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Die Oase am „Loch“. Der Staudenhof entstand als Verbindung zwischen Nikolaikirche und den DDR-Neubauten – mit der ummauerten Lkw-Anlieferzone als Störfaktor (r. im großen Bild). Landschaftsarchitektin Hiltrud Berndt (Bild unten, l.) griff für die Pergola Elemente der Fassade der Fachhochschule auf.

© Andreas Klaer

Rundgang durch den Staudenhof: Was bleibt

Landschaftsarchitektin Hiltrud Berndt entwarf in den 1970er-Jahren den Staudenhof. Vor dem Abriss erzählte sie bei einer Führung von der Geschichte des fast 40 Jahre alten Areals.

Am Ende kam vieles anders als gedacht. Als Hiltrud Berndt 1970 das Projekt Staudenhof auf den Tisch bekam, ging es im Prinzip um die „Dachbegrünung“ eines Luftschutzbunkers, samt 43 Meter breiter Treppe zum Platz der Einheit hin. Bäume hätten auf einer dünnen Bodenschicht auf dem Dach nie gedeihen können, daher die Idee mit den Stauden, die gleichzeitig eine Referenz an den Potsdamer Staudengärtner Karl Foerster ist. Aber aus den Bunkerplänen sollte dann doch nichts werden, aus Geldmangel. Die Landschaftsgärtnerin Hildrud Berndt konnte nun zu ihrer Freude mit richtigem Boden planen – dafür aber einer neuen Herausforderung: Dem „Loch“, wie sie es nennt. Eine ummauerte Anlieferungszone für Lkw im Herzen der Freifläche zwischen Nikolaikirche, dem Staudenhof-Wohnblock und dem Neubau des Instituts für Lehrerbildung, der heutigen Fachhochschule.

Am gestrigen Dienstag führte Berndt auf Einladung des Urania-Vereins über das Staudenhofareal und gab Einblicke in die Geschichte der innerstädtischen Grünfläche, die mit dem Abriss des alten Fachhochschulgebäudes in diesem Herbst verschwinden wird. Platz für Grün wird danach dort nicht mehr sein, prophezeite die 72-jährige Landschaftsplanerin – denn die neue Kaiserstraße, die dort entstehen wird, soll sogar etwas schmaler werden als die Brandenburger Straße. Gut 30 Gäste nahmen trotz ungemütlicher Witterung an der Führung teil, zumeist Potsdamer, die die Entwicklung in der Mitte bedauern und Fachhochschule und den Staudenhof lieber erhalten sähen, wie bei vielen Bemerkungen und Fragen deutlich wurde. Hiltrud Berndt, die bis vor gut zehn Jahren noch bei der städtischen Grünplanung arbeitete, wollte sich ganz so eindeutig indes nicht positionieren. Dass der Staudenhof verschwindet, die Innenstadt sich wandelt, sei Folge eines „langen demokratischen Prozesses“, betonte sie: „Und man kann nicht immer gewinnen.“

Wasserspiele wurden aus Kostengründen entfernt

Tatsächlich hat sich im Staudenhof schon seit der Wende vieles verändert. So ist der Trinkwasserbrunnen Geschichte, sind die Wasserspiele verschwunden, die einst zur Nikolaikirche hin einen Wasservorhang zum Durchspazieren zauberten. Die nötige Sanierung wäre zu teuer geworden für einen Ort, der langfristig nicht bleiben soll. „Aber so hat es die DDR auch gemacht“, sagte die Landschaftsarchitektin: „Wenn etwas erstmal angeranzt ist, dann fällt es leicht zu sagen: Weg damit.“ Heute erinnern nur noch aus der Wand ragende Rohrstümpfe an die Wasserspiele. Immerhin: Der Metallbogen, der dazu gehörte, hat auf der Uferwiese hinter dem Schillerplatz einen neuen Standort gefunden.

Auch Lindenbäume, die Hiltrud Berndt an der Westseite der Nikolaikirche hatte pflanzen lassen, wurden nach der Wende entfernt – weil sie „nicht historisch“ waren. „Aber was ist historisch?“, fragt die Landschaftsarchitektin. Die Linden an der Nordseite der Kirche, die bleiben durften, seien auf Fotos aus den 1950er-Jahren auch nicht zu sehen.

1978 wurde der Staudenhof eingeweiht. Und mutete ganz anders an, wie alte Bilder zeigen: Eher eine große Freifläche, die Skulpturen von Jürgen von Woyski sehr prominent, auf den frisch angelegten Beete nur zartes Grün, die Pergola aus Beton und Holz, für die Hiltrud Berndt Elemente der Fassade der benachbarten Fachhochschule aufgriff, praktisch nackt. Eine kraftvolle, aber trotzdem transparente Verbindung zwischen den Neubauten und der Nikolaikirche habe sie schaffen wollen. Schon in den 1980er-Jahren war der Staudenhof dann zu einer kleinen grünen Oase geworden, die Pergola – wie heute – idyllisch umrankt. So sei es immer in der Landschaftsarchitektur: Man müsse Geduld mitbringen, bis alles so gewachsen ist, wie man sich das vorgestellt hat.

Begrünter Parkplatz mit Fontäne

Nicht alles entwickelte sich so wie geplant. So öffneten die Geschäfte im Erdgeschoss der heutigen Fachhochschule nie ihre Eingänge in Richtung Staudenhof – wohl aus Angst vor Dieben, die sich schnell quer durch die Läden hätten bewegen können, wie Berndt vermutet. Das machte das Ensemble weniger belebt. Beim Alten Markt scheiterten die Ursprungspläne wiederum am Geld: Eigentlich, berichtete die Landschaftsarchitektin, hätte der Platz zum „Karl-Liebknecht-Forum“ mit einem 30 Meter hohen Monument umgebaut werden sollen. „Eine politische Botschaft“, sagt Hiltrud Berndt: Anstelle des kaiserlichen Schlosses wollte man nicht nur neue Gebäude, „sondern auch neue Ideen unterlegen“. Am Ende wurde der Alte Markt nur zu einem begrünten Parkplatz mit Fontäne.

Erst im Vorfeld des 1000. Stadtjubiläums 1993 machte sich die Landschaftsarchitektin an eine Neugestaltung: Mit einer Bepflanzung aus Blumen und Bäumen machte sie den Grundriss des Schlosses und der alten Bebauung erstmals wieder erlebbar. „Da ahnten wir nicht, dass das hier die Folge ist“, sagte Hiltrud Berndt mit Blick auf das wiedererrichtete Schloss – und den dem Untergang geweihten Staudenhof.

Mit welchem Gefühl sie dem bevorstehenden Abriss entgegensieht? „Ich weiß ja seit Langem davon“, sagt die 72-Jährige: „Aber es ist ein Unterschied, ob man es weiß oder ob die Bagger rollen.“ Das habe sie schon bei der Fällung der Linden an der Nikolaikirche erlebt: „Ich konnte da lange nicht mehr langgehen.“

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