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Sklettfund an der Villa Kellermann am Heiligen See in Potsdam.

© Ottmar Winter

"Regelrechter Krimi": Rätsel um Skelett am Heiligen See

Der Tote, dessen Überreste an der Villa Kellermann gefunden wurde, war vermutlich Soldat der Roten Armee. Die Indizien sprechen dafür, doch eine Sache lässt Raum für Spekulationen.

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Potsdam - Der Tote vom Heiligen See, dessen Skelett Montagmorgen auf einer großen Gartenfläche neben der Villa Kellermann bei Gartenarbeiten ausgegraben worden ist, war offensichtlich Soldat der Roten Armee. Für Experten der Kriminalpolizei, des Kampfmittelbeseitigungsdienstes und der unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt sind etliche Patronenhülsen, die in der Nähe der Knochen gefunden wurden, klare Indizien dafür, dass die menschlichen Überreste zu einem Rotarmisten gehören. Nach ihrer Einschätzung liegen die Skelettteile seit Ende des Zweiten Weltkriegs dort.

Mitarbeiter des Berliner Garten- und Landschaftsbauunternehmens Ingo Bauditz hatten in den vergangenen Tagen auf dem Gelände Birken, Felsenbirnen und Strauchkastanien gepflanzt. Die Grünfläche direkt am Heiligen See gehört zur Villa Kellermann, in der Sternekoch Tim Raue Anfang September ein neues Restaurant eröffnete. Eigentümer der Villa ist TV-Moderator Günther Jauch, der in der Nähe wohnt.

Jauch hält sich zurzeit in Köln auf. Auf Anfrage der PNN sagte er, er wisse nichts über die Umstände des Fundes. Er habe nicht vor, das Grundstück auf weitere Skelette überprüfen zu lassen.

"Ein bisschen gruselig"

Es war kurz nach 8 Uhr, als die Landschaftsgärtner nahe dem schmiedeeisernen Tor zum Garten das Erdreich mit einem Mini-Bagger aufwühlten. In etwa 30 Zentimetern Tiefe trat plötzlich ein menschlicher Unterschenkelknochen zu Tage. Dann legten sie einen Schädel, weitere Knochen und Patronen frei.

„Man findet bei unserer Arbeit immer wieder Knochen und Munition in Berlin und Umgebung“, sagte Gärtner Hans Block den PNN, „aber das ist schon immer ein bisschen gruselig.“ Zumeist handele es sich um gefallene Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg.

Als sie aber auch einen augenscheinlich zu dem Skelett gehörenden Schädel entdeckten, informierten die Landschaftsgärtner umgehend die Polizei. Kriminaltechniker und Beamte des Kriminaldauerdienstes stellten die Knochen sicher, Mitarbeiter des Kampfmittelräumdienstes nahmen die Patronen zur Analyse mit.

Der Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge werde die Skelettteile bestatten, so die Polizei. Zuvor prüfe die Staatsanwaltschaft, ob die Knochen gerichtsmedizinisch untersucht werden sollen.

Ungeklärt sind bisher die Umstände, unter denen der Soldat der Roten Armee ums Leben gekommen ist. Die Fronten der Roten Armee und der Wehrmacht standen sich am 26. und 27. April 1945 im Potsdamer Zentrum gegenüber, aber auch in den Tagen danach sei es „an mehreren Orten der Stadt zu Scharmützeln gekommen“, sagt Hannes Wittenberg, stellvertretender Direktor des Potsdam Museums, das noch bis Sonntag die Ausstellung „Potsdam unter dem Roten Stern“ zeigt. Von Gefechten am Heiligen See zu dieser Zeit sei jedoch „nichts bekannt“.

Die Identifizierung von gefallenen Soldaten der Roten Armee sei stets schwierig gewesen, so Wittenberg, weil sie im Gegensatz zu Kämpfern anderer Armeen keine Erkennungsmarken mit ihrem Namen und der Nummer des Wehrpasses getragen hätten. Aus diesem Grund seien etliche der 400 Rotarmisten, die auf dem Soldatenfriedhof am Bassinplatz bestattet wurden, namenlos geblieben.

Experten begutachteten den Fund noch vor Ort.
Experten begutachteten den Fund noch vor Ort.

© Ottmar Winter

Ein "regelrechter Krimi"

Ihn stimme nachdenklich, sagte Wittenberg den PNN am Montag auf Anfrage, dass bei dem Rotarmisten weder ein Helm noch Kleidung gefunden worden sei. Das deute darauf hin, dass der Soldat wie etliche seiner Kameraden bei Kriegsende möglicherweise zivile Kleidung in Wohnungen und Häusern Potsdamer Bürger gestohlen und dann getragen habe. Bekannt sei der Fall eines Russen vom Schillerplatz in der Brandenburger Vorstadt. Der Soldat habe in Zivil ein Reinigungsmittel getrunken, das er für Wodka hielt und sei daran gestorben.

Potsdamer Bürger hätten den Leichnam sogleich vergraben. Sie hätten Angst davor gehabt, in Verdacht zu geraten, den Russen getötet zu haben. „Es ist eine gewagte Theorie, eine Spekulation, aber auch regelrechter Krimi“, sagte Wittenberg, „aber es ist gut möglich, dass der Tote vom Heiligen See aus ähnlichen Gründen vergraben wurde.“ Denn üblicherweise hätten Kameraden der Roten Armee ihre Toten stets mit einem Holzkreuz und dem Helm bestattet.

Wechselvolle Geschichte

Die Villa Kellermann wurde 1914 für den königlich-preußischen Zeremonienmeister Wilhelm von Hardt gebaut, der sie in bester Potsdamer Wohnlage unter anderem mit einem Speisenaufzug, einem Fahrstuhl und einer Tankstelle im Garten ausstatten ließ. Während der Weimarer Republik gehörte die Villa dem jüdischen Bankier Emil Wittenberg, der von den Nazis enteignet wurde.

Ein Grab auf dem Friedhof am Bassinplatz in Potsdam.
Ein Grab auf dem Friedhof am Bassinplatz in Potsdam.

© Andreas Klaer

Bis Kriegsende residierte die Heeresleitung der Wehrmacht dort, danach zog der DDR-Kulturbund ein. Bis zum Mauerfall trafen sich Intellektuelle, Schriftsteller und andere Künstler am Heiligen See, ab 1988 kam die Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung in dem Gebäude zusammen.

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