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Zehntausende Unternehmen mussten ihre Angaben rückwirkend überprüfen.

© dpa

Soforthilfe-Empfängern drohen Rückzahlungen: Hohes Frustpotenzial

Für die im Jahr 2020 an Unternehmen, Freiberufler und Soloselbstständige gezahlte erste Corona-Soforthilfe laufen derzeit Prüfverfahren. Die Gastronomie ist besonders gebeutelt.

Potsdam - Erst Existenzsorgen, dann Hilfe – und nun wieder Frust. So lässt sich zusammenfassen, was Unternehmer wie Marco Emmermann jetzt mit den Corona-Soforthilfen des Landes Brandenburg und dessen Investitionsbank ILB erleben. Emmermann hatte vor zwei Jahren, wie viele andere Firmen in misslicher Lage, 15 000 Euro Soforthilfe erhalten. Doch nun fürchtet er, dass er wegen einer aus seiner Sicht „unrechtmäßigen Vorgehensweise der ILB“ gezwungen sein könnte, das Geld zurückzahlen zu müssen.

So gehe es auch vielen anderen Firmen, sagt Emmermann, der mit der Visality Consulting GmbH eine Unternehmensberatung mit Kunden aus aller Welt in der Nauener Vorstadt betreibt. Wie Emmermann waren viele im ersten Lockdown plötzlich auf Hilfe angewiesen. Mitte Januar dieses Jahres erhielten zehntausende Unternehmen in Brandenburg einen ILB-Brief, der sie aufforderte, für die Schlussrechnung zu den Corona-Soforthilfen 2020 ihre Anträge rückwirkend zu überprüfen – ob damals tatsächlich Liquiditätsprobleme gedroht hatten. 

Falschangaben würden mindestens als versuchter Subventionsbetrug gewertet, was bis zu fünf Jahren Haft bedeuten könne. Das Vorgehen sorgt seit Wochen für Empörung bei Wirtschaftsvertretern, die Frist zur Antwort ist inzwischen von Februar auf Mitte März verlängert worden.

IHK-Präsident: Bei vielen Fragen dringend Klarheit nötig

Zwar sei so eine Form der Selbstüberprüfung richtig, sagt Peter Heydenbluth, Präsident der Industrie und Handelskammer (IHK) Potsdam. Doch das setze „transparente und nachvollziehbare Grundlagen“ voraus. „Wir hören täglich aus den Unternehmen von einer großen Verunsicherung.“ Bei vielen Fragen sei dringend Klarheit nötig. Zum anderen verstehe er nicht, dass in anderen Bundesländern Personalkosten – bei Unternehmen, die damit ihre Beschäftigten ohne Kurzarbeitergeld gehalten haben – für diese Firmen anrechenbar sind. „Bei uns in Brandenburg geht das nicht.“ So würden Einnahmen, die solche Mitarbeiter erwirtschaftet haben, im vollen Umfang einbezogen – der Aufwand dafür aber nicht. Die Folge: Auf dem Papier stehen die Unternehmen nach dieser Logik besser da, müssen also Geld zurückzahlen.

Peter Heydenbluth, Präsident der Industrie und Handelskammer (IHK) Potsdam.
Peter Heydenbluth, Präsident der Industrie und Handelskammer (IHK) Potsdam.

© Ottmar Winter PNN

Bei dem Unternehmer Emmermann gibt es ein weiteres Problem. Er hatte die Soforthilfe am 25. März 2020 beantragt – einen Tag, nachdem die entsprechende Richtlinie erschienen war. „Versprochen war eine einmalige Leistung ohne Verwendungsnachweis.“ Doch eine Woche später sei die Richtlinie durch eine neue ersetzt worden, die dann am 9. April 2020 im märkischen Amtsblatt publiziert wurde – zwei Tage, nachdem sein Antrag von der ILB bewilligt worden war. Gleichwohl falle das dann gezahlte Hilfsgeld in die zweite Richtlinie, bei der Umsatzverluste und entstandene Personalkosten nicht berücksichtigt werden dürfen. „Und das nur, weil die ILB zu langsam bewilligt hat.“

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Andere Unternehmen, die auch am besagten 25. März 2020 das Geld beantragt und die Bewilligung noch in der Geltungsdauer der ersten Richtlinie bekommen hätten, müssten deshalb nun die Soforthilfe nicht zurückzahlen. „Das verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.“ Er habe nichts gegen eine Überprüfung der Soforthilfe, sagt der Emmermann: Doch müssten die Kriterien zur Antragszeit gelten – und nicht jene Kriterien, die im Nachhinein geändert wurden.

Gastronomie besonders gebeutelt

Das für die ILB zuständige Wirtschaftsministerium jedoch gibt sich unnachgiebig. Die Vorgaben für die Prüfungen habe der Bund gemacht, erhielt Emmermann als Antwort. Welche Richtlinie zum Tragen komme, sei leider auch keine Ermessensfrage – bei Emmermann sei das laut dem damaligen Bewilligungsbescheid die vom 31. März 2020. Unternehmen in dieser Lage könnten aber Stundungs- und Ratenzahlungen vereinbaren, heißt es auch in Schreiben an andere Firmen, die nun ähnliche Probleme wie Berater Emmermann haben.

Den branchenübergreifenden Frust der Betroffenen lindert das jedoch nicht. Die Gastronomie ist auch hier besonders gebeutelt. Die Unternehmen hätten darauf vertraut, dass die Zuschüsse nicht zurückgezahlt werden müssten, sagt Geschäftsführer Olaf Lücke vom brandenburgischen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). 

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Die Brandenburger Praxis falle nun gerade jenen Firmen auf die Füße, die in der Zeit des Lockdowns möglichst alles sparten und auch Zahlungen stundeten, um keinen finanziellen Engpass zu erleiden: Denn gerade die müssten nun die Soforthilfe zurückzahlen. In anderen Bundesländern wie Sachsen oder Mecklenburg sei das deutlich besser für Firmen geregelt – auch insofern sei das Frustpotenzial bei den märkischen Kochbetrieben hoch.

Steuerberaterverband bietet Webinare zur Corona-Soforthilfe an

So zeigen sich auch Gastronomen wie der Stahnsdorfer Koch Ronny Pietzner irritiert. Auch konkrete Äußerungen zuständiger Politiker tragen dazu bei. So hatte zuletzt Landeswirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) im PNN-Interview erklärt: „Wer ein ordentlicher Kaufmann ist, muss vor den Endabrechnungen zu den Hilfen auch keine Sorgen haben.“ Das sorgt bei dem auch überregional bekannten Stahnsdorfer Gastronomen Pietzner für Verärgerung. Er kenne Caterer, die nun möglicherweise tausende Euro zurückzahlen müssten: „Das kann existenzbedrohend sein.“ Selbst Steuerberater hätten Probleme, die Anforderungen an die von der ILB und dem Ministerium erwarteten Selbstüberprüfung zu den Corona-Hilfen zu verstehen.

Unter anderem der Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg hat bereits kurzfristige Webinare zur Corona-Soforthilfe angeboten: „Aufgrund der vielen Anfragen unserer Mitglieder“ wolle man Hilfestellungen für die Praxis bieten.

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