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Rechtsextremisten aus der Reichsbürgerszene demonstrierten am Neuen Palais für die Rückkehr zur Monarchie.

© Andreas Klaer

"Reichsbürger" in Potsdam: Rechtsextremisten wollen den Kaiser zurück

Rund 150 "Reichsbürger" demonstrierten am Samstag in Potsdam für eine Rückkehr ins Kaiserreich. Neben zahllosen Reichsfahnen hatten sie auch Schreibmaschinen mitgebracht.

Potsdam - Etwa 150 Rechtsextremisten haben am Samstag in der Nähe des Neuen Palais am Park Sanssouci für eine “Wiederauferstehung des Deutschen Reichs” demonstriert. Viele Teilnehmer schwenkten schwarz-weiß-rote Reichsfahnen, einige trugen Symbole des US-amerikanischen Verschwörungskultes QAnon, einer ein Sweatshirt der Rechtsrockband “Kategorie C”. Rund 70 linke Gegendemonstranten protestierten gegen den kruden Aufmarsch.  

Veranstalter war der rechtsextreme Aktivist Frank Radon aus Berlin, der diverse Kanäle in den sozialen Netzen betreibt. Radon ist bereits seit Jahren in der so genannten "Reichsbürgerszene" aktiv. Deren Anhänger glauben, dass die Bundesrepublik kein rechtmäßiger Staat sei. Ein Teil von ihnen wünscht sich, dass Deutschland zur Monarchie zurückkehren solle. Radon fordert: Georg Friedrich Prinz von Preußen, Nachfahre des letzten deutschen Kaisers und Chef des heutigen Hauses Hohenzollern, solle als “Friedenskaiser” regieren. 

Preußen-Prinz zeigt "Reichsbürgern" die kalte Schulter

Im Vorfeld hatte Radon den Preußen-Prinz sogar um seine Teilnahme gebeten. Der Hohenzollern-Erbe fühlte sich aber offensichtlich keineswegs geehrt und kam nicht. Stattdessen distanzierte er sich in einem Gespräch mit dem Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) deutlich von den "Reichsbürgern" und ihren Forderungen.

Doch die ließen sich von der Wirklichkeit nicht beirren und führten ihre Veranstaltung trotzdem durch. Die Teilnehmer reisten aus dem gesamten Bundesgebiet an. Der Anmelder fabulierte in einer Rede: Nur Georg Friedrich Prinz von Preußen könne einen “Friedensvertrag” unterzeichnen, der dringend gebraucht werde. Denn das sei der “Schlüssel zum Weltfrieden”. 

Der Redner Hartmut Issmer gab sich daraufhin nostalgisch: "Das Kaiserreich war die glanzvollste Zeit der deutschen Geschichte", rief er zur Begeisterung der Anwesenden. Im Reich habe es mehr Freiheit gegeben als in der "Merkel-Diktatur". Der hessische Bauingenieur Issmer tritt regelmäßig auf verschwörungsideologischen Demonstrationen auf. 

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Ein weiterer Redner, der sich nur “Thomas” nannte, brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, Donald Trump und Wladimir Putin könnten gemeinsam “unsere Rettung” sein und das Deutsche Reich wiederherstellen. 

Mit Schreibmaschinen ins Kaiserreich

In einem Pavillon am Rand der Veranstaltung wurden unterdessen fragwürdige Dokumente ausgestellt. An Klapptischen hatten die Organisatoren Schreibmaschinen aufgebaut. Mit denen füllten zwei Frauen kopierte Zettel aus. Dabei handelte es sich offenbar um selbst gebastelte “Anträge” für Pseudo-Ausweise. 

Im Vorfeld hatte Frank Radon in Chatgruppen beim Messengerdienst Telegram die Mär verbreitet, dass solche Dokumente ihren Träger rechtskräftig zum" Bürger des Reiches" machen würden, sodass die Gesetze der Bundesrepublik für diesen Menschen nicht mehr gelten würden. Allerdings nur, wenn die entsprechenden Formulare mit einer dieser Schreibmaschinen ausgefüllt würden.  

Zahlreiche Teilnehmer gingen auf das verschrobene Angebot ein. Es bildete sich sogar eine kleine Schlange vor den Bearbeiterinnen, die die Personalien mit ernsten Mienen aufnahmen und abtippten. Länger war nur die Schlange am Imbissstand gegenüber, wo es Bratwurst mit Pommes gab. Außerdem wurden schwarz-weiß-rote Wolllmützen für die kalte Jahreszeit verkauft. 

Etwa 70 Gegendemonstranten

Von der Gegenkundgebung schallten unterdessen Rufe wie “Haut ab!” herüber. Polizisten trennten beide Gruppen voreinander. Auch Iris Burdinski, Mitglied des Linke-Kreisvorstandes, demonstrierte gegen den Aufmarsch der "Reichsbürger". “Eigentlich wollte ich diesen Verschwörungsideologen heute mit Satire begegnen”, sagte sie den PNN. Aber vor Ort sei ihr das Lachen ein wenig vergangen. “Das sind beinharte Nazis.” Sie finde es schade, dass nicht mehr Gegendemonstranten gekommen seien, sagte Burdinski.  

In der Reichsbürgerszene kommen Verschwörungsfantasten und rechte Esoteriker unterschiedlicher Couleur zusammen.
In der Reichsbürgerszene kommen Verschwörungsfantasten und rechte Esoteriker unterschiedlicher Couleur zusammen.

© Andreas Klaer

Auch “Die Partei” beteiligte sich an den Gegenprotesten, ließ sich den Humor aber nicht nehmen. Partei-Politikerin Bettina Franke forderte, selbst zur Kaiserin gekrönt zu werden. Allerdings wolle sie sich den Titel mit einigen Parteifreundinnen teilen. “Wir wollen mehr Kaiserinnen wagen”, sagte Franke, die im kommenden Jahr auf der Landesliste für den Bundestag kandidieren möchte. 

Das Bündnis „Potsdam! bekennt Farbe“ hatte eine Graffittiwand aufgestellt mit Slogans gegen Rechtsextremismus. Die Gegendemonstranten trugen Masken und hielten größtenteils Abstände ein. Auf der Seite der "Reichsbürger" war das nicht immer der Fall. Die Polizei ermahnt einige Teilnehmer. Doch nicht wenige von ihnen zeigten ärztliche Atteste vor, um zu belegen, dass sie aus gesundheitlichen Gründen keine Masken tragen könnten. Ob auch diese Atteste mit Schreibmaschinen ausgestellt wurden, ist nicht bekannt. 

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