zum Hauptinhalt
Ein Junge fährt mit einem beschädigten Fahrrad neben den verbrannten Trümmern im Flüchtlingslager Moria auf der nordöstlichen Ägäisinsel Lesbos. 

© Petros Giannakouris/dpa

Update

Schubert: "Eine Schande für Europa": Entsetzen über Brandkatastrophe im Flüchtlingslager Moria

Nach dem Brand auf Lesbos hat der Potsdamer Hauptausschuss beschlossen, sich für eine Aufnahme von deutlich mehr Flüchtlingen einzusetzen. Auch Brandenburger Politiker reagierten auf die Katastrophe. 

Von

Potsdam/ Moria - Der verheerende Brand in dem Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos hat auch in Potsdam für Reaktionen gesorgt. Der Hauptausschuss beschloss am Mittwochabend, sich für die Aufnahme von deutlich mehr Flüchtlingen in Potsdam einzusetzen.  Gegenstimmen gab es nur von der AfD. Zuvor hatte das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ am Nachmittag  vor dem Rathaus demonstriert. Rund 60 Menschen nahmen an der Mahnwache teil. Damit wolle man ein öffentliches Zeichen setzen und auf „dieses europäische Dilemma“ aufmerksam machen, teilte der Potsdamer Grünen-Stadtverordnete Uwe Fröhlich mit, der sich seit Jahren in dem Bündnis engagiert. „Die Lager müssen zugemacht und die Menschen evakuiert werden“, so Fröhlich im Gespräch mit den PNN. Die derzeitige Situation sei „beschämend“. Die Potsdamer Bundestagsabgeordnete und Grünen-Chefin Annalena Baerbock twitterte bereits in der Nacht zu Mittwoch ein Bild von leeren 13.000 Stühlen, die die Initiative Seebrücke vor wenigen Tagen vor dem Reichstag aufgestellt hatte und schrieb dazu: "13.000 Menschen brauchen Schutz. Wir haben Platz."

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Schubert: "Eine Schande für Europa"

Via Twitter meldete sich auch Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), der zurzeit aufgrund einer Augenverletzung krank geschrieben ist, zu Wort: "Die Zustände in #Moria werden einmal mehr zur Schande für Europa. Wir verweisen seit Monaten auf die unhaltbaren Zustände im Lager. Es muss jetzt darum gehen, den Menschen, die gerade ihr Hab und Gut verloren haben, eine sichere Zuflucht zu geben." In einer Mitteilung der Stadt Potsdam erklärte Schubert weiterhin, Potsdam und viele andere Städte hätten ihre Aktivitäten bereits im Bündnis "Städte Sicherer Häfen" gebündelt und seit der Gründung im Juni 2019 ihre Aufnahmebereitschaft mehrfach gegenüber der Bundesregierung geäußert.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Potsdams Oberbürgermeister forderte darüber hinaus die Bundesregierung auf, ihre Ratspräsidentschaft zu nutzen, um die seit Jahren offene Verteilungsfrage von Geflüchteten endlich zu lösen – notfalls ohne einen Konsens aller Mitgliedsstaaten. "Dieses jahrelange Gezerre ist doch ein Armutszeugnis für die Handlungsfähigkeit europäischer Institutionen. Wenn man sich in Europa nicht auf ein gemeinsames Asylrecht einigen kann, ist die europäische Wertegemeinschaft Makulatur“, betonte Schubert. Der Oberbürgermeister schrieb weiter: "Wenn kein Konsens der Mitgliedsstaaten gefunden wird, muss es Lösungen geben, mit denen Staaten, die Flüchtlinge aufnehmen, aus dem Haushalt der EU unterstützt werden. Gleichzeitig müssen diejenigen, die das Recht auf Asyl missachten, wegen ihres Verstoßes gegen gemeinsame europäische Prinzipien sanktioniert werden."

„Moria brennt, weil Deutschland und Europa versagen“

Über Twitter meldete sich auch der Potsdamer Linken-Bundestagsabgeordnete Norbert Müller zu Wort. Er schrieb, dass die Lager evakuiert werden müssten. Es gebe mehr als genug Städte, die ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Geflüchteten signalisiert hätten. „Moria brennt, weil Deutschland und Europa versagen“, so der 34-Jährige weiter.

Auch die Initiative Seebrücke Potsdam fordert in ihrer Telegram-Gruppe, die Lager sofort zu evakuieren. Den PNN teilte ein Verantwortlicher mit, dass man aktuell daran arbeite, eine Aktion für morgen zu organisieren. Den genauen Ort und die Zeit würden die Verantwortlichen heute Abend bekannt geben.

In den frühen Morgenstunden wütete das Feuer weiter, angefacht von Winden mit bis zu 70 Stundenkilometern. Schon in der Nacht begannen die Behörden laut griechischen Medienberichten mit der Evakuierung des Lagers, nachdem Wohncontainer Feuer gefangen hatten. Über Verletzte oder gar Tote gab es zunächst keine Informationen.

Zelte und Unterkünfte stehen während eines Brandes im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos in Flammen. 
Zelte und Unterkünfte stehen während eines Brandes im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos in Flammen. 

© Foto: Panagiotis Balaskas/dpa

Sorge schon im Frühjahr groß 

Ende Februar hatte Potsdams Oberbürgermeister das Lager besucht. Gegenüber dieser Zeitung hatte er nach dem Besuch gesagt, dass die Situation in dem Camp "unhaltbar" sein. Die Zustände dort seien "eine Schande. Es fehlt am Nötigsten, an Ärzten, an einer funktionierenden Kanalisation."

Bereits im März, unter dem Eindruck auf die sich im Frühjahr verschärfende Coronakrise forderten die Stadt Potsdam, der Migrantenbeirat der Stadt sowie der Evangelische Kirchenkreis Potsdam die sofortige Aufnahme von unbegleiteten Kindern aus griechischen Flüchtlingslagern. „Wir fordern die Landesregierung Brandenburgs auf, die Aufnahme der Geflüchteten aus Griechenland mit einem Landesaufnahmeprogramm aktiv zu unterstützen“, erklärte dazu Potsdams Integrationsbeauftragte Magdolna Grasnick Ende März.

Dem Aufruf schlossen sich diverse Initiativen an. Mitte Juni fand auf dem Platz der Einheit ein Protestacamp statt. Zwei bis drei Dutzend Aktivisten hatten sich dort, unterstützt von der Initiative Seebrücke, versammelt und Unterschriften für eine Petition gesammelt. Gefordert wurde die Unterbringung von mindestens 2000 Menschen im Land. Die Aktivisten hatten symbolisch ein Sofa aufgestellt, um zu zeigen: Brandenburg hat Platz.

Woidke erklärt Bereitschaft zur Hilfe 

"Auch Brandenburg ist bereit zu helfen“, erklärte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Donnerstag. Er forderte jedoch eine rasche Lösung von Europa für obdachlos gewordene Menschen und für mögliche Verletzte. „Aber wir brauchen auch eine langfristige und gerechte Strategie der EU, um Zustände, wie sie schon vor dem verheerenden Brand geherrscht haben, gar nicht erst entstehen zu lassen.“ Innenminister Michael Stübgen (CDU) ließ ein Hilfsprogramm offen. „Bei solch einem Vorfall ist zunächst einmal Griechenland verantwortlich“, sagte Stübgen im Landtags-Innenausschuss in Potsdam. Ob sich eine Initiative Brandenburgs ergebe, könne er nicht zusagen. „Ich kann Ihnen zusagen, dass wir als Landesregierung immer dort, wo es geht, nach unseren Möglichkeiten helfen.“ Er verwies auf die im August angekündigte Aufnahme von 44 kranken Kindern und Angehörigen von den griechischen Inseln. Dies ziehe sich möglicherweise bis Oktober hin. Integrationsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) zeigte sich „berührt und entsetzt“. „Ich fordere Bundesinnenminister (Horst) Seehofer auf, den Weg freizumachen, damit Deutschland sich an der Evakuierung der Geflüchteten beteiligen kann“, schrieb sie bei Twitter.

Auch die Linke zeigt sich entsetzt 

Die Linke-Innenpolitikerin Andrea Johlige sprach im Innenausschuss von einem „humanitären Verbrechen“. „Da gibt es seit Jahren nicht genügend Unterkünfte. (...) Die EU tut seit über einem halben Jahr nichts.“ Die Linke-Landesvorsitzende Katharina Slanina forderte von der Bundesregierung, die Aufnahme von mindestens 2500 Menschen möglich zu machen.

Zur Startseite