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Landeshauptstadt: Schwarz-Rot-Gold über Schloss Sanssouci

In der Revolution von 1848 ging der Aufstand in Potsdam nicht von den Bürgern aus – sondern von Soldaten

Potsdam ist nicht gerade als bedeutendster Schauplatz der März-Revolution von 1848 bekannt. Dass es jedoch selbst in der Residenzstadt des preußischen Königshauses demokratische Aufstände und eine Soldatenrevolte gab, konnten interessierte Bürger jüngst bei der Veranstaltungsreihe „Stadtgeschichte für Jedermann“ erfahren: „Potsdam während der Revolution von 1848“ lautete das Thema, mit dem der Potsdamer Hobby- Historiker Hans-Jürgen Paech diesmal sein Publikum fesselte.

Wie in vielen anderen Teilen des Landes waren auch in Potsdam vor allem Hunger und hohe Arbeitslosigkeit wichtige Triebfedern der Massenbewegung: 1848 wurde eine öffentliche Suppenküche in Nowawes eingerichtet, in der sich über 80 Prozent der Einwohner anmeldeten, am 22. Mai besetzten Arbeitslose das Potsdamer Rathaus. Insgesamt hatte die Stadt damals etwa 39 000 Einwohner, so Paech, davon etwa 9000 Militärs.

Am 14. März 1848 taucht in Potsdam das erste Plakat von demokratischer Seite auf („Euer König ist ein Gleisner, mitsamt dem schuftigen Adel – Fort mit allem was uns schadet, steht auf!“), doch revolutionäre Stimmung löst dies bei den Bürgern nicht aus. Am 18. März – dem Tag des Barrikadenaufstands in Berlin – plakatiert ein anonymer Berliner an der Potsdamer Nikolaikirche: „Was seid ihr so still. Schafft die Ministers ab, sie taugen nichts.“ Gerade weil es so ruhig bleibt, zieht sich Friedrich Wilhelm IV. am 27. März aus dem umkämpften Berlin nach Potsdam zurück. „Er wollte eigentlich schon eher weg“, sagt Paech, „aber ein Furunkel am Gesäß von Königin Elisabeth hatte den Umzug verzögert.“

Ein Hort der Revolution war das militärisch dominierte Potsdam wirklich nicht, vielmehr der Sitz der erzreaktionären Kamarilla, der preußischen Schattenregierung, die die Konterrevolution vorantrieb. Ab dem 19. März war die Stadt zudem mit Militär vollgestopft. Doch es waren nicht die Bürger, die als erstes aufbegehrten, sondern die Soldaten: Am 22. März beantragen drei Gardejäger ihre Entlassung, um zur Beerdigung der Märzgefallenen nach Berlin zu fahren und erklären, sie würden den Schießbefehl auf Zivilisten verweigern. Sie und fünf weitere Soldaten werden daraufhin unehrenhaft entlassen.

Auch in Potsdam fordern viele Soldaten mehr Rechte gegenüber ihren Offizieren: Über hundert von ihnen schicken am 11. September ein Schreiben an den Abgeordneten Stein, in dem sie ihm für die Entlassung reaktionärer Offiziere danken. Einen Tag später werden fünf der Unterzeichner in Arrest genommen, eine Gruppe von Soldaten protestiert daraufhin vor dem Neuen Palais. Die Strafe folgt auf dem Fuß: Rund 100 Soldaten werden noch am selben Tag zum Biwakieren unter freiem Himmel ohne Feuer verdonnert, viele flüchten jedoch vor ihren Bewachern und marschieren mit einer wachsenden Zahl von Zivilisten in die Stadt. Hunderte ziehen am frühen Abend durch das Nauener Tor Richtung Militär-Arresthaus, um die inhaftierten Kameraden gewaltsam zu befreien. Sogar zwei Barrikaden werden errichtet, doch der Aufstand wird von preußischen Elitetruppen blutig niedergeschlagen. Die meuternden Soldaten seien keine Potsdamer gewesen, sondern Truppen von außerhalb, fügt Paech an: „Wir können uns also nicht sehr dafür rühmen, dass diese Revolte entstanden ist.“ Abgesehen davon schlug das Ereignis keine großen Wellen: „Potsdam, Du hast Dir mit Deine spillerige Revolution blamirt!“, heißt es in schönstem Berlinerisch in einem kurz darauf veröffentlichten Flugblatt enttäuscht.

Nach und nach strömen auch die Potsdamer Bürger zu etlichen politischen Versammlungen, manche müssen sogar wegen Überfüllung verschoben werden. Zu einem richtigen Volksaufstand kommt es erst am 12. November 1848: Pläne werden bekannt, dass Truppen aus Potsdam nach Berlin transportiert werden sollen, um dort den Ausnahmezustand durchzusetzen. Tausende Potsdamer begeben sich daraufhin zum Bahnhof und reißen die Bahngleise an sechs Stellen auf. Auch die Telegrafenleitung, die Berlin und Sanssouci direkt verbindet und die für die Kommunikation in unruhigen Zeiten errichtet wurde, wird gekappt. Genutzt hat es wenig: „Die Gleise waren nach drei Stunden wieder repariert“, sagt Paech.

Als Zugeständnis an die demokratischen Kräfte flattert eine Weile zwar die schwarz-rot-goldene Fahne auf Schloss Sanssouci, doch ist dies nicht mehr als eine beschwichtigende Geste vonseiten des Monarchen, die allzu bald wieder rückgängig gemacht wird. Insgesamt sei die Potsdamer Bürgerschaft sehr königstreu gewesen, so Paech. Trotz der großen wirtschaftlichen Not wurde dem Prinzen von Preußen, dem späteren Wilhelm I., bei seiner Rückkehr nach Potsdam am 7. Juni sogar eine pompöse Willkommensfeier gegeben. Mehr noch: Der Potsdamer Frauenverein sammelte Spenden für den Aufbau der königlichen Flotte.

Und doch gab es einen Mann, dank dem Potsdam nicht als gänzlich revolutionsferner Hort königstreuer Preußen in die Geschichtsbücher einging: den Freiheitskämpfer Max Dortu, der für Wilhelm I. den damals landesweit bekannt gewordenen Spottnamen Kartätschen- Prinz prägte. Ihm wird Paech am 27. Mai einen eigenen Vortrag widmen.

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