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Grüne Grenze. 20 Jahre nach dem Mauerfall haben einige Eigentümer den Uferweg am Griebnitzsee wieder geschlossen. Mit Baggern und vom Wasser aus hat ein Eigentümer seinen Garten bis zum See erweitert, den Uferweg beseitigt und Gras gesät. Oberbürgermeister Jakobs besichtigte das Geschehen vom Wasser aus.

© Andreas Klaer

REAKTIONEN ZUM UFERWEG: Neues Sperrgebiet am Griebnitzsee

Im Streit um den Griebnitzsee-Uferweg haben Eigentümer Tatsachen geschaffen und den Weg geschlossen

Hans-Jürgen Scharfenberg (Die Linke). „Das ist ein schlimmes Signal im zwanzigsten Jahr nach der Wende. Dieser unhaltbare Zustand muss schnell wieder beendet und der Uferweg wieder frei zugänglich gemacht werden. Jetzt ist der Zeitpunkt erreicht, um Enteignungsverfahren einzuleiten. Außerdem setze ich mich dafür ein, den Potsdamern im Rahmen eines Bürgerbegehrens die Möglichkeit zu geben, sich mit ihrer Unterschrift für die dauerhafte Sicherung des freien Uferweges einzusetzen.“

Mike Schubert (SPD): „Das ist ein schwarzer Tag für den Gemeinsinn in unserer Stadt. Die Aussage der Anrainer, sie wollten lediglich juristisch klären lassen, ob der Uferweg rechtens wäre, ist vor dem Hintergrund der neuerlichen Eskalation nun wenig glaubwürdig. Ich schlage vor, die Bürgerinnen und Bürger von Potsdam beim weiteren Vorgehen der Stadt am Griebnitzsee mitbestimmen zu lassen. Ob als Bürgerbegehren, als Befragung wie beim Landtag oder in anderer Form, muss man noch klären.“

Eva Benischrke (Bündnis 90/Die Grünen). „Meiner Meinung nach sollte die Stadt sich jetzt nicht auf weitere kostspielige Prozesse einlassen. Stattdessen sollte die Möglichkeit geprüft werden, den Uferweg auf einem Steg über dem Wasser an den acht betreffenden Grundstücken vorbeizuführen.“

Steeven Bretz (CDU). „Die Situation ist schon vor anderthalb Jahren durch falsches Agieren der Verwaltung gescheitert. Jetzt muss man endlich zur Vernunft zurückkehren. Die Drohung der Enteignung ist aus meiner Sicht ein falsches Signal. Es ist ein Geschütz, das Verhandlungsspielräume in dieser Situation unmöglich macht. Vielmehr sollte der Oberbürgermeister auf die Eigentümer zugehen. Schon bisher hat die latente Drohung der Enteignung seitens der Rathausspitze mehr geschadet als genutzt. jab

Babelsberg - Es ging alles sehr schnell. Am Freitag gab es ein Angebot von Oberbürgermeister Jann Jakobs an die Grundstücksbesitzer des Griebnitzsees, wie der Uferweg künftig genutzt und gestaltet werden kann. Eine direkte Antwort blieb aus, denn zum Gespräch war nur einer der geladenen Gäste erschienen: Christoph Partsch, Anlieger und Anwalt von drei Eigentümern. Keine 24 Stunden später gab es allerdings die Antwort der Eigentümer. Sie sperrten den Uferweg in einer Nacht- und Nebelaktion und machten damit deutlich, was sie von diesem Angebot halten. Scheinbar nichts.

Bei Familie Gottschald in der Virchowstraße 7 versperren seit Samstagmorgen Koniferen den Uferweg. Er ist einer der Eigentümer, die seit langem für ihre Rechte kämpfen. Und er gehörte bereits im Oktober 2007 zu jenen, die Flatterbänder und Wachschutz aufstellen ließen und den Uferweg sperrten. Damals rückte die Stadt mit Rechtsanwälten und Ordnungsamt an, 2005 schickte sie sogar Baufirmen los, um den Schaden am Weg und die Sperrung zu beseitigen. Am Samstagmorgen lief einzig Potsdams oberster Bauplaner Andreas Goetzmann mit einer Kamera und Stift umher, um die Sperrung zu dokumentieren. Auch Jakobs blieb am Samstag nicht anderes, als gemeinsam mit städtischen Experten das Geschehen vom See aus zu beobachten.

Die Position der Stadt im Streit um den Uferweg ist deutlich geschwächt, seit das Oberverwaltungsgericht am 2. April in acht Fällen gegen die Stadt und für die Eigentümer entschieden hat. Die Richter haben erklärt, dass es keine Betretungsrechte für die Öffentlichkeit auf den Privatgrundstücken am See gebe – obwohl dort seit Jahren ein Weg entlang führt. Daraufhin hatte Jakobs die Eigentümer zu einem Gespräch ins Rathaus gebeten. „Der Oberbürgermeister war nicht bereit, die höchstrichterliche Rechtssprechung zu akzeptieren“, erklärte Christoph Partsch danach – nun ist der Uferweg für die Öffentlichkeit teilweise gesperrt. Immerhin mit 15 Anwohnern gebe es längst Vereinbarungen, sagte Jakobs. In den Fällen habe die Stadt ein Stück des alten Postenweges den Villenbesitzern überlassen, während die Anwohner der Stadt ein Wegerecht für den Rest des Ufers einräumten. Zuletzt hatten acht Anwohner gegen die Stadt geklagt. Jakobs erklärte nun, es werde der Weg der Enteignung beschritten. Ein Wort, dass man am Griebnitzsee nicht gerne hört. Partsch sagt daher, man werde sich mit allen Mitteln wehren.

Spaziergänger, Jogger, Radfahrer und Kommunalpolitiker am Ufer reagierten dagegen entsetzt auf die Sperren. „So entstehen Revolutionen“, sagte Diethild Grün. Sie wünsche sich, dass ein Ruck durch die Bürgerschaft geht und „die sich nicht alles gefallen lässt“. Eine Sammelaktion, damit die Stadt die Grundstücke kaufen kann, würde sie gut finden. Mike Schubert (SPD), der bereits eine Minute vor neun Uhr die Sperrung des Griebnitzsees für alle lesbar ins Internet stellte, war sofort am Ort des Geschehens. Später kam auch Hans-Jürgen Scharfenberg (Die Linke). Beide wollen die Potsdamer befragen, um sich die Legitimation für das weitere Handeln der Rathausspitze einzuholen. Auch Andere Besucher sind stinksauer auf die Eigentümer. Worte wie „asozial“ oder „das müssen arme Menschen sein“ oder „jetzt fehlt nur noch die Schießanlage hier“, wie es Dietmar Kringel sagte, kamen vielen Spaziergängern über die Lippen. Verständnis? Das hatte hier keiner. Nur die Stichwege aus der Virchowstraße zum See hinunter sind noch begehbar, die Wege vor den Villen zum Großteil gesperrt. Dennoch, es blieb alles ruhig. Zu direkten Auseinandersetzungen mit Eigentümern ist es bislang nicht gekommen.

Von denen kamen einige am Sonnabendmittag bei Familie Gottschald in den Garten, um sich die Arbeit anzusehen. Auch der Stadtverordnete Wolfhard Kirsch, auf dessen Grundstück keine Barrikaden errrichtet sind. Musste er auch nicht, seine Nachbarn haben ihm durch ihre Sperrungen auf seinem Grundstück ein ruhiges Wochenende beschert. Dabei ist der Stadtverordnete für das Bürgerbündnis bei der Kommunalwahl für einen offenen Uferweg eingetreten.

Jakobs erklärte nun, „ich muss heute davon ausgehen, dass von vornherein kein Interesse an ernsthaften Verhandlungen bestanden hat“. Der Weg der Enteignung wird von Kommunalpolitikern der CDU, SPD und der Grünen allerdings als schwierig und kostspielig eingeschätzt – zwanzig Jahre war der Weg durchgehend auf, dafür war er 28 Jahre zu. Und nun?

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