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Gespannt.Judith Haack wollte nach Israel, nun geht es nach Russland

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Roter Faden nach Russland

Der Holocaust beschäftigt Judith Haack seit Jahren. Ab September kümmert sie sich um Überlebende in Sankt Petersburg

Wer Judith Haack bei Google eingibt, trifft auf einen Artikel über den Besuch eines Holocaust-Überlebenden, den sie vor einem Jahr für die Homepage der Voltaire-Gesamtschule geschrieben hat. Das Thema beschäftigt sie schon seit einigen Jahren, seitdem sie das Buch „Julians Bruder“ von Klaus Kordon gelesen hat und davon tief bewegt war. Die Geschichte zweier Jungen im Berlin der Kriegszeit, einer von ihnen Jude, habe sie richtig mitgenommen. Das Interesse war geweckt. Sie fuhr ins ehemalige Konzentrationslager Ravensbrück und besuchte dort einen viertägigen Workshop mit Überlebenden. Am Abschlussabend folgte ein weiteres Schlüsselerlebnis: Eine der ehemaligen Häftlinge erhob sich aus ihrem Rollstuhl, wandte sich tränenüberströmt an die Teilnehmer mit der Bitte, alles dafür zu tun, dass das nie wieder passiert. Eine Aufforderung, die Judith Haack als Botschaft sehr ernst nahm – und die den Wunsch weckte, weiter an dem Thema dranzubleiben.

Ab September führt es sie bis nach Russland. Ein Jahr lang wird sie in Sankt Petersburg als Freiwillige mit Überlebenden von Konzentrationslagern oder Ghettos arbeiten. „Eigentlich wollte ich nach Israel, weil dort das Judentum noch so lebendig ist“, erzählt die 18-Jährige. Doch den Platz bekam sie nicht. Dafür bot ihr die „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“ – die Organisation, bei dir sie sich vor etwa einem Jahr beworben hatte – an, nach Sankt Petersburg zu gehen. Judith Haack nahm an. „Russland ist eher kein Urlaubsland, ich war noch nie dort. Es ist ganz anders, auch eine andere Mentalität, das finde ich sehr spannend.“

In Sankt Petersburg wird sie drei oder vier jüdische ehemalige Häftlinge in offener Altenarbeit unterstützen. Also Zeit mit ihnen verbringen, auch mal im Haushalt helfen oder mit ihnen zu kulturellen Veranstaltungen gehen. „Die persönliche Arbeit von Mensch zu Mensch spricht mich an.“ Die junge Frau mit dem kurzen, rötlichen Haar, das sie alle paar Minuten mit der Hand durchwuschelt, wirkt energiegeladen. Angst? Nein, eher Vorfreude, Aufregung. Am 1. September geht ihr Dienst los. Bis dahin steht noch ein Russischkurs auf dem Programm – bisher hat sie nur einige Worte mit einer App gelernt.

Auch mehrere „Paten“ fehlen ihr noch. Denn die „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“ übernimmt zwar den größten Teil der Kosten für das freiwillige soziale Jahr – Flug, Unterkunft und ein monatliches Taschengeld –, doch knapp 1000 Euro muss Judith Haack selbst beitragen und außerdem 15 Paten finden, die sie mit je 15 Euro pro Monat unterstützen. Im Gegenzug berichtet sie ihnen regelmäßig von ihrer Arbeit vor Ort. Dazu will sie einen Blog schreiben. Die Hälfte der Paten hat sie schon gefunden, die andere Hälfte sucht sie noch.

Das Engagement in Russland ist für sie eine willkommene Gelegenheit, um rauszukommen aus Potsdam. Ausziehen von zu Hause, etwas anderes sehen, das spielt eine wichtige Rolle. Auch ihre sieben Jahre ältere Schwester war nach dem Abitur für ein FSJ in Ungarn. „Seither war klar: Das will ich auch machen!“, erzählt sie. Doch es geht ihr auch darum, sich selbst kennenzulernen. „Ich habe so viele Interessen, es kommt so vieles infrage. Dieses Jahr ist für mich auch eine Gelegenheit, herauszufinden, was ich danach machen möchte.“ Studieren, ja, aber was? „Die soziale Richtung interessiert mich, aber das allein würde mir nicht genügen. Ich suche ein stärkeres Engagement.“ Deshalb kann sie sich derzeit vorstellen, Geschichte oder Politik und Pädagogik zu studieren. Und anschließend, um den Kreis wieder zu schließen, vielleicht selbst Workshops anzubieten zum Thema Holocaust.

Patenschaft unter www.asf-ev.de/de/spenden/freiwilligen-patenschaften

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