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Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

© dpa

Sexismus-Vorwürfe am Potsdamer Geiger Kolleg: Zentralrat der Juden sieht Neuaufstellung skeptisch

Die Vorwürfe gegen die Rabbinerschule drehen sich um sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch. Der Präsident des Zentralrats wünscht sich härtere Konsequenzen.

Berlin/Potsdam - Der Zentralrat der Juden in Deutschland hegt Zweifel an den bisherigen Konsequenzen der Rabbinerschule Abraham Geiger Kolleg als Reaktion auf Vorwürfe. „Es ist fraglich, ob die jetzt angestoßene Neuaufstellung am Abraham Geiger Kolleg geeignet und zielführend ist“, sagte Präsident Josef Schuster der Deutschen Presse-Agentur. „Der bisherige Rektor lässt seine Ämter lediglich ruhen und die in verantwortlicher Position handelnden Personen sind die gleichen wie vorher. Unter diesen Umständen scheint eine Neuaufstellung kaum möglich.“ Bei den Vorwürfen gegen das Kolleg in Potsdam geht es um sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch.

Am Freitag gab es ein erstes Gespräch der Interimsdirektorin des Abraham Geiger Kollegs (AGK), Gabriele Thöne, mit dem Zentralrats-Präsidenten. Sie freue sich, dass der Zentralrat zur Seite stehen wolle, um die Zukunft des AGK zu sichern, sagte Thöne in einer Mitteilung am Sonntag. Beiden Seiten sei der Erhalt des Kollegs als Institution des liberalen Judentums ein Anliegen. Die enge Kooperation mit dem Zentralrat, den Institutionen des liberalen Judentums, Studierenden und Alumni, der Universität und den Freunden und Förderern des Kollegs sei dafür essenziell, hieß es.

Am Abraham Geiger Kolleg werden seit 1999 Rabbiner für jüdische Gemeinden ausgebildet. Die renommierte liberale Institution ist Teil der Universität Potsdam. Die Zeitung „Welt“ berichtete Anfang Mai über Vorwürfe sexueller Belästigung eines Studenten durch einen Mitarbeiter des Kollegs. Die Geschäftsführung räumte danach ein, dass gegen einen Mitarbeiter bereits im Dezember 2020 und erneut im Februar 2022 Vorwürfe wegen sexueller Belästigung erhoben wurden. Das Arbeitsverhältnis endete Ende Februar. Es geht auch um den Vorwurf des Machtmissbrauchs. Die Uni setzte im Frühjahr eine Untersuchungskommission ein.

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Gründer Walter Homolka ließ alle Ämter ruhen

Der Gründer und bisherige Rektor des Kollegs, Walter Homolka, hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe alle Ämter ruhen lassen, darunter als Vize-Direktor der School of Jewish Theology und als Vorsitzender der Leo Baeck Foundation. Homolka zog sich vor mehr als einer Woche auch als Gesellschafter der Stiftung zurück, die damit alle Anteile am Abraham Geiger Kolleg hält. Ein neues Führungsteam um Rabbiner Edward van Voolen und Kanzlerin Anne-Margarete Brenker, die auch amtierende Vorsitzende der Leo Baeck Foundation ist, beauftragte inzwischen die Berliner Ex-Finanzstaatssekretärin Gabriele Thöne als Interimsdirektorin.

Walter Homolka, der Gründer und bisherige Rektor des Kollegs.
Walter Homolka, der Gründer und bisherige Rektor des Kollegs.

© Andreas Klaer

„Die im Raum stehenden Vorwürfe zu den Vorgängen am Abraham Geiger Kolleg haben bereits jetzt zu großem Schaden und Reputationsverlust bei der liberalen Rabbinerausbildung geführt“, sagte Schuster. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte die Vorwürfe als tiefgreifend bezeichnet und eine Anwaltskanzlei damit beauftragt, ein Gutachten samt Handlungsempfehlungen zu erstellen. „Die in Auftrag gegebene externe und unabhängige Untersuchung (...) hat den Zweck, dass nichts unter den Teppich gekehrt oder vertuscht werden kann. Alle Fakten müssen auf den Tisch“, sagte Schuster. Dabei sicherte der Zentralrat zu, dass die Aussagen anonym bleiben.

Zu Förderern und Unterstützern des Kollegs - einer gemeinnützigen GmbH - gehören unter anderen das Bundesbildungsministerium, die Kultusministerkonferenz, das Land Brandenburg und der Zentralrat der Juden in Deutschland. (dpa)

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