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Restaurantbesuch: Falafel vom Zahnarzt

Mohammad Alsulaiman betreibt das „De Lewante“, Potsdams derzeit einziges arabisches Restaurant, in dem Köstlichkeiten von der Ostküste des Mittelmeeres angeboten werden.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Ein kleiner Klecks Auberginenmus auf der einen, ein großer Klecks Hummus auf der anderen Seite; in der Mitte Petersilien-, Bohnen- und Couscous-Salat, dazu Falafel, Halloumi-Käse und über allem in lange Streifen geschnittenes Grillgemüse – die vegetarische Platte im „De Lewante“ ist ein kleines Kunstwerk. Und eines, das schmeckt: Der Falafel ist kross, die Salate aromatisch, der Hummus samtig. Und das, obwohl der Mann, der hinter Potsdams einzigem arabischen Restaurant steckt, eigentlich gar kein Gastronom ist.

Denn Mohammad Alsulaiman ist eigentlich Zahnarzt. In Syrien hat er diesen Beruf erlernt und ihn dann in seiner Heimat und in Saudi-Arabien jahrelang praktiziert. Eigentlich wollte er auch in Deutschland, wo er seit 2013 mit seiner Frau und seinen acht und zehn Jahre alten Kindern lebt, als Zahnarzt arbeiten, doch die Approbation stellte sich als derart schwierig und langwierig heraus, dass der 47-jährige Kurde irgendwann die Geduld verlor. „Ich habe mich wie ein Rentner gefühlt, der nur zu Hause sitzt“, sagt er in fast perfektem Deutsch. Drei Anläufe brauchte Alsulaiman alleine für das Fachsprachenzertifikat, jetzt wartet er auf die Zulassung zur Approbationsprüfung. Ob er sie überhaupt machen wird, wenn es soweit ist, weiß er noch nicht. „Vielleicht melde ich mich nochmal ab und verschiebe es“, sagt er. Schließlich darf die Prüfung, die seinen Angaben zufolge rund 2000 Euro kostet, nur einmal wiederholt werden. Wenn er sie zweimal nicht besteht, wird er in Deutschland nie als Arzt arbeiten dürfen. Und erstmal hat er jetzt in seinem neuen Restaurant alle Hände voll zu tun.

Am 11. März 2019 hat Mohammad Alsulaiman das „De Lewante“ in der Gutenbergstraße 103 geöffnet. Seitdem stand er so gut wie jeden Tag von morgens bis abends in seinem Laden. Um 12 Uhr wird „De Lewante“ geöffnet, bis etwa 23 Uhr wird bedient. Mit Einkäufen, Vor- und Nachbereitungen ein sehr langer Tag. Erst vor Kurzem hat Alsulaiman den Montag als Ruhetag eingeführt.

Doch der Stress begann für ihn schon weit vor der Eröffnung. Denn nicht nur geeignete Räume wollten gefunden werden, auch unzählige Genehmigungen mussten eingeholt und Kapital beschafft werden. Von der Bank hatte Alsulaiman als Sozialhilfeempfänger wenig zu erwarten, also bat er Freunde und Familie um Kredit. Außerdem kaufte er so viel wie möglich gebraucht und machte im Restaurant alles selbst oder mit der Hilfe seiner Familie: Renovieren, Einbauen, Streichen – in nur einem Monat schaffte er es, aus dem asiatischen ein orientalisches Restaurant zu machen. Sogar die aufwendigen grafischen Muster pinselte er selbst auf die Wände – eine Heidenarbeit.

Bei den bürokratischen Hürden bekam Alsulaiman Unterstützung vom Lotsendienst für Migranten in der Schiffbauergasse. Dort werden Ausländer bei der Gründung eines Unternehmens beraten. Für die Migranten ist das kostenlos, die Gelder kommen vom Europäischen Sozialfonds und dem Land Brandenburg.

In Alsulaimans Fall ging es ganz konkret um den Pachtvertrag, den er mit dem vietnamesischen Mieter des Lokals in der Gutenbergstraße abgeschlossen hat. „Den sind wir immer und immer wieder durchgegangen und haben ihn abgeändert, um hier möglichst alle Fallstricke für ihn herauszunehmen“, erinnert sich Elzbieta Barwinska-Hohenberger vom Lotsendienst. Sie setzt große Hoffnungen in den Erfolg von „De Lewante“. „Herr Alsulaiman ist sehr intelligent und ein Workaholic. Das sind ziemlich gute Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein“, findet die Beraterin. Dass er selbst vorher noch kein Restaurant geführt hat, betrachtet sie in Alsulaimans Fall nicht als Problem. Schließlich hätten sein Bruder und sein Cousin ein Restaurant in Berlin, wo er auch schon mitgeholfen habe und Erfahrungen sammeln konnte. Und er kann auf die Unterstützung seiner Frau und seiner Neffen Monzer und Hani setzen, die im „De Lewante“ in der Küche helfen.

Doch nicht alle, die eine Gründungsidee haben, werden durch den Lotsendienst unterstützt, betont Barwinska-Hohenberger. „Wir haben ja den Auftrag, die Fördergelder sinnvoll zu investieren.“ Vor allem Imbissbuden, Transportunternehmen, Kosmetikstudios und Friseursalons wurden in den vergangenen Jahren mit Hilfe des Lotsendienstes gegründet, aber auch zahlreiche Einzelhandelsgeschäfte.

Oft sind Regeln nicht bekannt

Neben Sprachkenntnissen und fehlendem Kapital sind es auch oft kaufmännische Defizite und eine Unkenntnis der Rechtslage, die den Migranten im Weg stünden, erklärt Barwinska-Hohenberger. „Wenn Sie in Syrien ein Restaurant eröffnen möchten, schütteln Sie dem Vermieter die Hand und legen los.“

So ähnlich erzählt es auch Alsulaiman. In Deutschland gibt es für alles Regeln: für die Anzahl der Tische auf dem Gehweg, den Abstand des Schildes von der Hauswand, die Nummer, die auf dem Beleg stehen muss – ganz zu Schweigen von den Anforderungen des Gesundheitsamtes. „In Syrien gibt es all diese Regeln vielleicht auch, aber es interessiert sich keiner dafür“, sagt er lachend. Aber er will sich nicht beschweren, er habe in Potsdam viel Hilfe bekommen. Und meist bekam er bei ungeahnten Verstößen gegen eine der vielen Regeln nicht gleich eine Strafe, sondern erstmal einen Hinweis.

Mittlerweile hat sich alles einigermaßen eingespielt im „De Lewante“, auch Gäste kommen immer mehr. „Die ersten beiden Tage kam kein einziger Mensch“, erinnert sich Alsulaiman. Denn das Restaurant liegt zwar in der bekannten Gutenbergstraße, aber am weniger belebten Ende zwischen Linden- und Hermann-Elflein-Straße. Doch mittlerweile läuft es ganz ordentlich, vor allem das Mittagsangebot, bei dem alle Speisen inklusive Getränk sieben Euro kosten, wird gut angenommen. Bei diesem Preis mache er zwar fast keinen Gewinn, sagt Alsulaiman. Aber sein Restaurant werde dadurch bekannter.

Wenig Fett, viel Gemüse und viele Hülsenfrüchte

Auf der regulären Karte variieren die Preise: von Okraschoten für 7,50 Euro über arabischen Reis mit Kebab für 16 Euro bis zu kurdischen Teigtaschen für 20 Euro. Als Levante wird übrigens die Region an der Ostküste des Mittelmeeres bezeichnet, also Syrien, Libanon, Israel, Jordanien und die palästinensischen Autonomiegebiete. „Viele unserer Gerichte werden von Israelis, Palästinensern oder Syrer gleichermaßen als Nationalgerichte betrachtet“, sagt Alsulaiman zur Erklärung. Er will sich nicht auf eine Nation beschränken, sondern auf die Küche aus eben dieser Region. Für Alsulaiman zeichnet sich die levantinische Küche vor allem durch drei Dinge aus: wenig Fett, viel Gemüse und viele Hülsenfrüchte. Wie das Kunstwerk auf dem Teller eben.

Das „De Lewante“ befindet sich in der Gutenbergstraße 103. Außer montags hat es immer von 12 bis 0 Uhr geöffnet. www.delewante.de

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