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Clemens Stromeyer (41) ist studierter Geograf, hat seinen Bürojob aber für den Sauenhain aufgegeben.

© Andreas Klaer

Schweine-Freiland-Haltung: "Steak-Holder" für den Sauenhain in Potsdam gesucht

Clemens Stromeyer von der Schweine-Freiland-Haltung Sauenhain in Grube über sein Projekt "Steak-Holder" und die Afrikanische Schweinepest.

Herr Stromeyer, Sie versuchen Ihren Sauenhain mit Anteilsscheinen aus den roten Zahlen zu holen. Warum ist das nötig geworden?
Es hätte auch eine andere Möglichkeit gegeben, sich Geld zu organisieren. Ich hätte zur Bank gehen können, um so nochmal das ein oder andere Loch zu füllen. Das habe ich die letzten Jahre immer wieder gemacht und das wäre sicher auch gegangen, denn die Umsätze sind gut und die Prognosen auch. Aber ich wollte ein Programm aufsetzen, mit dem ich sowohl den Sauenhain finanziell sanieren, als auch meine Kunden binden kann.

Wie läuft der Verkauf?
Eigentlich ganz gut. Seit ungefähr eineinhalb Jahren hat sich das so eingepegelt: Jede Woche fahre ich drei Schweine zum Schlachter, die ich dann auch unter die Leute bekomme. Es hat aber vier Jahre gedauert, bis es zu diesem Zustand kam, viel länger als ich dachte. Und der Weg war auch viel teurer als ich dachte. Zudem musste ich feststellen, dass es für so ein kleines Projekt fast unmöglich ist, Rücklagen zu bilden. Das liegt daran, dass es keine Skaleneffekte gibt. Ich kann und will die Preise nicht erhöhen und auch nicht einfach 100 Tiere mehr auf die Weide stellen.

Reicht dafür der Platz nicht?
Ich hatte zwischendurch mal den Bestand erhöht, von 150 auf 200. Ich habe dann aber gemerkt, dass das den Boden vielleicht zu stark beanspruchen könnte und dann wieder reduziert. Mein Ziel war ist es seither wieder eher, den Grünfutteranteil zu erhöhen, um das Produkt noch gesünder zu machen.

Wie funktioniert das?
Für Grünfutter muss man immer frische Weide vorhalten, was einigermaßen aufwendig ist. Schweine grasen ja nicht wie Kühe. Wo das Schwein war, findet ein kompletter Umbruch des Bodens statt, da wächst von selbst nicht ohne Weiteres etwas nach. Nach vier bis acht Wochen setzt man die Schweine ein Stück weiter und muss die Fläche mit dem Traktor wieder glätten, in Kultur bringen und neu einsäen. Umso kleiner der Trupp an Schweinen ist, umso mehr Grün haben sie.

Jetzt sind es also wieder um die 150 Tiere wie eh und je?
So ungefähr, ja. Der Sauenhain soll ja nicht nur glückliche Freilandschweine halten, sondern auch die Grundlage dafür, den Boden, nachhaltig bewirtschaften.

War Ihnen das von Anfang an klar, dass der Sauenhain nie wird wachsen können?
Ja. Aber das der Weg dahin so lange dauert, so teuer ist und nichts übrigbleibt, das war mir nicht klar. Ich dachte, da wäre ein Puffer. Mit den Anteilsscheinen will ich jetzt versuchen, die Risiken rauszunehmen. Zum Beispiel, dass Gläubiger den Hahn zudrehen könnten, wenn man mal nicht bedienen kann. Ich muss den Spieß umdrehen: Der Sauenhain muss die Verbindlichkeiten loswerden, um Rücklagen bilden zu können und um so in ruhigere Fahrwasser zu kommen.

Clemens Stromeyer mit Muttersauen im Sauenhain.
Clemens Stromeyer mit Muttersauen im Sauenhain.

© Andreas Klaer (Archiv: 6. November 2018)

Sie haben 200 Euro für einen Anteilsschein angesetzt. Das ist eine relative hohe Summe. Warum nicht zum Beispiel 100 Euro?
Ich suche 500 Anteilsscheine, also 100.000 Euro. Das ist ungefähr die Hälfe dessen, was der Aufbau des Projektes gekostet hat. Ein Stammkunde bestellt bei mir zwei bis vier Mal im Jahr. Wenn das 400 oder 500 Menschen machen, entspricht das ungefähr meiner Lieferkapazität, viel mehr kann ich gar nicht anbieten. Und 500 Leute zu finden, die sich so damit identifizieren und da so mitziehen, das ist ja schon eine sehr hohe Zahl, 1000 wären wirklich zäh. Und 200 Euro ist auch so ein Betrag, den viele als persönliches Risiko nicht als zu hoch empfinden. Es ist ein Geben und Nehmen, die Kunden bekommen ja auch lebenslangen Produktrabatt dafür.

Das Ziel ist also, langfristig alle Stammkunden zu „Steak-Holdern“ zu machen?
Genau.

Und wie viele sind mittlerweile dabei?
Ich bin echt überrascht und berührt von dem Support. Die Aktion läuft jetzt wenige Wochen und ich habe 150 zusammen. Das heißt, dass da auch noch mehr nachkommen werden. Denn viele warten erstmal ab, wie viele andere das Risiko eingehen. Dass so viele mitmachen, zeigt mir, dass die Leute das Thema interessiert. Und es verpflichtet mich natürlich auch.

Haben Sie mal daran gedacht, aufzugeben?
Nein, nicht ernsthaft. Dazu bin ich viel zu sehr drin in dem ganzen Schlamassel. Und es ist einfach etwas Einmaliges. Es braucht sehr, sehr viele Voraussetzungen, damit sowas überhaupt entstehen und bestehen kann – die Flächen, die Genehmigungen, die Unterstützung von zahlreichen Händen und Köpfen. Das würde ich jetzt nicht ohne Not im Stich lassen. Und es ist ja auch spannend, für so ein Projekt einen individuellen Weg zu finden, das so völlig aus der Zeit gefallen ist.

Inwiefern aus der Zeit gefallen?
Im Prinzip ist es ja ein kleinbäuerliches Projekt, dem aber die Struktur für eine kleinbäuerliche Landwirtschaft fehlt. Eigentlich müsste man einen Schlachter vor Ort haben, Märkte in der Nähe, um die Produkte auf die Straße zu bringen. All das gibt es heute nicht mehr, und so fahre ich zum Schlachten quer durchs Land zu Gut Hirschaue, verkaufe online, verschicke teuer per Post und habe einen riesigen Vermarktungsaufwand. Im Prinzip ist es Arbeit für zwei, ernährt aber nur einen. Deshalb muss ich mir wahrscheinlich mittelfristig auch sowas wie einen Halbtagsjob in Ergänzung suchen.

Im alten Job, als Geograph?
Ich denke eher an etwas im Bereich Feinkostvertrieb, was ich zeitlich nebenher managen kann.

Die Landesregierung bereitet sich auf einen Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest vor. Was würde ein solcher Ausbruch für den Sauenhain bedeuten?
Prinzipiell erstmal nichts, das Schlimme an der Schweinepest ist das dann folgende Exportverbot. Das ist für den exportabhängigen Markt kritisch, aber ich exportiere ja nichts. Eventuell wären die Kunden verunsichert, aber das sehe ich bei meiner eher aufgeklärten Kundschaft auch nicht als großes Thema.

Und wenn die Schweinepest konkret den Raum Potsdam beträfe?
Wenn ich damit in einer Restriktionszone läge, wäre es natürlich schwieriger. Dann dürfte ich eventuell für eine Weile keine Tiere aus dieser Zone heraus transportieren, das heißt, es gäbe eine Lieferpause, da ich nicht zu meinem Fleischer fahren kann. Im schlimmsten Fall könnte das auch bedeuten, dass eine Notschlachtung angeordnet wird. Dass aktuell viel darüber berichtet wird und Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, ist richtig und die beste Prävention.

Das Gespräch führte Katharina Wiechers

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