3 Gigawattstunden an Wärme und vermeiden damit 488 Tonnen Kohlendioxid. Es sei einer der größten Anlagen in Deutschland, hieß es. „40 Prozent der Baukosten konnten über Fördermittel gedeckt werden, unter anderem von der Kreditanstalt für Wiederaufbau“, sagte Eltrop den PNN.

CO2 soll um 95 Prozent reduziert werden

Die Solarthermieanlage ist der neueste Baustein auf Potsdams Weg in Richtung Klimaneutralität. Bei der EWP sieht man sich bestätigt: „Die Solarthermie ergänzt den Energiemix der EWP, in dessen Zentrum seit mehr als 20 Jahren die ebenfalls sehr umweltfreundliche Fernwärme- und Elektrizitätserzeugung im Heizkraftwerk Süd mittels der Kraft-Wärme-Kopplung steht“, sagte der Technische Geschäftsführer der EWP, Eckard Veil, am Dienstag bei der feierlichen Inbetriebnahme.

Die Stadt hat viel vor. „Mit dem Masterplan 100 Prozent Klimaschutz haben wir uns 2017 verpflichtet, in 30 Jahren unseren CO2-Ausstoß um 95 Prozent zu reduzieren“, sagte Schubert. Diese Aufgabe wolle die Stadt gemeinsam mit ihren kommunalen Unternehmen, allen voran den Stadtwerken und der Pro Potsdam, erreichen. Schubert wies aber auch auf die Kosten hin. „Die gemeinsamen Anstrengungen für eine emissionsarme oder -freie Energiegewinnung sowie die klimagerechte Sanierung von Gebäuden muss sozialverträglich für die Kunden sein.“ Dafür sei auch die finanzielle Unterstützung durch Bund und Land nötig.

Sieben mögliche Geothermie-Standorte in Potsdam

Die sogenannte Energie- und Dekarbonisierungsstrategie der EWP umfasst die vier Säulen Fernwärme, Stromversorgung, Mobilität und Unterstützung der Kunden bei der Senkung des Energieverbrauchs. So soll zum Beispiel das Potsdamer Fernwärmenetz perspektivisch mit einer niedrigeren Temperatur betrieben werden, um Energie zu sparen. Das Heizkraftwerk im Potsdamer Süden müsste in den nächsten Jahren ohnehin modernisiert werden. „In diesem Zuge werden wir dann Technik installieren, die auch Wasserstoff verbrennen kann“, so Eltrop. 

Außerdem möchte die EWP demnächst in die Geothermie einsteigen – also die Hitze aus dem Erdinnern nutzen. Laut dem Geoforschungszentrum Potsdam sind die Bedingungen für Geothermie gut in Potsdam. „Insgesamt wurden bereits sieben mögliche Standorte für Tiefengeothermie-Anlagen in Potsdam identifiziert“, hieß es. Dort müsse bis zu 2000 Meter tief gebohrt werden. Aktuell laufen ausführliche Analysen, um sicher zu stellen, dass diese Bohrungen an geeigneten Stellen stattfinden können. Die erste dieser Anlagen soll den Angaben zufolge der Beheizung des neu entstehenden Wohngebiets in der Heinrich-Mann-Allee dienen.

Jedes Jahr soll Energieverbrauch um 1,5 Prozent sinken

Kooperationspartner bei der Dekarbonisierungsstrategie ist auch Potsdams kommunale Immobilienholding Pro Potsdam. Von ihren rund 17.000 Wohnungen sind die meisten ans Fernwärmenetz angeschlossen. Bei Modernisierungen und Neubauten will das Unternehmen seinen Wohnungsbestand energieeffizienter machen, hieß es. Jedes Jahr soll der Energieverbrauch um 1,5 Prozent sinken. Außerdem soll geprüft werden, wie Dächer und andere Flächen für die Erzeugung von Ökostrom genutzt werden können.

Allerdings wurde am Mittwoch auch klar, dass noch viele Fragen offen sind. Die Details der einzelnen Schritte müssen noch geklärt werden. Das sei aber auch nicht schlimm, so Veil. Die Strategie ist nicht starr, sondern modular. „Wir müssen reagieren können, wenn sich technische Rahmenbedingungen ändern“, sagte er. Zunächst wollen Stadt, EWP und Pro Potsdam auch ins Gespräch mit den Bürgern kommen. Verteilt über das nächste Jahr soll es insgesamt sechs Werkstattverfahren zur Klimastrategie geben. Termine stehen noch nicht fest. „Es gibt viel Interesse, aber auch Skepsis und Fragen“, sagte Eltrop. „Wir wollen transparent sein.“ Sie rechnet damit, dass die Investitionen in den Klimaschutz nicht zu einer großen Belastung werden. „Wir gehen davon, dass die Kostensteigerungen unterhalb der Inflationsrate bleiben.“ Dabei komme Potsdam zugute, dass die Stadt ohnehin wächst. Der Anteil neuer, klimafreundlicher Technologie nimmt also ohnehin zu. Außerdem verteilen sich die Kosten der Investitionen auf immer mehr Schultern und seien so leichter zu tragen.

Auf dem Parkplatz der Veranstaltung parkten hauptsächlich Limousinen deutscher Hersteller. Ein Hybridauto war dabei. 
Auf dem Parkplatz der Veranstaltung parkten hauptsächlich Limousinen deutscher Hersteller. Ein Hybridauto war dabei. 

© Ottmar Winter

Offenbar wird Potsdams Weg zur Klimaneutralität tatsächlich noch dauern: Zur feierlichen Inbetriebnahme parkten am Mittwoch 24 Autos auf dem sogenannten Klimaparkplatz – die meisten davon große Limousinen deutscher Hersteller. Ein einziger Hybrid-Smart der Pro Potsdam stand dazwischen. Für die Veranstaltung war eigens ein Zelt aufgebaut worden. Damit bei fünf Grad Außentemperatur drinnen niemand frieren muss, pustete ein Dieselgenerator Warmluft in den Innenraum.

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