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Sanssouci-Generaldirektor Hartmut Dorgerloh: Schlossherr gesucht

Sanssouci-Generaldirektor Hartmut Dorgerloh soll künftig das Berliner Humboldt-Forum retten. Wer übernimmt die Schlösserstiftung?

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In der Schlösserstiftung und damit auch in Potsdam geht eine Ära zu Ende: Sanssouci-Generaldirektor Hartmut Dorgerloh, der seit 2002 die Geschicke der ehrwürdigen Stiftung von der Residenz am Grünen Gitter aus lenkt, verantwortlich für die unter Unesco-Schutz stehenden Schlösser und Parkanlagen in Potsdam und Berlin, soll Chef des neuen Humboldt-Forums im wiederaufgebauten Berliner Stadtschloss werden. Die Nachricht, die die alte neue Kulturstaatsministerin Monika Grütters bekannt gab, verbreitete sich am Mittwoch über die Stiftung hinaus wie ein Lauffeuer. Der Wechsel soll schon Anfang Juni erfolgen. Ein PNN-Überblick, wie es um die Stiftung steht und jetzt weitergehen soll.

Wie wird Dorgerlohs Abschied aufgenommen?

Es ist eine tiefe Zäsur für die Stiftung. 16 Jahre lang hat der 55-Jährige die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), wie sie offiziell heißt, geführt. Sie betreut und verwaltet mit ihren etwa 550 Angestellten rund 30 Museumsschlösser und andere Museen, 800 Hektar denkmalgeschützte Parkanlagen, 100 000 Einzelkunstwerke, 150 Denkmäler und 300 bauliche Anlagen in Potsdam, Brandenburg und Berlin. Die wichtigsten Schlösser wie Sanssouci oder Charlottenburg in Berlin werden jährlich von Hunderttausenden Menschen besucht, in die Welterbeparks zieht es Millionen Gäste aus aller Welt.

Dorgerloh übernahm die Verantwortung für dieses Erbe von Hans-Joachim Giersberg, der zehn Jahre die Stiftung geleitet hatte – und zur Institution wurde. Nun wird die Stiftung vor allem mit seinem Namen verbunden: Wer so lange Chef ist, macht sich nicht nur beliebt. Klar, dass auch einige froh sind. Die meisten jedoch, selbst viele interne Kritiker, bedauern den Weggang, werden ihn vermissen. Seine Kompetenz, sein Vermögen, auch widerstreitende Interessen innerhalb der Stiftung zu versöhnen, wurde allgemein geschätzt.

Was bedeutet sein Weggang für Potsdam?

Zunächst einmal einen großen Verlust. Bei allem Zwist, der dem Wachstum der Stadt und den damit verbundenen, oft strittigen Bauvorhaben im Welterbeumfeld geschuldet ist: Potsdam hat Dorgerloh viel zu verdanken. Durch sein sicheres Auftreten auf internationalem Parkett, seine weltweit geachtete Expertise, gepaart mit der Fähigkeit, sowohl Kompromisse schließen zu können als auch – wenn zum Schutz des Welterbes nötig – eine harte Linie zu fahren, hob er Sanssouci, Babelsberg und den Neuen Garten aus der Potsdamer Provinzialität heraus auf internationales Niveau. Die Fachwelt aus aller Herren Länder bestaunte ebenso wie die maßgeblichen Vertreter der Politik die zunehmenden Erfolge bei Denkmalpflege und Sanierung. Nicht zuletzt deshalb haben die Träger der Stiftung, Brandenburg, Berlin und der Bund, insgesamt mehr als eine halbe Milliarde Euro zur Rettung der maroden Preußenschlösser und -gärten lockergemacht.

Dementsprechend wird auch außerhalb der Stiftung in Potsdam sein Abgang betrauert. Für das hiesige Welterbe und die Stadt habe Dorgerloh „ohne Zweifel sehr viel bewegt“, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den PNN. Der Rathauschef, der im gleichen Jahr wie Dorgerloh ins Amt kam, würdigte die 16-jährige vertrauensvolle Zusammenarbeit, auch, wenn man „nicht immer einer Meinung“ war, sagte Jakobs in Anspielung auf strittige Bauvorhaben im Umfeld des Weltkulturerbes. Für die neue Aufgabe wünsche er ihm Glück und Erfolg. Landeskonservator Thomas Drachenberg sprach von einem „großen Verlust für Potsdam und Brandenburg“, aber einem Gewinn für Berlin. Auch Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (SPD) bedauerte seinen Abschied. Dorgerloh habe dem Welterbe „neue Impulse gegeben und die preußischen Schlösser und Gärten international noch bekannter gemacht“.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Zeit drängt. Dorgerloh wird am Humboldt-Forum gebraucht, das eineinhalb Jahre vor der Eröffnung nicht fertig ist, kein akzeptiertes, ausgereiftes Konzept hat und bisher keine Chefs, nachdem Favoriten abgesprungen waren. Ähnlich wie Brandenburgs frühere Wissenschaftsministerin Sabine Kunst als Präsidentin die Humboldt-Uni konsolidieren soll, wird auch der Chefposten des Humboldt-Forums ein Krisenjob. Möglichst zum 1. Juni soll er das Amt daher übernehmen, sagte ein Sprecher von Grütters. Als seinerzeit ein Nachfolger für Giersberg gesucht wurde, hatten die Stiftungsträger eine Findungskommission eingesetzt, die gezielt nach fähigen Fachleuten gesucht hat. Dorgerloh, der damals Referatsleiter für Denkmalpflege im Brandenburger Wissenschaftsministerium war und als Gründungsbeauftragter das hoch gelobte Konzept für das Haus für Brandenburgisch-Preußische Geschichte (HBPG) entwickelt hatte, setzte sich damals unter 21 Bewerbern durch. Diesmal soll der Posten allerdings ausgeschrieben werden – und zwar, so bald Dorgerloh Ende April zum Intendanten des Humboldt-Forums gewählt ist, wie ein Sprecher des Brandenburger Bildungsministeriums auf Anfrage erklärte. Die endgültige Entscheidung trifft dann der Stiftungsrat.

Wer kommt als Nachfolger infrage?

Ein anerkannter Kunsthistoriker, Preußen-, Museums- und Architekturkenner sollte die Frau oder der Mann schon sein, die oder der die Stiftung künftig lenkt. Konkrete Namen kursieren bislang nicht, es ist aber zu erwarten, dass der Job für für viele externe Experten attraktiv ist. Die gibt es in anderen Museen, an Hochschulen, in Stiftungen. Aber: Dorgerloh war außerhalb Brandenburgs auch nicht bekannt, als er 2002 Generaldirektor wurde. Und die Hauptträger der Stiftung sind die Bundesländer Brandenburg und Berlin, deren Votum maßgeblich ist. Ausgeschlossen, wenn auch unwahrscheinlich, ist auch eine interne Lösung nicht: So werden Samuel Wittwer, Chef der Abteilung Schlösser und Sammlungen in der SPSG, Ambitionen nachgesagt. Klar ist zumindest, wer die Stiftung übergangsweise führt, bis ein regulärer Nachfolger ernannt ist: Interimschef wird Heinz Berg werden, Direktor der Generalverwaltung und Dorgerlohs offizieller Stellvertreter.

Welches Erbe hinterlässt Dorgerloh?

Die Stiftung, die Dorgerloh verlässt, ist mit der bei seinem Amtsantritt kaum zu vergleichen. Die Expertise Giersbergs und seiner Mitarbeiter stehen sicher außer Zweifel, dennoch hatte im Laufe der Zeit vieles gelitten. Es gab einen gewaltigen Sanierungsstau. Und die Strukturen der Stiftung, der Service, die Museumspädagogik, das Bewusstsein für Kosten und Geld, waren damals nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Der Rechnungshof kam zur Jahrtausendwende in einer Prüfung zu verheerenden Befunden. Und heute? Dorgerloh, ein Pragmatiker, ein penetranter Verhandler, hat in seiner Amtszeit das bisher größte Sanierungsprogramm der Stiftungsgeschichte durchsetzen können.

155 Millionen Euro gaben die Stiftungsträger für das erste Sonderinvestitionsprogramm aus, das im letzten Jahr auslief. Das zweite fällt sogar noch weitaus üppiger aus: 400 Millionen Euro darf die Stiftung bis 2030 für die Sanierung von Schlössern und Gärten ausgeben, die Liste umfasst mehr als 60 Projekte, darunter „Dauerbrenner“ wie das Neue Palais, Schloss Charlottenburg und das Orangerieschloss, aber erstmals auch viele kleinere Vorhaben. Dass die Stiftung damit nun erstmals in der Lage ist, den Sanierungsstau wirklich abzuarbeiten, ist maßgeblich Dorgerlohs Verdienst.

Zugleich hat er die Stiftung behutsam modernisiert: Neue Museumsshops wurden eröffnet, die Wegeführungen besucherfreundlicher gestaltet, am Park Sanssouci einen Bus- und Autoparkplatz angelegt, der dem Anspruch an eine solche Attraktion auch gerecht wird. Manchem gingen die Modernisierungen in der Stiftung auch zu weit. 2006 brachte er die Mitarbeiter gegen sich auf, als rund 100 Kassierer, Schlossführer und Reinigungskräfte in die neue Servicegesellschaft „Fridericus“ ausgegliedert wurden, der Streit um einen Haustarifvertrag zog sich über Monate hin. Und außerhalb provozierte Dorgerloh die Stadt Potsdam mit seinen Plänen für einen Pflichteintritt für den Schlosspark Sanssouci. Ein Versuch, der bislang scheiterte. Auf der Habenseite wiederum kann er verbuchen, dass die Achtung vor dem Weltkulturerbe in der Potsdamer Bevölkerung gestiegen ist – mit Ausnahmen wie dem Neuen Garten, in dem wildes Baden und Picknicken immer mehr ausufert. Das Problem harrt noch einer Lösung.

Welche Aufgaben warten auf den Neuen?

Der künftige Generaldirektor oder die Generaldirektorin wird keinen Ruhejob haben. Das Bauprogramm hat erst begonnen, muss weiter klug gemanagt werden. Und genug Geld wird nie da sein: Es wird darum gehen, die sanierten Gebäude gut zu pflegen, um den Standard zu halten, und das in Zeiten des Fachkräftemangels. Die Schlösser und Gärten von Sanssouci gehören aus guten Gründen zum Welterbe. Sie müssen sich in den Ausstellungen an großen Museen der Welt messen lassen: Versailles, Petersburg, London. Der oder die Neue muss das Pflegedefizit in den Gärten beheben, was angesichts des Klimawandels nicht einfacher wird. Er oder sie muss weiter klug und eloquent um mehr Personal kämpfen – und damit letztlich um mehr Geld. Er oder sie muss organisieren können, widerstreitende Interessen ausgleichen und den schweren, manchmal immer noch recht behäbigen Tanker Schlösserstiftung ins digitale Zeitalter führen. „Im Prinzip“, sagt ein Stiftungsinsider, „brauchen wir als Nachfolger noch einmal genau so jemanden wie Hartmut Dorgerloh“.

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