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Landeshauptstadt: „Schule – eigentlich schon ab vier“

Wann sind Kinder reif für die Schulbank?Schulreife – mich stört schon dieser pseudowissenschaftliche Begriff.

Wann sind Kinder reif für die Schulbank?

Schulreife – mich stört schon dieser pseudowissenschaftliche Begriff. So etwas lässt sich nicht so exakt fassen wie etwa Körpergröße. Man sollte es nicht an irgend welchen absurden äußeren Kriterien festmachen.

Aber es muss doch Anhaltspunkte geben?

Aus psychologischer Sicht gehören alle Kinder ab vier Jahren in die Schule. Da gibt es einen Sprung im Kopf des Kindes, es bekommt ein Gefühl für das, was man „Theory of mind“ nennt – Theorie des Geistes.

Und was ist das ?

Vorher lernen Kinder mehr durch Ausprobieren und Beobachten. Jetzt bekommen sie ein Bewusstsein fürs Lernen durch Erklärungen: Andere Menschen wissen etwas, das sie mir beibringen können. Von diesem Zeitpunkt an brauchen Kinder wissenschaftlich fundierte Lernangebote Das kommt in Kitas meist zu kurz.

Sollten Kinder nicht lieber länger spielen?

Schule darf in diesem Zusammenhang auf gar keinen Fall heißen: 45 Minuten still sitzen und belehrt werden. Vielmehr sollten kleinere Kinder vor allem spielend durch Reimen, Singen und Klatschen zum Beispiel Sprachgefühl üben. In einer idealen Schule lernt ein Kind lesen und schreiben, wenn es damit anfangen möchte – irgendwann zwischen dem vierten und siebten Lebensjahr. So sieht Schule in Holland aus, wo alle Kinder mit vier Jahren eingeschult werden, egal wie weit sie entwickelt sind.

Können Kinder selbst beurteilen, wann sie schulreif sind?

Oft. Eigentlich wäre es abartig, wenn ein Kind in die Schule will und die Eltern es nicht lassen. Das letzte Kita-Jahr kann zur Quälerei werden, wenn das Kind sich da unterfordert fühlt. Im Zweifelsfall sollten Kinder lieber zu früh als zu spät in die Schule kommen.

Sollte man Kinder also auf keinen Fall zurückstellen lassen?

In einem idealen Schulsystem nicht. Aber im deutschen System geraten manche Kinder im ersten Schuljahr in eine Situation der Überforderung, weil man sich zu wenig auf sie einstellt. Sie sehen, dass sie nicht mithalten können, und das ist extrem frustrierend in diesem Alter. Alle Kinder müssen Lernfortschritte erleben – egal von welchem Niveau aus. Diese Erfahrung sollte die Schule bieten. Wenn sie das nicht leisten kann, ist das Zurückstellen durchaus sinnvoll – aber wirklich nur in Einzelfällen.

Elsbeth Stern, 50,

ist Professorin für Lehr- und Lernforschung in Zürich. Zuvor hat die Psychologin am Max-Planck- Institut für Bildungs forschung in Berlin

gearbeitet.

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