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Geschichtszeugnis. Gedenkstättenchefin Ines Reich überreichte Peter Seele im April Seiten aus seiner Haftakte.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Rückendeckung für Ines Reich

Evangelisch-Kirchlicher Hilfsverein spricht Chefin der Gedenkstätte Leistikowstraße das Vertrauen aus

Nauener Vorstand - Ines Reich hat nicht nur Kritiker: Nach den Abberufungsforderungen gegen die Leiterin der Gedenkstätte Ehemaliges sowjetisches Geheimdienstgefängnis Leistikowstraße greift der Evangelisch-Kirchliche Hilfsverein (EKH) als Eigentümer der Immobilie Leistikowstraße 1 in die Debatte ein. „Ich traue Ines Reich die Erfüllung ihrer Aufgabe vollends zu“, erklärte Pfarrer i.R. Reinhart Lange, Vorstandsvorsitzender des EKH, gegenüber den PNN. Die Kritik etwa an der späten Eröffnung der neuen Dauerausstellung im Februar 2012 an der Person der Historikerin Reich festzumachen sei „menschlich nicht dienlich“, ergänzte der ehemalige Superintendent Eginhart Schmiechen vom EKH-Vorstand. Bevor der russische Geheimdienst die Villa in der Leistikowstraße 1945 in ein Untersuchungsgefängnis umwandelte und dort Hunderte Menschen unter inhumanen Bedingungen festhielt, hatte die evangelische Frauenhilfe ihren Sitz in dem Haus.

Die ehemalige Leiterin der Potsdamer Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde, Gisela Rüdiger, und der Berliner Regisseur Dirk Jungnickel, Sprecher einer Zeitzeugen-Initiative, hatten eine Initiative zur Abberufung der Gedenkstättenleiterin gestartet (PNN berichteten). Ines Reich fehle es „am notwendigen Organisationsvermögen zum Leiten einer Gedenk- und Begegnungsstätte“. Ferner heißt es in ihrer Darstellung, Reich fehle „das menschliche Maß“ im Umgang mit ehemaligen Häftlingen. Außerdem bestehe der Eindruck, es solle ein Geschichtsbild vermittelt werden, „dass die Zustände in der DDR und in der damaligen sowjetischen Besatzungszone als einer kommunistischen Diktatur verharmlost und als hinzunehmende Folge des Angriffskrieges Nazi-Deutschlands dargestellt werden soll“. Am gestrigen Freitag bekräftigte Gisela Rüdiger ihre Kritik gegenüber den PNN: „Ich erwarte Verbesserungen.“ Der Ausgang ihrer Abberufungsforderung sei offen: „Das entwickelt sich.“ Dem Vernehmen nach soll es im Juni ein Treffen des Gedenkstättenvereins mit der Landeskulturministerin Sabine Kunst (parteilos) geben. Wie Vereinsvorstand Richard Buchner den PNN am Freitag sagte, stütze eine Mehrheit im Vereinsvorstand die Kritik an Reich. Dieser wolle sich jedoch durch eine Abberufungsforderung seitens des Vereins nicht alle Kooperationsmöglichkeiten „verschütten“. Einen großen Stein des Anstoßes stelle die erst jüngst von der Gedenkstätte publizierte Broschüre über das „Militärstädtchen Nr. 7“ dar, auf dem unter anderem ein Foto zu sehen ist, auf dem Soldaten des KGB-Wachbataillons den Stechschritt exerzieren. „Die reinste Täterperspektive“, empört sich Buchner.

Die Brandenburgische Gedenkstättenstiftung als Träger der Gedenkstätte hatte mitgeteilt, Ines Reich stehe „nicht zur Disposition“. Auch der Geschäftsführer des EKH, Peter Leinemann, stützt die promovierte Historikerin, die seiner Aussage nach „eine Wissenschaftlerin mit hoher Rationalität“ sei. Genau das schätze das Kuratorium der Gedenkstätte sehr an ihr. In dem Aufsichtsgremium ist jeweils ein Vertreter des EKH, des Landeskulturministeriums und des Bundeskulturstaatsministers vertreten. Ex-Superintendent Schmiechen verweist auf Erfolge der Historikerin, der es etwa gelang, aus russischen Archiven Akten ehemaliger Häftlinge zu erhalten. So konnte Ines Reich dem ehemaligen Untersuchungshäftling Peter Seele 36 Dokumentenblätter aus seiner Haftakte überreichen. Eine gewisse Anerkennung selbst bei ihren Kritikern erwarb sich die Gedenkstättenleiterin mit der Erforschung von Inschriften ehemaliger Gefangener an den Kellerwänden. Über die Resultate „sind wir sehr erfreut“, erklärte Mitte 2010 der zweite Vorsitzender des Gedenkstätten-Vereins, Bernhard Kaltenbach.

Der EKH-Vorsitzende Lange ist sich angesichts dessen sicher, dass die Dauerausstellung „eine angemessene und überzeugende Darstellung der Zeit nach 1945“ sein wird. Ex-Superintendent Schmiechen: „Man sollte nicht über einen Kuchen schimpfen, bevor er nicht gebacken ist. Am Ende schmeckt er ja doch.“

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