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rbb-Aktion "Meine Entdeckung": Schloss Babelsberg: Rennen für den heißen Tee

Noch sind die Räume des Schlosses Babelsberg nicht öffentlich zugänglich. Der rbb öffnete mit seiner Aktion „Meine Entdeckung“ einigen Besuchern trotzdem die Türen - und die PNN waren mit dabei.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Damals musste im Schloss Babelsberg alles ganz schnell gehen. Zack, zack, das Essen aus der Küche, über die Wendeltreppe in das große Speisezimmer. Schließlich sollte es noch einigermaßen warm oben ankommen. Ob das allerdings überhaupt zu schaffen war und wenn ja, wie, ist nicht so richtig klar. Schließlich musste das Personal die Speisen erst einmal von der ausgelagerten Küche über einen 300 Meter langen Tunnel in das neugotische Schloss transportieren – ohne sich in der Hektik umzurennen oder zu kleckern versteht sich.

20 Besucher durften das sonst nicht öffentliche zugängliche Gebäude erkunden

„Sie müssen sich das ein wenig so vorstellen wie in der britischen Adelsserie ’Downton Abbey’: Als geordnetes Gewusel“, scherzte Jörg Kirschstein am gestrigen Montag. Im Rahmen der rbb-Aktion „Meine Entdeckung“ führte der Kastellan des Babelsberger Schlosses 20 Besucher exklusiv durch das sonst nicht öffentlich zugängliche Gebäude – unter anderem auch durch den unterirdischen Küchentunnel. Mit ihrer Reihe nimmt der Sender sein Publikum an über 50 Terminen mit zu ungewöhnlichen Orten. Die Touren können nur gewonnen werden, entweder in den Sendungen des rbb oder auf der Webseite des Senders. Dabei geht es zum Beispiel mit Rainald Grebe in das von ihm besungene Autohaus nach Schwedt, mit Filmexperte Knut Elstermann in die Babelsberger Studios oder mit Olympiasieger Sebastian Brendel in das Bundesleistungszentrum Kienbaum. Mit im Schloss Babelsberg war rbb-Moderatorin Tatjana Jury, die Kastellan Kirschstein davon abhielt, sich ganz in seinem unerschöpflichen historischen Wissen zu verlieren.

„Was ich mir wirklich merke, sind die vielen Anekdoten, das Lebendige“, so Jury. Die ganzen Zahlen könne man schließlich nachlesen. Recht hat sie. Ganz ohne geht es aber eben doch nicht. Schließlich sollen die Besucher schon wissen, dass das im Stil der englischen Neugotik errichtete Schloss ab 1833 für den Prinzen Wilhelm von Preußen (den späteren Kaiser Wilhelm I.) und seiner Gemahlin Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar errichte wurdet und dem späteren Königs- und Kaiserpaar mehr als 50 Jahre als Sommerresidenz diente. Von dem damaligen Prunk im Inneren – das Schloss wurde in den 1840er-Jahren vom Cottage zum Repräsentationsbau erweitert – ist heute immer noch Einiges zu entdecken: Eine leicht vergilbte blaue Tapete in der ehemaligen Bibliothek, Provinzwappen im großen Speisesaal, prachtvolle Stuckdecken im Tanzsaal.

Noch sind einige Schönheitsreparaturen nötig

Trotzdem wird deutlich, dass das von außen bereits sanierte Schloss auch innen noch einige Schönheitsreparaturen nötig hat.

Vom 29. April bis zum 15. Oktober wird in den Räumen aber erstmal eine Sonderausstellung zum Gartenbaumeister Hermann Fürst von Pückler-Muskau zu sehen sein. Danach ist die Restaurierung angesetzt, wie lange sie dauern wird, konnte Stiftungssprecher Frank Kallensee am Montag noch nicht sagen.

Auch während der Ausstellung können die Reste der Raumpracht bewundert werden. Immerhin: 60 Prozent des einstigen Mobiliars sind erhalten. Unter anderem eingelagert in einem Verschlag im Speisesaal und den ehemaligen Küchenräumen. Die sind seit 1860 ausgelagert, weil Augusta sich an dem intensiven Essensgeruch im Schloss gestört habe, erklärt Jörg Kirschstein. Wie die Speisen im warmen Zustand durch den zur gleichen Zeit erbauten Tunnel warm im Speisezimmer ankamen, kann er jedoch nicht erklären. „Aller Wahrscheinlichkeit nach waren sie tatsächlich nie wirklich heiß.“

Als Küchenarbeit "harte Kampfarbeit" war

Auch ohne Heizungsanlage beeindruckt der lange, 2,80 Meter breite und 1,90 Meter hohe Tunnel, in den kaum natürliches Licht dringen kann. „Abgefahren. Wie im Film“, kommentieren Anna Baumgard und Claudia Radlow. Die beiden Informatikstudentinnen – die eine aus Köpenick, die andere aus Chemnitz – laufen ganz hibbelig durch die Räume. „Es ist total toll, einfach mal ungestört durch die Räume zu gehen, sogar mal vorsichtig die Wände anzufassen“, so Baumgard. Besonders angetan hat es der 27-Jährigen die Durchreiche im Speisezimmer, durch welche die Speisen von der Treppe in das Zimmer hineingereicht wurden. Eingehend begutachtet sie die Schnitzereien – Puttenköpfe und kleine Frösche – und kann kaum glauben, dass das eine bescheidene Version für Schlösserverhältnisse sein soll. Trotz aller Begeisterung für das Küchenleben ist sie allerdings froh, nicht zum Personal eines Schlosses im 19. Jahrhundert zu gehören. Auch Tatjana Jury hat Respekt vor der damaligen Dienerschaft: „Das war harte Kampfarbeit“, sagt sie.

Dann doch lieber ein Leben wie Kaiserin Augusta – sie hat immerhin Gäste wie Zar Alexander II. empfangen. „Alexander ist öfter nach Nizza gereist und ist dabei über Potsdam gefahren“, erzählt Jörg Kirschstein. Gewohnt habe er zwar aus Platzgründen im Potsdamer Stadtschloss, aber diniert wurde auch in Babelsberg. Das war nicht immer ganz unkompliziert, im Schloss gab es nämlich nicht genug Silber und Porzellan, um große Feste auszurichten. Deswegen musste entsprechendes Geschirr erst aus Berlin nach Potsdam gebracht werden. Kleine Familiendinner mit acht bis neun Personen oder auch der traditionelle Abendtee mit Peter Joseph Lenné konnten von Hausherrin Augusta allerdings ohne größere Schwierigkeiten organisiert werden. Ihr Schloss in Koblenz zog sie dem Babelsberger trotzdem vor, wie Kirschstein erzählt. Angeblich habe sie die Nähe zum Wasser gestört, dass Schloss Koblenz direkt am Rhein liegt, habe sie dabei wohl vergessen, wie der Kastellan verschmitzt bemerkt.

Ein Fahrstuhl im Schloss Babelsberg

Außerdem hätte sie gerne einen Fahrstuhl in Potsdam gehabt – doch den genehmigte ihr Mann nicht. „Wilhelm hat moderne Umbauten am Schloss rigoros abgelehnt“, erklärt Kirschstein. Selbst als seine Frau nach einem Sturz in Koblenz nur noch schwer laufen konnte und teilweise im Rollstuhl saß, ließ er sich nicht erweichen. „Augusta ließ dann gleich nach seinem Tod im Jahr 1888 einen hydraulischen Fahrstuhl einbauen“, so der Kastellan. Lange konnte sie ihn nicht mehr genießen, Augusta starb bereits zwei Jahre später. Ende der 1940er-Jahre wurde auch der Fahrstuhl entfernt, nicht einmal der Schacht ist mehr zu sehen. Fantasiebeflügelnd ist die Geschichte trotzdem, vor allem für Studentin Claudia Radlow, die gerne historische Kurzgeschichten schreibt. Ob der geheimnisvolle Küchentunnel dabei eine Rolle spielen wird, möchte sie allerdings noch nicht verraten.

Apropos Küche: Was gab es denn damals eigentlich so zu essen beim Babelsberger Adel, möchte Tatjana Jury noch wissen. Doch auch hier muss der Experte passen: Das Paar habe viel außerhalb gespeist, Menüs seien nicht überliefert. Bekannt sind ihm nur Tee und kaltes Fleisch. Letzteres musste immerhin nicht warm im Speisesaal ankommen.

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Seit Kaiser Wilhelm I. hat niemand mehr die einst prächtigen Wasserspiele im Park Babelsberg zu sehen bekommen. Seit dem Sommer sprudelt, plätschert und fließt es wieder rund um das Schloss >>

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