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Landeshauptstadt: Singen auf Vietnamesisch und auf Quechua

Der Potsdamer Chor International besticht durch seine Mischung aus Einheimischen und Zugezogenen aus aller Welt

Erst ein Seufzen, dann ein Gähnen und schließlich ein langes Zischen. „Nicht so zaghaft“, ruft Wolfgang Puwalla (66) mit fester Stimme. Er ist der Leiter des Potsdamer Chor International. Mit den rund 50 Mitgliedern feilt er jeden Donnerstag in einem holzgetäfelten Raum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben an Tonsprüngen und Rhythmen.

Die Lieder, die die Gruppe anstimmt, kommen aus der ganzen Welt – genau wie ihre Sänger. „Neben einer starken europäischen Fraktion gibt es auch Mitglieder aus Vietnam, Japan, Kenia und Nigeria“, erzählt Puwalla. Durch die bunte Mischung seiner Sänger stößt das Ensemble auch außerhalb der Chorlandschaft auf offene Ohren: Das Hans Otto Theater verpflichtete den Chor für die aktuelle Spielzeit. Fast 40 Mitglieder stehen jetzt regelmäßig auf der Bühne. In wechselnden Gruppen besetzen sie die Rolle des Chors in dem Stück „Wie im Himmel“, einer Adaption des gleichnamigen Films, der 2005 für den Oscar als „bester fremdsprachiger Film“ nominiert war. Darin kehrt ein berühmter Dirigent nach einem Herzinfarkt in seinen Heimatort zurück und baut dort Stück für den Stück den mickrigen Kirchenchor zu einem stimmgewaltigen Ensemble auf. „Für uns ist das ein totales Abenteuer“, betont Puwalla.

Lampenfieber bleibt den Sängern dank vieler Auftritte in der Vergangenheit nun auch im Theater weitgehend erspart. Wenn Rachel Marriott in den Chorszenen die Bühne betritt, genießt sie das Rampenlicht und blickt selbstbewusst ins Publikum. „Es ist wirklich himmlisch, ich wollte früher ja mal Schauspielerin werden“, schwärmt die 26-jährige Britin, die derzeit Englischlehrerin in einer Kindertagesstätte ist.

Kay Fischer (40) lebt schon seit Mitte der 1990er-Jahre in Potsdam und ist fast von Anfang an im Chor dabei. „Wolfgang Puwalla war damals mein Chef und wusste, dass ich gern singe.“ Die Vielfalt der gesungenen Sprachen und der Umgang miteinander sind für den Finanzwirt Grund genug, dem Chor treu zu bleiben. „Hier ist jeder gern gesehen, auch die, die nicht lange bleiben können, etwa weil sie hier nur ein Auslandssemester machen.“ An die drei Togolesen, die früher dabei waren, erinnert sich Chorleiter Puwalla besonders gern. „Die konnten wunderbar trommeln, aber leider gar nicht singen“, schmunzelt der pensionierte Jurist.

Seitdem er den Chor 1995 gegründet hat, haben die verschiedensten Nationalitäten ihre Spuren im Repertoire hinterlassen. „Besonders schwierig sind die ungarischen und finnischen Liedtexte“, sagt Puwalla. Auch auf Quechua, der Sprache der alten Inka in Peru, haben sie schon gesungen. In diesem Jahr stand ein neues vietnamesisches Stück auf dem Plan.

Nach Angaben des Landeschorverbandes gibt es derzeit 227 Chöre mit mehr als 7000 Mitgliedern im Land. Die meisten von ihnen haben mit Überalterung zu kämpfen. „Vor allem die Männerchöre suchen meist dringend Verstärkung“, sagt Verbandssprecher Günter Lehmann. Da das Singen im Schulchor kaum noch üblich sei, fehle auch der Nachschub aus jüngeren Generationen.

An neuen Mitgliedern mangelt es dem Chor International indes nicht. „Es ist eben eine schöne Gemeinschaft, die für manch einen zur Familie auf Zeit wird“, meint Puwalla. Dafür gab es in der Vergangenheit bereits zwei Integrationspreise. Auch Stefan Otteni, Regisseur der „Wie im Himmel“-Inszenierung am Hans Otto Theater, ist vom Chor International überzeugt. „Sie haben wirklich die Haltung, dass Gesang verbinden soll.“

Angie Pohlers

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