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Das Flugblatt.

© Andreas Klaer

Serie zur Sonderausstellung im Potsdam Museum: „Weihnachten 1941 fällt aus“

In einer Sonderausstellung beleuchtet das Potsdam Museum die Stadtgeschichte der 1920er bis 1940er Jahre. Die PNN stellen einige Ausstellungsstücke vor. Teil 6: "Weihnachten 1941 fällt aus".

Über den Urheber des unscheinbaren Blättchens ist nichts bekannt. Mit Schreibmaschine auf dünnem Papier getippt verkündet die vermeintliche „Amtliche Bekanntmachung!“ lapidar: „Weihnachten 1941 fällt aus.“ Es folgen zehn Punkte zur Begründung, in trockenem Beamtendeutsch verfasst.

1. Josef ist bei der Wehrmacht.

2. Marie ist dienstverpflichtet.

3. Die Weisen aus dem Morgenlande haben keine Einreiseerlaubnis.

4. Das Kind ist wegen Fliegeralarm evakuiert.

5. Der Stern von Bethlehem darf wegen der Verdunkelung nicht scheinen.

6. Heu und Stroh sind von der Wehrmacht beschlagnahmt.

7. Die Krippe ist bei der N.S.V. (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt, A.d.R.)

8. Im Stall liegt die Flak.

9. Die Hirten sind zum S.H.D. (der für den Luftschutz zuständige Sicherheits- und Hilfsdienst, A.d.R.) eingezogen.

10. Wegen des Esels allein lohnt es sich nicht.

Das Flugblatt aus dem Bestand des Potsdam Museums wirft ein Licht auf den Alltag und die Stimmung in der Stadt im dritten Jahr des Zweiten Weltkrieges: Ernüchterung hatte sich vielerorts breit gemacht. Das sah zunächst noch anders aus, wie Kuratorin Wenke Nitz sagt. Zwar hatte es – anders als im Ersten Weltkrieg – keinen feierlichen Abmarsch der Regimenter aus der Stadt gegeben. Ein Foto in der Ausstellung zeigt aber, wie die Soldaten im Juli 1940 bei ihrer Rückkehr vom Frankreichfeldzug jubelnd begrüßt wurden, Kinder mit Blumensträußen sind zu sehen, die Häuser sind mit Hakenkreuzflaggen geschmückt. „Damals dachten viele, dass der Krieg vorbei ist“, vermutet Wenke Nitz. Sie täuschten sich. Wegen des Krieges waren die Lebensmittel rationiert, Kleidung gab es nur auf Zuteilung, der Luftschutz wurde verstärkt. Anfang 1945 wurde sogar noch der Jahrgang 1930 zum Dienst an der Waffe eingezogen – die Ausstellung im Potsdam Museum dokumentiert das mit einem Fotoalbum von Enno Stephan.

Weitere Teile der Serie:

Teil 1: Neue Bilder für das Regattahaus

Teil 2: Krieger für die Geldbörse

Teil 3: Die "Raudaubande" aus Nowawes

Teil 4: Eine Trommel mit Geschichte

Teil 5: Kunstwerk eines Unbekannten

Teil 7: Massen auf dem Alten Markt

Teil 8: Hilfspakete über den Atlantik

Teil 9: Schallplatten aus Babelsberg

Die Sonderausstellung „Umkämpfte Wege der Moderne. Geschichten aus Potsdam und Babelsberg 1914-1945" ist noch bis 23. Juni im Potsdam Museum am Alten Markt zu sehen. Geöffnet dienstags, mittwochs und freitags 10 bis 17 Uhr, donnerstags 10 bis 19 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 5 Euro.

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