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Der Prozess fand vor dem Landgericht Potsdam statt.

© dpa

Schwangere bedroht und ausgeraubt: Räuber muss in Psychiatrie

In einer Sparkassenfiliale in Potsdam griff Stanislav S. sein Opfer an. Am Dienstag erhielt er sein Urteil.

Stanislav S. schaut verstört, als er das Urteil hört, so als könne er es nicht glauben. Der Mann mit Brille im rundlichen Gesicht sucht den Blick seines Verteidigers. Doch der Anwalt schaut auf den Tisch vor sich, erwidert den Blick nicht.

Am Abend des 17. Februar hat Stanislav S. eine hochschwangere Frau bedroht und ausgeraubt, im Automatenraum der Sparkassenfiliale in der Potsdamer Nansenstraße. Mehrere Überwachungskameras zeichneten die Tat auf. Am Dienstag fällte das Landgericht Potsdam nun das Urteil: drei Jahre Freiheitsstrafe und Einweisung in die Psychiatrie wegen räuberischer Erpressung. 

Der Täter versperrte seinem Opfer den Weg und sagte: "Gib mir dein Geld, sonst hau ich dir dein Baby aus dem Bauch." Die verängstigte Frau übergab S. daraufhin 100 Euro, die sie zuvor abgehoben hatte. Doch der Täter gab sich damit nicht zufrieden. Er zwang die Frau, sich vor ihm auf den Boden zu knien und auch ihren Personalausweis herauszugeben. Dann drohte er noch ein weiteres Mal, ihrem ungeborenen Kind Gewalt anzutun, und befahl der Frau zu gehen. 

Opfer leidet noch heute unter der Tat

Das Opfer habe aufgrund dieses traumatischen Erlebnisses bis heute Angst davor, im Dunkeln allein auf die Straße zu gehen, sagte der Richter. Nach der Tat ging S. zunächst zum Essen in ein Restaurant, dann fuhr er mit dem Taxi in seine Berliner Wohnung. Beides zahlte er mit dem geraubten Geld. Am folgenden Tag stürmte ein Sondereinsatzkommando (SEK) der Polizei seine Wohnung. Nachbarn hatten die Polizei gerufen, weil S. im Innern randaliert und Feuer gelegt hatte. 

Einem Gutachten zufolge leidet S. unter einer bipolaren Störung. Zum Krankheitsbild gehören laut Facharzt-Portal "Neurologen und Psychiater im Netz" extreme Stimmungschwankungen. In depressiven Phasen bestimmen demnach Ängste und Pessimismus die Gefühlswelt der Patienten, sie ziehen sich zurück. Doch in manischen Phasen neigen sie zu Überaktivität und Selbstüberschätzung bis hin zum Größenwahn. Laut Gericht befand sich der Angeklagte zum Tatzeitpunkt bereits seit drei Tagen in einer besonders heftigen Phase der Manie. 

2011 griff S. seine Mutter an

Die Tat hat eine Vorgeschichte. 2011 bereits hatte S. seine Mutter mit einem Messer angegriffen. Daraufhin wies ihn ein Gericht in eine Psychiatrie ein. Nach seiner Entlassung 2013 stand er unter Führungsaufsicht, die sicherstellen sollte, dass er seine Medikamente nimmt. Stanislav S. hielt sich an die Regeln und wurde 2015 als stabil eingestuft. 

Doch 2018 habe er seine Medikamente selbständig abgesetzt und daraufhin wieder einen Schub bekommen, so der Vorsitzende Richter. Im Wahn habe S. den Plan gefasst, zu Fuß nach Italien zu gehen. Drei Tage sei er durch Berlin und Potsdam geirrt, bevor er im Automatenraum in der Brandenburger Vorstadt halt machte. Dort bettelte er zunächst Bankkunden um Geld an. Warum er letztlich die schwangere Frau auf so aggressive Weise angriff, bleibt unklar. Der Angeklagte hat das Geschehen weitgehend eingeräumt und versucht, sich beim Opfer zu entschuldigen, stellte das Gericht fest. 

Ist der Täter schuldfähig, also für seine Tat in vollem Maße verantwortlich? Diese Frage beantwortet das Gericht mit Ja. Denn auf den Überwachungsvideos sei erkennbar, dass der Angeklagte "bis zu einem gewissen Grad steuerungsfähig“ gewesen sei. Er habe sich orientieren können und keinen "Tunnelblick" gehabt. Überdies sei ihm auch bewusst gewesen, dass er in diesem Moment einen Schub hatte und was das bedeutete.

Dennoch handelt es sich wegen der psychischen Krankheit des Täters laut Urteil um einen "minder schweren Fall". Zu Gunsten des Angeklagten sprach aus Sicht des Gerichts, dass er den Raubüberfall nicht geplant hatte. Der mögliche Strafrahmen für einen solchen Fall beträgt zwei Monate bis sechs Jahre.

S. eine Gefahr für die Allgemeinheit

Während des Prozesses bemühte sich der Täter, Einsicht zu zeigen. Doch die schwerwiegende Tat zeigt nach Ansicht des Gerichts, dass S. eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Er brauche nun "klare Strukturen" und Maßnahmen, die sicherstellen, dass er seine Medikamente nehme. Das sei nur durch eine Unterbringung im Maßregelvollzug für psychisch kranke Straftäter gewährleistet und nicht in der Justizvollzugsanstalt.

Außerdem muss Stanislav S. 3000 Euro Schmerzensgeld an sein Opfer zahlen und die geraubten 100 Euro zurückgeben. S. kann gegen das Urteil Revision einlegen. In jedem Fall bleibt er jedoch vorerst in der psychiatrischen Klinik. Eine Sicherungsverwahrung nach Verbüßung der Strafe zum Schutz der Allgemeinheit wurde nicht angeordnet. 

Doch ob Stanislav S. seine Freiheitsstrafe tatsächlich in Deutschland verbüßen wird, ist ohnehin nicht sicher. Der Täter ist kein deutscher Staatsbürger. Deshalb und aufgrund der Schwere der Straftat ist eine Ausweisung grundsätzlich möglich. Darüber müsse nun jedoch die Ausländerbehörde entscheiden, sagte der Richter.

Christoph M. Kluge

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