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Das marode Pflaster in der Brandenburger Straße wird aufgebrochen. Darunter wartet viel Arbeit. 

© Ottmar Winter

Sanierung der Brandenburger Straße: Boulevard des Frusts

Nach langem Warten wird das marode Pflaster in der Potsdamer Einkaufsstraße erneuert. Das gefällt nicht allen.

Potsdam - Die Mittagssonne brennt am Dienstag auf die Brandenburger Straße. Eigentlich müsste Hochkonjunktur am Eisladen sein. Doch nur ein einziger Kunde holt sich einen Eiskaffee. Zum Mitnehmen – denn vor dem Geschäft gibt es keine Sitzgelegenheiten. Stattdessen stehen gleich neben dem schmalen Fußweg rot-weiß gestreifte Absperrungen. Potsdams Flaniermeile ist zwischen Friedrich-Ebert-Straße und Jägerstraße seit ein paar Tagen zur Baustelle mutiert. Als sich ein Touristenpärchen nähert und die Eiskarte studiert, fängt nebenan ein Bagger an, den Untergrund mit einem Abbruchhammer zu zertrümmern. Das Pärchen geht weiter.

Die Fußgängerzone wird bis zum Jahr 2026 zur Bauzone. Wie berichtet wird in mehreren Abschnitten das marode Pflaster ausgetauscht. Außerdem sollen sämtliche Leitungen im Untergrund erneuert werden. Das macht die Baustelle im Herzen der Stadt langwierig. Allein der erste Bauabschnitt dürfte sich bis ins Frühjahr 2023 ziehen. Die Geschäfte in der Einkaufsstraße sollen auch während der Bauarbeiten vor den Ladentüren „jederzeit fußläufig“ erreichbar bleiben, hat die Verwaltung angekündigt. In mehreren Etappen werden die benötigten Großpflastersteine aus China geliefert.

Sanierung seit mehr als acht Jahren ein Thema

Wenige Meter weiter wartet am Eingang eines Restaurants eine Mitarbeiterin auf Gäste. Allerdings weitgehend vergeblich. Nur zwei Frauen trotzen dem Baulärm an einem kleinen Tisch vor dem Fenster, sonst ist die ganze Gaststätte drinnen wie draußen leer. Ohne Baustelle wäre die halbe Straße jetzt mit Tischen bestückt. Die Mitarbeiterin seufzt. Ein Jahr sollen die Bauarbeiten dauern. Sie sieht sehr traurig aus. Es kämen kaum Gäste. Mehr will sie nicht erzählen und schaut entsetzt auf den Bagger.

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Die Sanierung ist schon seit mehr als acht Jahren ein Thema. Der Belag, roter indischer Granit, war 1991 bis 1999 verlegt worden. Doch nach einigen Jahren wurde der Belag immer mehr zur Stolperfalle. Schadhafte Stellen wurden mit Asphalt ausgebessert. Bereits 2014 hieß es seitens der Stadt, dass das Pflaster mit seiner Oberflächenstruktur und auch Verlegeart nicht mehr dem heutigen Anspruch auf Ebenflächigkeit und Dauerhaftigkeit entspreche. Mehrfach wurden die Arbeiten verschoben. Im vergangenen Jahr gab es beispielsweise Verzögerungen, weil das Schiff mit den Pflastersteinen vor dem wochenlang blockiert Suezkanal im Stau festhing.

Geschäfte sind unterschiedlich betroffen

Im Optikergeschäft von Sebastian Scharnbeck ist es angenehm kühl. Wenn die Tür zur Brandenburger Straße geschlossen ist, hört man vom Baulärm nur wenig. Die Baustelle kann der Optiker deshalb vergleichsweise gelassen hinnehmen. „Den Ständer mit den Sonnenbrillen mussten wir hereinholen“, sagt er. Sonst habe sich kaum etwas geändert. Über die Sanierung der Straße sei schon lange gesprochen worden, doch passiert sei eben nichts. Eine gute Zeit für so eine Baustelle gebe es wahrscheinlich nicht, meint er, und das Pflaster sei in schlechtem Zustand.

Optiker Sebastian Scharnbeck kann die Baustelle vergleichsweise leicht nehmen. 
Optiker Sebastian Scharnbeck kann die Baustelle vergleichsweise leicht nehmen. 

© Ottmar Winter

Je nach Sortiment sind die Geschäfte unterschiedlich betroffen. Je mehr ein Laden auf Laufkundschaft angewiesen ist, desto schwerer dürfte er es haben, wenn man die Ladentür schlecht erreichen kann. In Modegeschäften, bei einem Juwelier und in einer Niederlassung von Tchibo sind am Mittag einige Kunden zu sehen. „Am schwierigsten wird es für die Gastronomen“, schätzt Scharnbeck. Ihnen entgingen jetzt die Einnahmen aus dem Sommergeschäft.

Kritik an Umgestaltung der Straße zu Boulevard des Films

Mit dem neuen Pflaster soll die Brandenburger Straße zu einem Boulevard des Films werden. Dazu sollen 50 Granitplatten mit ebenso vielen von einer Fachjury ausgewählten in Potsdam produzierten Filmen am Boden verlegt werden. Unter anderem sollen damit „Ich war neunzehn“ von Konrad Wolf von 1967/68, „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ von Václav Vorlícek von 1972/73 und „Inglourious Basterds“ von Quentin Tarantino aus dem Jahr 2009 gewürdigt werden.

Einbußen erwartet auch Sabine Scholz, die in der Brandenburger Straße die Filiale einer Modemarke leitet. „Es kommen jetzt schon weniger Kunden“, sagt sie. Eine Baustelle vor der Ladentür sei eben nicht gerade einladend. Außerdem sorgten die Arbeiten für viel Schmutz. Ideal wäre gewesen, wenn die Straße während des Corona-Lockdowns saniert worden wäre. „Dann hätte es nicht gestört.“ Wie die Straße künftig aussehen soll, macht sie auch nicht gerade zuversichtlich. „Der ganze Aufwand und dann gibt es nachher eine Kopie vom Walk of Fame“, sagt sie. In anderen Städten gebe es schöne Fußgängerzonen mit etwas Grün und Sitzgelegenheiten. „Das hätte man auch schön machen können.“

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