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In Reih und Glied. Insgesamt 172 Skulpturen hat die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten restauriert. Im Ehrenhof wird in den nächsten drei Wochen eine Gruppe wieder aufgestellt.

© A. Klaer

Restauration am Neuen Palais: Wenn Götter umziehen

Am Neuen Palais sollen in drei Wochen 172 restaurierte Skulpturen wieder an ihrem Platz stehen. Die gesamte Restaurierung kostet rund 1,6 Millionen Euro.

Von Valerie Barsig

Sanssouci - Mehrere Seile sind um ihren Körper geschlungen, oben hängt sie fest am Haken eines Krans. Er soll ihren gut 800 Kilo schweren Sandsteinkörper zurück an ihren Platz im Schatten des Ehrenhofs des Neuen Palais heben: Im Park Sanssouci kehren die Götter und ihr Gefolge zurück. Mit Zirkel, Senklot und einem Planbrett in ihrer Hand steht die Skulptur am Kran als Allegorie für die Baukunst. Zum Schutz stopft Robert Kannis vom Fachbereich Skulpturenrestaurierung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) noch kleine Matten an die Stellen, an denen das Seil am Sandstein der Skulptur drücken könnte. Dann schwebt sie ein paar Meter nach oben auf den Sockelumgang des Neuen Palais und auf ihren erhöhten Platz auf dem Postament. Lautlos wird der zweieinhalb Meter hohe Koloss abgesetzt. Am gestrigen Mittwoch lud die SPSG zum Auftakt der nun folgenden Arbeiten zur Wiederaufstellung der Figuren.

Insgesamt 172 Skulpturen auf dem Sockelumgang rund um das Neue Palais hat die Schlösserstiftung seit 2013 in Gruppen von etwa 30 bis 40 restaurieren lassen. Im Herbst 2016 kehrte die erste Gruppe im nördlichen Bereich des Palais wieder auf ihre Postamente zurück, im Herbst dieses Jahres soll die gesamte Maßnahme abgeschlossen sein. Kostenpunkt: Rund 1,6 Millionen Euro, finanziert aus dem Masterplan der Bundesregierung und den Ländern Brandenburg und Berlin zur Rettung bedeutender Denkmäler der Berliner und Potsdamer Schlösserlandschaft.

Bezüge zur griechischen Mythologie

„Die jetzige Gruppe zeigt die Geschichte von Pyrrha und Deukalion“, erklärte Saskia Hüneke, Kustodin der Skulpturensammlung der SPSG, am gestrigen Mittwoch. In der griechischen Mythologie war es das Paar, das nach einer großen Sintflut die Erde wieder bevölkerte. Die Geschichte weist Parallelen zur biblischen von Noah und seiner Arche auf. In der Sage müssen Pyrrha und Deukalion Steine über ihre Schultern werfen, um ein neues Menschengeschlecht entstehen zu lassen. Aus Deukalions Steinen wurden Männer, aus Pyrrhas Frauen. Auch der Zeussohn Deukalion, erkennbar an einem Beutel voller Steine, wurde gestern zusammen mit sechs weiteren Sandsteinskulpturen wieder aufgestellt. Bis zu acht sind laut den Restauratoren an einem Tag zu schaffen.

Die ganze Skulpturengruppe nimmt Bezug auf den dahinterliegenden Gebäudeteil – den Theaterflügel. Sie zeigt neben der antiken Heldengeschichte von Pyrrha und Deukalion den Siegeszug der Künste. Im 18. Jahrhundert wurde das ikonographische Programm von mehreren Bildhauern an der Fassade des 1769 fertiggestellten Schlosses in Stein gemeißelt – in nur sieben Jahren entstanden neben Szenen aus der griechischen Mythologie Hommagen an die Weiblichkeit, Krieg und Kunst.

Wie viel die Restaurierung einer einzelnen Figur kostet, will Robert Kannis vom Fachbereich Skulpturenrestaurierung nicht verraten. Je nach Skulptur und ihrer Reparaturbedürftigkeit schwanke auch der Preis.

Der Kampf gegen Salz, Moos, Algen und Flechten

Das größte Problem, mit dem die Restauratoren zu kämpfen haben, ist der Elbsandstein, aus dem die meisten Skulpturen bestehen. Der Wasserhaushalt muss laut Angaben der SPSG „optimiert werden“. Das heißt: Die Oberfläche der Figuren muss möglichst geschlossen sein, damit Regenwasser und Feuchtigkeit von den Figuren ablaufen können und gleichzeitig muss die Oberfläche so bearbeitet sein, dass eindringendes Wasser wieder ausdampfen kann. An einigen Skulpturen mussten außerdem ganze Stücke ersetzt werden. Was außerdem an ihnen nagt: Salz, Moos, Algen und Flechten.

Es ist nicht die erste Restauratorengeneration, die über die Skulpturen des Neuen Palais wacht: Einige der Statuen wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahrhunderten bereits kopiert und ersetzt, mindestens aber überarbeitet. Unterscheiden kann man alt und weniger alt durch die Patina: Was dunkel ist, sind die Originalskulpturen, die Kopien sind heller. Eigentlich ist für den Erhalt der Skulpturen ein Zyklus von rund 30 Jahren vorgesehen – so ganz einhalten konnte man das nie. Von 1970 bis zum Jahr 2000 erfolgte die letzte Restaurierungsphase, in der bis auf 16 Statuen alle Objekte im Erdgeschoss wieder aufgefrischt wurden. Die Abnahme der Statuen jetzt erfolgte in einem Zuge mit der Restaurierung des Sockelumgangs des Neuen Palais. Während der Restaurierung der Skulpturen in der Werkstatt wurde an ihren Postamenten gearbeitet, den Sandsteinplatten der Sockel und den Platten und Stufen des Umgangs des Neuen Palais. Jetzt ist er vor eindringender Feuchtigkeit geschützt.

Insgesamt gibt es 267 große Skulpturen am Neuen Palais

Es sind längst nicht alle Skulpturen, über die die Restauratoren am Neuen Palais wachen müssen: Das Schloss ist mit rund 267 überlebensgroßen Skulpturen und 196 Putten reich ausgestattet. Friedrich der Große gab den Bau nach dem Siebenjährigen Krieg 1763 beim Architekten Johann Gottfried Büring in Auftrag. Das Barockschloss errichtete er für seine Gäste. Ihnen standen 200 Räume, vier Festsäle und ein Rokokotheater zur Verfügung. Kaiser Wilhelm II. machte es 1888 zu seiner Sommerresidenz.

Wer in den nächsten drei Wochen am Neuen Palais vorbeispaziert, kann sich den Wiedereinzug der Götter ansehen, denn erst Anfang Mai werden alle von ihnen wieder an ihrem Platz stehen.

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