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Restaurant wird Krankenkasse: Zugang über den Fasseinwurf

Ins frühere Domizil vom „Gastmahl des Meeres“ am Brandenburger Tor in Potsdam zieht bald die Krankenlasse AOK Nordost. Das Haus wird derzeit aufwendig restauriert.

Potsdam - Die Adresse ist vielen noch bekannt als Fischrestaurant der DDR-Gastronomiekette „Gastmahl des Meeres“ – ab September wird die Krankenkasse AOK Nordost das Gebäude an der Ecke Brandenburger Straße und Schopenhauerstraße beziehen. Das denkmalgeschützte Barockhaus in zentraler Lage am Brandenburger Tor, es handelt sich genau genommen um zwei miteinander verbundene Gebäude, die mit den benachbarten Häusern früher ein Stadtpalais gebildet haben, wird dafür momentan restauriert und zum modernen Bürohaus verwandelt. Am 3. September soll dort auch das Servicecenter für Kunden eröffnen. Die Kasse betreut allein in der Landeshauptstadt nach eigenen Angaben 26 100 Versicherte.

Spezielles Fensterglas, damit die Scheiben aussehen wie von früher

Details zur aufwendigen Restaurierung erläuterten Vertreter der AOK Nordost sowie Bauleiter Michael Girnus vom Berliner Ingenieurbüro Jessen am Donnerstag bei einem Vor-Ort-Termin. Das Haus musste entkernt werden, eine neue Stahlrahmenkonstruktion sorgt nun für Stabilität, wie Girnus erklärte. Bei der Sanierung seien Belange des Denkmalschutzes, der Barrierefreiheit und des Brandschutzes berücksichtigt worden.

Zum Beispiel bei den Bogenfenstern im Hochparterre: Die alten DDR-Fenster habe man herausgenommen und neue Fenster anfertigen lassen – mit einem Spezialglas, betonte Girnus. Schaut man durch die Scheiben nach draußen, bemerkt man wellenförmige Unregelmäßigkeiten, wie es sie in modernem Fensterglas nicht gibt. Es handele sich um sogenanntes maschinengezogenes Glas, eine alte Technik, die heute nur noch für Restaurierungsglas genutzt wird, erklärte Girnus. Der Unterschied soll auch von außen spürbar sein: Denn das Glas reflektiere Licht anders als moderne Scheiben. Auch die Fensterrahmen wurden in einem komplizierten Verfahren mit Leinölfarbe gestrichen. „Wie vor 250 Jahren“, sagte Jörn Freitag, bei der AOK Nordost zuständig für den Bereich Immobilien. Eine Farbschicht brauche dabei bis zu vier Wochen Zeit zum Trocknen.

Der frühere Einwurf für Bierfässer wurde der barrierefreie Eingang

Einfallsreichtum war bei der Lösung des barrierefreien Zugangs zu dem Haus gefragt, berichtete Freitag. Am Haupteingang auf der Seite zur Brandenburger Straße hin sei eine Rampe oder ähnliches aus verschiedenen Gründen nicht möglich gewesen. Die Lösung bot sich schließlich an der Stelle des historischen „Fasseinwurfs“ zur Schopenhauerstraße hin. Diese Öffnung, über die die früheren Bewohner ihre Bierfässer in Richtung Keller werfen konnten, sei zu einem zweiten Eingang vergrößert worden und dort könne ein Hebelift angebracht werden.

Im Hochparterre wurden Deckenbalken aus der Entstehungszeit des Hauses erhalten, der Fliesen- und PVC-Boden aus der Gaststättenzeit durch ein edles Eichenholzparkett ersetzt. Auf dem Remisengebäude soll es ein begrüntes Dach geben: „Das ist gut für das Mikroklima in der Stadt“, sagte Girnus. Insgesamt kann die Krankenkasse an der neuen Adresse künftig 857 Quadratmeter Fläche nutzen. Das sei weniger als an den beiden derzeitigen Standorten in der Friedrich-Ebert-Straße und in der Behlertstraße, die mit dem Umzug aufgegeben werden, sagte Freitag. Auch die Miete sei niedriger als vorher. Die Kosten für die Sanierung, die Bauleiter Girnus auf rund 2,9 Millionen Euro bezifferte, trage der Eigentümer des Gebäudes, die Brennert Gbr.

Im Spätherbst startet die AOK die digitale Gesundheitsakte auch in Potsdam

In den historischen Räumen will die Kasse, die in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern 1,8 Millionen Mitglieder zählt, erstmals ein neues Konzept anbieten: Neben der herkömmlichen Beratung sollen die Kunden einfachere Anliegen auch an Selbstbedienungsstationen lösen können – bei Bedarf mit Unterstützung. Dort könnten etwa Auslandskrankenscheine ausgedruckt oder eine Adressänderung angegeben werden können, sagte Christian Klose, bei der Kasse für Digitales zuständig. So wolle man die Kunden an die verschiedenen digitalen Angebote wie das Internet-Kundenportal oder Apps fürs Smartphone heranführen. Über Videowände und in einem Lounge-Bereich soll es zudem Infoangebote geben. Weniger Mitarbeiter sollen es aber nicht werden, betonte Sabine Merboth, die Niederlassungsleiterin in Potsdam.

In der zweiten Herbsthälfte werde man in Potsdam auch die digitale Gesundheitsakte starten, kündigte Klose an. Dabei sollen wichtige Informationen unter anderem zu Diagnosen und verschriebenen Medikamenten unkompliziert verschiedenen Ärzten zur Verfügung gestellt werden – der Patient könne dabei selbst bestimmen, wer welche Daten bekomme, betonte Klose. Ein entsprechendes Pilotprojekt startete die Kasse im Frühjahr in Mecklenburg-Vorpommern. Für Potsdam habe man bereits ein großes Krankenhaus als ersten Kooperationspartner gewinnen können.

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