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Mit einer Taschenlampe sucht Felicitas Klein die Bilder zentimeterweise ab.

© Andreas Klaer

Serie | Barberini - die Kunst hinter der Kunst: Am Schließtag zu den Hortensien

Im Barberini läuft der Umbau zur Schau „Impressionismus in Russland“. Wir stellen Menschen vor, die daran beteiligt sind. Teil 9: Restauratorin Felicitas Klein betreut die Kunst im Museum.

Potsdam - „Meine Arbeit beginnt, wenn das Bild aus der Kiste kommt.“ Felicitas Klein, 55, freiberufliche Diplom-Restauratorin, bittet die Zuschauer, näher zu treten und dabei zu sein, wenn „es“ passiert. Wenn wieder ein Bild aus seiner Kiste kommt. Diese steht mitten im Ausstellungssaal und wird nun vom Art-Handling-Team geöffnet. 

Zwei behandschuhte junge Männer, die sich wortlos verstehen und nun den Holzdeckel entfernen. Der erste Blick fällt auf die ausgeklügelte Verpackung. Und Frau Klein: muss bereits diese begutachten und protokollieren. Ist alles in Ordnung? Nichts verrutscht, zerbröselt, zerbrochen? Dann wird das Bild, noch in mehrere Lagen Schaumgummi, Vlies und feines Papier eingeschlagen, vom Team Art Handling in geübten, sicheren Handgriffen herausgehoben und auf den vorbereiteten Tisch gelegt. Eine elegante Drehung inklusive. 

Anschließend lösen die Männer beinahe zärtlich den Klebestreifen, der das Papier zusammenhält. Das zuletzt geöffnet und entfernt wird. Es ist ein bisschen wie Weihnachten. Nur dass die Zuschauer still und konzentriert dabeistehen: Yulia Belozerova und ihre Kollegin, beide Restauratorinnen der Moskauer Tretjakow-Galerie, Leihgeber dieses und anderer Gemälde der neuen Ausstellung, und Felicitas Klein. Die jetzt alle schauen, abgleichen und untersuchen: „Ist in der Kiste drin, was ich erwartet habe? Wie ist der Zustand des Bildes? Gibt es Transportschäden?“ 

Nachlässigkeiten dürfen sich nicht einschleichen

Gibt es nicht. Es kommt auch selten vor. Aber dennoch darf sich keine Nachlässigkeit einschleichen. Millionenschwer versicherte Kunstwerke gehen in diesen Tagen durch die Hände mehrerer Aufbauteams, bis sie als neues Gesamtwerk, die Ausstellung „Impressionismus in Russland“, zu erleben sein werden. Das Barberini hat dafür 85 Werke von Museen und Leihgebern aus der ganzen Welt eingeholt. Ein immenser und kostspieliger Aufwand. 

Die Aufgabe von Felicitas Klein ist es, die Kunst fachlich in Empfang zu nehmen, die Bilder, während sie in der Obhut des Barberini stehen, zu begleiten, zu beobachten und im Fall von Beschädigungen mit ihrer Expertise zu reagieren. Niemals dürfte sie die Werke von Leihgebern einfach so behandeln, und sei es noch so gut gemeint. Stets muss so etwas mit dem Besitzer genauestens abgesprochen werden. 

Jetzt liegt „Veranda auf dem Landgut“ von Shukowski, gemalt um 1907, auf dem Untersuchungstisch. Zunächst sind die russischen Kolleginnen dran, dann Felizitas Klein. Die Methodik ist gleich. Mit Lupenbrille und Taschenlampe suchen sie das Bild zentimeterweise ab, vergleichen, was sie sehen, mit den Angaben im mitgereisten Zustandsprotokoll, eine Art Reisepass des Bildes, und tragen ihre Wahrnehmungen ein, alles nach dem Vier-Augen-Prinzip zuletzt mehrfach unterschrieben und gestempelt: Wie ist der Zustand der Farbschichten? Der Leinwand? Des Rahmens? Gibt es feine Risse oder Abplatzungen, Abrieb? Farbkrümel? Haben sich frühere Alterungs-Schäden unter dem Transport und den Vibrationen verstärkt? Besteht eventuell Handlungsbedarf, damit sich ein Schadensbild nicht vertieft? 

Das Barberini genießt einen guten Ruf

„In so einem Fall geht die Schadensmitteilung an die Registrars, die sich mit dem Leihgeber in Verbindung setzen“, sagt Klein. „Dann gibt es mehrere Möglichkeiten: Das Bild wird nicht ausgestellt. Oder die mitgereiste Restauratorin behandelt den Schaden hier im Barberini. Oder es wird jemand geschickt, der das Bild genau kennt. Oder ich darf das machen.“ 

Darf! Dazu brauche es sehr großes Vertrauen, was Leihgeber in der Regel dem Museum Barberini und seinen Fachleuten entgegenbringen, so Klein. „Das Haus genießt den guten Ruf, dass hier nach einem sehr hohen Standard gearbeitet wird.“

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Klein hat in Berlin eine eigene Werkstatt

Seit Eröffnung des Barberini arbeitet Klein, die in Berlin eine eigene Werkstatt hat, für das Potsdamer Museum. Hier betreut sie gemeinsam mit der zweiten Restauratorin Friederike Beseler die Ausstellungen und die hauseigene Sammlung. Und kann nun Impressionismus aus Frankreich, wie er in Plattners Sammlung gezeigt wird, mit den Russen vergleichen. „Das ist großes Glück, wenn solche maltechnischen Untersuchungen möglich sind.“

Es interessiert sie, mit welchen Farben die Maler arbeiteten, manchmal ist der Händler auf der Rückwand verzeichnet. Aber selbst wenn man das weiß – Schadstellen werden nie mit Ölfarben repariert, weil diese sich verändern würden. Für Retuschen werden wasserbasierte Farben genommen. Fällt nicht auf – und ist, falls notwendig, reversibel.

Auch nach der Eröffnung der Schau geht die Arbeit weiter 

Auch Untersuchungen zur Maltechnik und Echtheitsüberprüfung könnte Klein vornehmen, das Barberini verfügt über ein hochauflösendes Mikroskop und arbeitet mit namhaften Laboren zusammen. Es habe aber noch keinen Fall gegeben, wo das notwendig war, so Klein. 

Nachdem die Schau eröffnet ist, geht die Arbeit der Restauratorin weiter. An den Schließtagen läuft Klein mit Staubpinsel, Lupe und Lampe alle Bilder ab und kontrolliert, wie es ihnen im Hause ergeht. Es komme schon mal vor, trotz guter Klimaanlagen, dass sie kleine Veränderungen entdeckt und dann beobachtet – nicht immer sind diese Stellen gleich gefährlich.  

In der „Veranda auf dem Landgut“ wird sie die Hortensien im Blick behalten, darauf hatte sie die Kollegin aus Moskau noch hingewiesen. Shukowski hat die Blütendolden besonders plastisch mit dickem Farbauftrag gemalt – nicht, dass diese kirschkerngroßen, üppigen Tupfen Probleme bereiten. Nein, als langweilig empfinde sie die wöchentlichen Kontroll-Rundgänge zu immer den selben Bildern nicht, sagt Klein. Im Gegenteil: „Die Kunst nutzt sich nicht ab“. 

Das Museum Barberini ist Potsdams meistbesuchte Kultureinrichtung. Mit hochkarätigen Ausstellungen zieht es ein Publikum aus der ganzen Republik und darüber hinaus an. Aber welche konzeptionellen, handwerklichen und logistischen Herausforderungen sind für die Vorbereitung einer Schau eigentlich zu bewältigen? Die PNN begleiten den Umbau für die Ausstellung „Impressionismus in Russland. Aufbruch zur Avantgarde“ und stellen die Menschen vor, die daran beteiligt sind – ein Einblick in die Kunst hinter der Kunst.

Teil 1: Museumsdirektorin und Kuratorin Ortrud Westheider

Teil 2: Malermeister Frank Herber

Teil 3: Vermittlung und Rahmenprogramm mit Achim Klapp, Andrea Schmidt und Julia Teller

Teil 4: Haustechniker Carsten Loeper

Teil 5: Die Registrars Anne Barz und Matthias Heitbrink 

Teil 6: Gästemanagement mit Dorothee Entrup und Angela Winkler

Teil 7: Lichtplanerin Eva-Maria Henschkowski erweckt Gemälde zum Leben

Teil 8: Ausstellungsarchitekt Gunther Kolck hat die Schau erarbeitet

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