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Die Schweine von Axel Pendorf und Clemes Stromeyer können im Prinzip machen, was sie wollen.

© A: Klaer

Schweine-Freilandhaltung in Potsdams Norden: Es darf probiert werden

Suhlen im Matsch, faulenzen im Schatten – der Potsdamer Sauenhain ist ein Paradies für Schweine. Zwei Geografen haben die einzige Freiland-Schweinehaltung der Region aufgezogen. Sie starten jetzt mit dem Fleischverkauf.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Kühe waren ihnen zu groß. Hühner zu klein. Also wurden es Schweine. „Das sind einfach tolle Tiere. Sie sind intelligent und sozial. Und im Endeffekt sehr lecker“, sagt Axel Penndorf. Ungefähr zwei Jahre ist es nun her, dass der 46-Jährige im Büro saß und mit seinem Kollegen anfing herumzuspinnen. Den sicheren Job als Geografen an den Nagel hängen? Landwirt werden? Ein Jahr lang dauerte es, bis aus der fixen Idee Realität wurde. Dann kündigten Axel Penndorf und der zehn Jahre jüngere Clemens Stromeyer ihre Stelle und pachteten ein paar Hektar Land im Norden Potsdams. Und wurden Schweinehirten.

120 Schweine im Freien

Doch keine konventionellen. Denn statt in Ställen leben die 120 Schweine von Penndorf und Stromeyer im Freien, und das das ganze Jahr über. Schweinefreilandhaltung ist in der Region eine absolute Besonderheit. Auch in Schweinemastanlagen mit Bio-Zertifizierung werden die Tiere oftmals nur in halboffenen Ställen gehalten oder nur manchmal ins Freie gelassen. Der Sauenhain hingegen hat keine Biozertifizierung, ist aber ein wahrhaftiges Schweineparadies.

Und dieses Paradies liegt hinter dem stillgelegten Bahnhof Grube, unter alten Apfelbäumen und mit viel Platz zum Herumlaufen, Suhlen und Faulenzen. Seit 30 Jahren liegt die Obstplantage brach, jetzt spenden die Bäume den hitzeempfindlichen Schweinen Schatten und schützen die kleinen Ferkel vor Greifvögeln. Und im Herbst fallen den Tieren auch noch die Äpfel vor die Füße, sozusagen als Nachtisch.

Schweinefutter aus der Umgebung

Ansonsten bekommen die Schweine geschrotetes Getreide, gemischt mit Mineralien und sogenanntem Ölkuchen, also den Resten, die bei der Herstellung pflanzlicher Öle anfallen. Weil die Quereinsteiger-Landwirte kein großes Lager haben, kaufen sie die Zutaten für das Schweinefutter ausschließlich von Bauern in der näheren Umgebung – teils von Biobetrieben, teils aus konventioneller Landwirtschaft. „So viel Biofutter, wie wir brauchen, ist hier in der Region gar nicht zu bekommen“, sagt Stromeyer. Im Sommer wollen sie einen Teil ihrer Flächen auch wieder bepflanzen, dann kriegen die Schweine noch Grünzeug dazu – samt Würmern und was sie sonst noch in der Erde erschnüffeln.

Der Aufwand ist enorm, sagt Stromeyer, und das nicht nur weil das Gelände durch die Bäume kaum mit größeren Maschinen zu bewirten ist. Jeden Tag muss mindestens einer der beiden im Sauenhain ackern – Futter verteilen, Wassertröge auffüllen, Tiere umsetzen. Stromeyer reist aus Potsdam-West an, Penndorf sogar aus Berlin. Das bedeutet wenig Flexibilität und eine Herausforderung für die Familien der beiden. Beide haben Kinder – und arbeitende Frauen. Sonst würde das Ganze nicht klappen.

Das ganze Jahr im Freien zu sein, mache den Schweinen nichts aus

Das Gelände, das über einen holprigen Plattenweg zu erreichen ist, ist durch niedrige Zäune in mehrere Bereiche eingeteilt: In einem davon wühlen die zehn Muttersäue in der Erde, nebenan galoppieren die Ferkel umher. Dort, wo gerade mit Hilfe eines Wasserschlauches eine Matschkuhle entsteht, tummeln sich die „Halbstarken“, etwas abseits sind die schlachtreifen Tiere untergebracht, die schon 130 bis 150 Kilo auf die Waage bringen. Nur zum Entwöhnen von der Mutter kommen die Ferkel für drei bis vier Wochen in ein zur Hälfte überdachtes Gatter.

Das ganze Jahr im Freien zu sein, mache den Schweinen nichts aus, sagt Penndorf. Im Winter schützt sie ihre Speckschicht vor der Kälte, im Sommer kühlen sie sich im Schlamm ab oder ziehen sich eben in den Schatten der Apfelbäume zurück. „Schweine sind eigentlich ideal für die Freilandhaltung“, sagt Stromeyer. Nur macht das fast keiner. In Potsdam und der näheren Umgebung sind die beiden die Ersten, in Brandenburg gibt es gerade mal eine Handvoll Idealisten, die Freiland-Schweine halten. Genau deshalb hoffen die beiden, mit ihrem Fleisch eine Marktlücke zu füllen. „Viele sagen ja, dass sie nur noch Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren essen wollen. Das Angebot machen wir nun. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr.“

Knapp 20 Euro kostet ein Kilo Sauenhain-Fleisch – drunter geht es nicht, wenn sich das Unternehmen eines Tages rechnen soll, sagen die beiden. Verkauft wird deshalb auch nur an Privatkunden, der Handel oder gastronomische Betriebe würden zu dem Preis nichts kaufen, so ihre Vermutung. Seit dem Start vor einem Jahr haben die beiden ein System ausgeklügelt, wie das Fleisch zu den Essern kommt.

Montag ist Schlachttag

Und das läuft so: Über www.potsdamer-sauenhain.de bestellen die Kunden sogenannte Sauenhain-Boxen, zu vier oder acht Kilo, für die Küche zu Hause oder zum Grillen. Die kleineren Boxen kosten jeweils 79, die größeren 150 Euro. Sind genug Bestellungen zusammengekommen, fahren Penndorf und Stromeyer mit einigen Tieren zu einem kleinen Schlachter in Bad Belzig. Schlachttag ist Montag, dann muss das Fleisch einen Tag hängen. Anschließend wird es zu küchen- beziehungsweise grillfertigen Portionen verarbeitet, vakuumverpackt und per DHL verschickt. Am Donnerstag kommt es in speziellen Kühlboxen beim Kunden an, dann ist das Fleisch noch fünf bis sieben Tage haltbar, im Gefrierfach natürlich länger.

Den Inhalt können die Kunden nicht selbst festlegen – die Junglandwirte wollen schließlich nicht nur Filets verkaufen, sondern möglichst alle Teile des Tieres verwerten. So enthält zum Beispiel die Vier-Kilo-BBQ-Box Nacken- oder Hüftsteaks, Braten, dicke Rippe, sechs feine und sechs grobe Bratwürste sowie sechs italienische Salsiccia-Bratwürste. „Die Menge sollte den Kunden keine Sorgen machen“, sagt Penndorf. Schließlich seien vier Kilo schnell gegessen. Und der Rest passe locker in jedes Gefrierfach. „Wenn die Fertigpizza aufgegessen ist, passt das Schweinefleisch rein.“

"Im Gegensatz zum Minutensteak vom Discounter schmeckt unser Fleisch nach was"

Bei den bisherigen Kunden – in der Testphase waren das vor allem Freunde und Bekannte – sei das Fleisch sehr gut angekommen. „Im Gegensatz zum Minutensteak vom Discounter schmeckt unser Fleisch nach was“, sagt Stromeyer. Und anders als bei reinen Hausschweinen hat das Sauenhain-Fleisch mehr Fett – ein Geschmacksträger und bei artgerechter Haltung auch nicht ungesund, wie die beiden betonen. Das rührt daher, dass nicht nur Sauen der allgemein üblichen Hausrasse, sondern auch Bentheimer-Säue für Nachwuchs sorgen.

Nur ein bis eineinhalb Mal im Jahr tragen die Muttertiere hier, in der konventionellen Landwirtschaft ist es teils doppelt so oft. Außerdem werden die Mastschweine älter, erst nach zehn bis zwölf Monaten geht es zum Schlachter. Auf präventive Medikamentierung wie in der industriellen Haltung verzichten Penndorf und Stromeyer komplett – ist auch gar nicht nötig, sagen sie. Bislang sei noch kein einziges Schwein krank geworden, abgesehen von ein paar harmlosen Koliken bei den Ferkeln. Ihr Wissen über die Tiere haben sich die beiden Geografen durch viele Gespräche mit anderen Landwirten angeeignet, und durch ein Praktikum bei Bauer Bernd Schulz aus dem Fläming – einem der wenigen in Brandenburg, der Freilandschweine hält. Eine Ausbildung oder Ähnliches mussten sie nicht absolvieren – Hühner und Schweine darf in Deutschland jeder halten.

Die Anlaufphase ist nun vorbei, die ersten Schweine sind nach einem Jahr reif für den Schlachthof. Jetzt hoffen die beiden auf Bestellungen – auch außerhalb des Bekanntenkreises. „Der Potsdamer Sauenhain bittet zu Tisch“, sagt Stromeyer feierlich. „Es darf probiert werden.“

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