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In Potsdam gibt es immer weniger Plätze für Schwimmschüler.

© Julian Stratenschulte/dpa

Schwimmkursnotstand in Potsdam: Schwimmschüler bangen um Bad

Das Oberlinhaus erwägt die Schließung seiner Schwimmhalle. Davon betroffen wäre auch die Ausbildung mehrerer Schwimmschulen - was den Notstand bei Kursen in Potsdam verschärfen würde.

Potsdam - Der Platzmangel in den Potsdamer Schwimmbädern droht sich zu verschärfen. Grund: Das Oberlinhaus erwägt die Schließung seiner Schwimmhalle in Babelsberg – es liegt auf dem Gelände des Berufsbildungswerks, das zum diakonischen Sozial- und Gesundheitsträger gehört. Dabei nutzen jeden Monat hunderte Schüler, gerade aus Babelsberg, den Bau an der Steinstraße für ihren Schwimmunterricht.

Auf PNN-Anfrage bestätigte Oberlinhaus-Sprecherin Andrea Benke, man nehme aktuell eine „bauliche Prüfung des Gebäudes“ vor. „Ob es zu einer neuen Nutzung kommen wird, wird nach einer Analyse der räumlichen Optionen entschieden werden können.“ Eine finale Entscheidung sei aber noch nicht getroffen. „Wir sind in einem sehr frühen Stadium der Entscheidungsfindung“, so Benke.

Schwimmschulen müsste Unterrichtsstunden ausfallen lassen

Ein Hintergrund sei, dass die Anzahl der Auszubildenden mit körperlichen Beeinträchtigungen heute deutlich geringer sei, „was eine neue Betrachtung des Therapiebades zur Folge hat“.

Allerdings wird die Schwimmhalle eben auch für den Unterricht genutzt – der größte Mieter ist die Schwimmschule Ulbricht GmbH, wie deren Chef Steffen Ulbricht auf PNN-Anfrage sagte: „Wenn die Halle tatsächlich geschlossen wird, entfallen allein in unserer Schwimmschule Kapazitäten für genau 242 Unterrichtseinheiten pro Woche, die aktuell von rund 200 Schülern genutzt werden.“ Diese fast 1000 Unterrichtsstunden pro Monat würden auch der Stadt Potsdam fehlen. „Betriebswirtschaftlich wäre das für uns als Schwimmschule eine Katastrophe – und auch kommunalpolitisch weiß ich nicht, wie die Stadt Potsdam diesen Wegfall an Schwimmunterricht kompensieren soll.“ Denn die Halle werde auch von weiteren Schwimmschulen genutzt, daher seien vermutlich bis zu 500 Kinder pro Woche betroffen.

Ob Mängel an dem Bad vorliegen ist unklar

Oberlinhaus-Sprecherin Benke bestätigte auf Nachfrage, dass die Mitnutzung durch Potsdamer Schwimmschulen bei der kommenden Entscheidung zur Zukunft des Bades berücksichtigt werden soll. „Wir werden das genau abwägen“, sagte sie gegenüber den PNN. Die externen Nutzer der Schwimmhalle würden „rechtzeitig informiert“, sobald eine Entscheidung getroffen sei, beteuerte sie. Allerdings wollte die Oberlinhaus-Sprecherin ebenso deutlich machen, dass es bei der Schwimmhalle in der Babelsberger Steinstraße nicht um ein öffentliches Schwimmbad gehe. Es handele sich um ein Therapiebad, das als Bewegungsbad für die Rehabilitanden im Berufsbildungswerk des Oberlinhaus gebaut wurde.

Das Bad wurde laut Benke vor 22 Jahren konzipiert. Bereits 2014 gab es nach PNN-Recherchen Sanierungsarbeiten an der Schwimmhalle. Aufgrund einer Entfeuchtungsanlage kam es zu Schwindrissen in statisch relevanten Bauteilen. Eine Sanierung wurde durchgeführt. Den Anlass der nun erneuten „baulichen Prüfung“ ließ Benke unbeantwortet. Auch bei der Frage, ob bereits konkrete Mängel vorliegen, verwies sie darauf, dass die Prüfung „ganz am Anfang“ stehe. Deshalb könne man auch noch nichts über mögliche Sanierungskosten sagen, so Benke weiter.

DLRG hatte bereits vor Mangel an Schwimmkursen gewarnt

Für die Schwimmausbildung in Potsdam wäre der Wegfall des Bades eine weitere Hiobsbotschaft. Schwimmschulchef Ulbricht erinnerte an den heute schon bestehenden Mangel an Schwimmhallen. Den hatte die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) schon mehrfach bemängelt: Kinder und Jugendliche in Potsdam würden zahlreichere und bessere Möglichkeiten benötigen, das Schwimmen zu erlernen. So hatte die DLRG auch auf, schon heute, bis zu dreijährige Wartezeiten auf einen Schwimmkurs verwiesen. Zeitweise stünden mehr als 200 Kinder und Jugendliche auf den Wartelisten allein der DLRG-Schwimmkurse, hieß es. Hauptgrund aus DLRG-Sicht: Der Platzmangel in den Schwimmbädern.

Die Stadtverwaltung hatte jüngst allerdings auch keinen Ausweg aus dem Dilemma. Eine erhebliche Verbesserung sei nur durch weitere Wasserflächen möglich, sagte Stadtsprecherin Christine Homann. Ein Schwimmbad-Bau mit städtischem Geld hat die Verwaltung zwar selbst eingeräumt, gleichzeitig aber klar gemacht, dass das in weiter Ferne liege. „Ein zusätzliches Bad lässt sich wegen anderer pflichtiger Aufgaben wie zum Beispiel nötiger Schulbauinvestitionen nicht darstellen“, sagte Homann noch im Dezember 2019 gegenüber den PNN.

60 Prozent der Grundschüler können nicht schwimmen

Die mögliche Hallenschließung in der Babelsberger Steinstraße würde die Notlage in der Schwimmausbildung in Potsdam weiter verschärfen. Sollte das Bad durch das Berufsbildungswerk schließlich wirklich aufgegeben werden, dürfte sich die Lage in Potsdam weiter zuspitzen, ist sich auch der Chef der Schwimmschule Ulbricht GmbH, Steffen Ulbricht, sicher.

Deutschlandweit können laut der aktuellsten Forsa-Umfrage 60 Prozent aller Grundschüler nicht sicher schwimmen. Noch 2005 betrug der Anteil lediglich ein Drittel.

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