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Rathaus Potsdam: AfD-Politiker eröffnet neue Stadtverordnetenversammlung

Sebastian Olbrich (AfD) leugnet den menschengemachten Klimawandel und macht Stimmung gegen Muslime. Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung eröffnen darf er trotzdem.

Potsdam - Zur konstituierende Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am Mittwoch sind bereits zwei Kundgebungen vor dem Rathaus angekündigt.

Neben Vertretern der Lenné-Gesamtschule, die wie berichtet für eine bessere IT-Ausstattung und eine neue Turnhalle demonstrieren wollen, mobilisieren jetzt auch Klimaschutz-Aktivisten für eine Aktion. Ab 16 Uhr wolle man bei einer sogenannten „Cacerolazo“ – also einer Topfdemo – Lärm machen und Unterschriften dafür sammeln, dass in Potsdam wie bereits in anderen Kommunen ein sogenannter Klimanotstand ausgerufen wird, heißt es in dem Aufruf, der im sozialen Netzwerk „Facebook“ kursiert.

Ein zusätzliche Note erhält die Aktion der Klimaschützer auch deswegen, weil die Premierensitzung der Stadtverordneten ausgerechnet von dem AfD-Vertreter Sebastian Olbrich eröffnet wird, der den menschengemachten Klimawandel leugnet und dazu in sozialen Netzwerke jüngst beispielsweise schrieb: „Was als Rettung unserer Welt propagiert wird, halte ich für PARANOIA.“

In den vergangenen Monaten twitterte Olbrich aber auch: „#Stopislam #Stopsharia. Begreift doch endlich, dass diese #Islamisierung gestoppt werden muss. Die islamischen Eroberer lachen sich ja tot über dieses gehirnamputierte Land.“ Oder: „WOLLEN diese Antidemokraten eigentlich einen Bürgerkrieg? Die Grünen und Linken mit ihrer terroristischen antifa wollen eine kommunistisch-islamische Gewaltherrschaft???“

Jedoch ist Olbrich mit 68 Jahren eben der älteste Stadtverordnete, in dieser Funktion kann er als erster Redner die Sitzung eröffnen.

Nach PNN-Informationen ist jedoch geplant, dass andere Stadtverordnete den Auftritt zumindest symbolisch nicht unwidersprochen lassen – sei es durch Tragen von T-Shirts oder von Devotionalien des Anti-Rechts-Bündnisses „Potsdam bekennt Farbe“.

Neuer Stadtpräsident

In der ersten Sitzung wird traditionsgemäß auch der Stadtpräsident bestimmt, der die Gemeindevertretung repräsentieren und auch die Sitzungen leiten soll. Als aussichtsreichster Kandidat gilt der frühere SPD-Fraktionschef Pete Heuer, wenngleich die Fraktion Die Andere auch ihre Stadtverordnete Jenny Pöller ins Rennen schickt. Die Wahl erfolgt geheim. Ferner geht es in der Sitzung um die Zuschnitte der Fachausschüsse und die Geschäftsordnung für die künftige Arbeit. Die erste reguläre Sitzung des Stadtparlaments ist dann für Mitte August geplant. Bei der Kommunalwahl hatte die SPD knapp vor den Grünen und den Linken gewonnen, es folgten CDU, Die Andere, AfD, FDP und Bürgerbündnis, dazu kommen noch zwei einzelne Stadtverordnete für die Freien Wähler und „Die Partei“.

Streit um Sitze im Hauptausschuss

Bereits vor der konstituierenden Sitzung der neu zusammengesetzten Stadtverordnetenversammlung gibt es Auseinandersetzungen über die künftige Arbeit. Konkret geht es aktuell darum, wie viele Mitglieder der künftige Hauptausschuss, das wichtigste Gremium des Hauses, haben soll. Die fünfköpfige AfD-Fraktion kritisierten am Montag, dass SPD, Linke und Grüne den Ausschuss um einen Sitz auf 16 Mitglieder verkleinern wollen – „zum Nachteil der AfD, die dadurch statt zwei nur einen Sitz erhält“. Dadurch habe man dann im Hauptausschuss nur eine Stimme – so wie etwa das Bürgerbündnis, das bei der Kommunalwahl nicht einmal halb so viele Kreuze erhalten habe wie die AfD. „Linke, Grüne und SPD betreiben im Rathaus weiter ihre Politik der Ausgrenzung“, sagte AfD-Chef Dennis Hohloch. Der Wählerwille würde nicht akzeptiert.

"Die AfD nimmt sich zu wichtig"

Die Kritik stieß auf Widerspruch. „Das ist für mich nicht nachvollziehbar, da der Vorschlag auch von der CDU und der Fraktion Die Andere mit eingebracht wurde“, sagte der neue SPD-Stadtfraktionschef Daniel Keller auf PNN-Anfrage. Die AfD versuche, mit dem Weglassen von Informationen und Polemik eine Opferrolle einzunehmen. „Im Vordergrund der Entscheidung steht die Arbeitsfähigkeit des Gremiums“, sagte Keller – auch in Anspielung darauf, dass mehr Mitglieder in einem Ausschuss stets auch längere Debatten bedeuten können. Auch der neue Linke-Fraktionschef Stefan Wollenberg verteidigte das geplante Vorgehen. „Die AfD nimmt sich einfach zu wichtig, wenn sie meint, die Ausschussgrößen würden für sie zugeschnitten.“ Wesentliches Kriterium für die Größe sei die optimale Arbeitsfähigkeit der Ausschüsse. „Eine rechnerisch exakte Abbildung der Stimmverhältnisse ist nun einmal erst im Plenum möglich“, so Wollenberg. Auch Grünen-Fraktionschefin Janny Armbruster wies die Kritik mit ähnlichen Argumenten zurück.

Demnach würden im Hauptausschuss neben dem Oberbürgermeister jeweils drei Mitglieder der SPD, der Grünen und der Linken sitzen, dazu je zwei Vertreter der CDU und der Fraktion Die Andere sowie jeweils ein Mitglied von AfD, FDP und Bürgerbündnis. Ähnliche Streitereien hatte es schon nach der Kommunalwahl 2014 gegeben – weil es wie berichtet bei vielen Parteien und Wählergruppen im Stadtparlament schon rein rechnerisch schwierig ist, die Zusammensetzung der Plenums auch in den viel kleineren Fachausschüssen widerzuspiegeln. So erhält beispielsweise das Bürgerbündnis mit zwei Stadtverordneten jetzt einen Sitz im Hauptausschuss – die SPD mit elf Stadtverordneten aber lediglich drei.

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