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Schutz vor Gefahren: Stadt verteidigt massive Baumfällungen am Uni-Campus

Die Stadt verteidigt die geplanten Baumfällungen für die Erweiterung des Hasso-Plattner-Instituts. Kritiker sind nicht überzeugt.

Potsdam/Babelsberg - Die anhaltende Kritik an massiven Baumfällungen am Campus der Universität Potsdam haben Stadtverwaltung und Hasso-Plattner-Stiftung am Montag gemeinsam zurückgewiesen. Bei einem für Journalisten einberufenen Termin vor Ort erklärte der zuständige Baumgutachter Gert Kirschke, die Arbeiten an der August-Bebel-Straße seien zur Gefahrenabwehr dringend nötig.

Die Debatte um die laut Kirschke noch bis Ende März angesetzten Fällarbeiten steht in Zusammenhang mit den Ausbauplänen des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) am Unigelände. Anstelle des verwildert wirkenden Wäldchens soll ein Waldcampus nach Vorbild der kalifornischen Eliteuniversität Stanford entstehen, bereits 2019 soll mit dem ersten Bauabschnitt begonnen werden. Doch dafür müssen die Stadtverordneten erst den Flächennutzungsplan an der Stelle ändern, worüber es schon Debatten gibt.

Linke fordert Fällung „gesunder Bäume zu unterlassen“

So hat die Linke einen Antrag für die Stadtverordnetenversammlung am 7. März eingebracht, am Uni-Campus die weitere Fällung „gesunder Bäume zu unterlassen“. Schließlich gehe es um ökologisch bedeutsame Flächen und den Lebensraum vieler Tiere, der zudem eine Bedeutung als „Frischluftschneise“ für Babelsberg besitze. Im laufenden Planungsprozess für die HPI-Erweiterung sollten nicht vollendete Tatsachen geschaffen werden, sagte Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg den PNN. Dabei gehe es nicht um die Verhinderung des Projekts an sich, betonte er.

Doch HPI und Stadt widersprachen am Montag der Darstellung, es würden gesunde Bäume abgeholzt. Vielmehr seien viele der Eichen und Kiefern in dem Gebiet etwa durch Fäulnis oder Pilzbefall stark geschädigt gewesen, sagte Gutachter Kirschke. Bei einigen Bäumen sei das Holz im Kronenbereich so zerfressen gewesen, dass sie abzuknicken drohten. Daher habe man auch Schilder aufgestellt, dass Lebensgefahr bei Betreten des Waldes bestünde. „Man hätten den Wald in den Vorjahren besser bewirtschaften müssen“, sagte Kirschke in Richtung des Landes Brandenburg, das den Forst im vergangenen Jahr an die Plattner-Stiftung veräußert hatte.

Baumschäden nach Herbststürmen 

Anlass für die seit November vergangenen Jahres laufenden Arbeiten sei vor allem, dass bei einem der Herbststürme im Oktober eine Eiche auf ein Auto gefallen sei. Danach habe die Stiftung aus Sicherheitsgründen handeln müssen, machte deren Managerin Heike Welkisch deutlich. Anwohner und Universität habe man mit Postwurfsendungen rechtzeitig informiert. Kritik habe es kaum gegeben, hieß es. Man gehe sogar besonders behutsam vor, sagte Welkisch. So würden die Stämme von einer Hebebühne aus stückweise von oben nach unten abgetragen, damit morsche Bäume nicht auf gesunde Eichen oder Kiefern fallen. Kirschke ergänzte, nicht einmal verkaufen könne man das Holz. Denn weil am Ende des Zweiten Weltkriegs auch in dem Waldgebiet Granaten gezündet worden, seien viele Stämme mit Metallsplittern gespickt und damit unverkäuflich – und zudem eine Gefahr für Kettensägen. Zur Anzahl der gefällten Bäume machten Stadt und Plattner-Stiftung keine Angaben.

Nach den Journalisten wurde eine ähnliche Führung auch für Stadtverordnete aus den Ausschüssen für Bauen und Umwelt durchgeführt. Die Kritiker konnten Stadt und HPI dabei aber nicht umstimmen. „Mich hat das nur wenig überzeugt“, sagte der Bauausschuss-Vorsitzende Ralf Jäkel (Linke). Zu viele Bäume sollen aus seiner Sicht gefällt werden. Der besagte Antrag seiner Fraktion für einen Fällstopp werde aufrechterhalten.

Sonderbaufläche mit hohem Grünanteil

Auch die Grünen-Stadtverordnete Saskia Hüneke sagte nach dem Termin, das von ihrer Fraktion geforderte Werkstattverfahren für das Gelände sei weiterhin nötig – der entsprechende Antrag für die nächste Stadtverordnetenversammlung bleibe also bestehen. Die Zeit für den Workshop – wohl ein Vierteljahr – sollte man sich nehmen, so Hüneke. Mit dem Verfahren sollen die Waldflächen erhalten werden, schließlich würden sie den Charakter des Stadtgebietes ganz wesentlich prägen. Zudem seien in der Nähe schon andere Waldflächen aufgeben worden, erinnerte die Ökopartei. Potsdams Baubeigeordneter Bernd Rubelt (parteilos) hatte die Workshop-Idee bereits abgelehnt, dies wäre ein falsches Signal an das HPI – das seine Studentenzahl auf 1500 verdoppeln will.

Die Stadt will den Kritikern in anderer Hinsicht entgegenkommen, wie eine Stadtsprecherin deutlich machte. So schlage man gegenüber der ursprünglichen Beschlussvorlage eine andere Signatur für die Änderung des Flächennutzungsplans vor. Bisher sollten die Waldflächen die Signatur „Sonderbaufläche Hochschule und Forschung“ erhalten. Nun solle die Bezeichnung „Sonderbaufläche mit hohem Grünanteil – Hochschule und Forschung“ lauten.

Außerdem sollen auch Teile der Umgebung, die bisher bloß „Sonderbaufläche Hochschule und Forschung“ hießen, nun den Anhang „hoher Grünanteil“ bekommen. Damit wolle man verbindlich zusagen, den Versiegelungsgrad deutlich zu reduzieren. Das würde bedeuten, dass mindestens die Hälfte des Areals nicht versiegelt werden dürfe, erklärte die Sprecherin. Am heutigen Dienstag berät der Bauausschuss. Wegen der Debatte in Potsdam hatte bereits Andreas Pinkwart (FDP), Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, Mäzen Plattner via Twitter eingeladen, die millionenschweren Pläne doch im Ruhrgebiet umzusetzen.

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