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Rassismus-Skandal in Potsdam: Eklat im Märchenland

Bei einem Kindertheater auf dem Potsdamer Weihnachtsmarkt ist es zu einer unvergleichlichen Entgleisung gekommen: Ein schwarz geschminkter Mensch wurde auf der Bühne wegen seiner Hautfarbe diskreditiert, das "Rotkäppchen“ selbst als dumme Blondine dargestellt.

Potsdam - Die Weihnachtsvorstellungen auf der Märchenbühne auf dem Luisenplatz fanden am Sonntag ein wenig besinnliches Ende. Besucher beklagten, in der Kindervorstellung des Märchens Rotkäppchen habe es eine dümmliche Blondine, einen schwarz angemalten Darsteller und einen Erzähler gegeben, der den Zuschauern erklärte, dass der „Neger“ hier nichts zu suchen habe. Hunderte Besucher, darunter zahlreiche Kinder, wurden zwischen Rummel und Glühweinständen Zeuge.

„Ich war entsetzt“, sagte Matthias Lack, der sich mit seinen und den Kindern seiner Nachbarn die Vorstellung ansah. Der 36-Jährige ist Vorsitzender des Ortsverbandes Potsdam-Mitte der Linken. Vor allem die Kinder hätten sich auf die gut besuchte letzte Vorstellung auf der Märchenbühne vor dem Ende des Weihnachtsmarktes gefreut. Doch was er zu sehen und zu hören bekam, habe ihn schockiert, so Lack. „Nicht nur mir stand der Mund offen“, sagte er den PNN.

Was war passiert? Die Aufführung von Rotkäppchen auf der Open-Air-Bühne war ein Wunschmärchen. Schon seit Beginn des Weihnachtsmarktes hatte es täglich verschiedene Aufführungen gegeben. Am Sonntag nun stellte der Märchenerzähler den Zuschauern die Figur Rotkäppchen vor: „Eine Blondine. Ihr wisst schon.“ Rotkäppchen sei dann entsprechend dümmlich durch das Märchen getappt und habe nicht mal mehr genau gewusst, wo denn seine Großmutter wohnt. Tief im Wald, bei den drei Tannen statt bei den drei Eichen, habe es dem Wolf geantwortet. Dumme Blondinen – da werde den Kindern ein komisches Geschlechterbild gezeigt, so Lack. Er finde es nicht gut, wenn Kinder bei einer Märchenvorstellung an so etwas herangeführt werden.

Doch damit nicht genug: Gegen Ende des Märchens soll der Jäger das vom Wolf gefressene Rotkäppchen und die Großmutter retten, indem er dem bösen Wolf den Bauch aufschlitzt. Der Erzähler forderte also am Sonntag die Kinder auf, den Jäger zu rufen. Das hätten sie auch getan, so Lack. Doch statt des Jägers trat ein Darsteller mit geschwärztem Gesicht auf die Bühne, so Lack. „Die Figur tänzelte nach vorn und führte dort eine Art Stepptanz auf“, beschrieb er den Ablauf. Dann habe der Erzähler den Kindern erklärt, dass das nicht der Jäger, sondern ein „Neger“ sei. Das Wort dürfe man eigentlich nicht benutzen, so der Erzähler weiter, „aber hier im Märchenland darf man das noch sagen“. Der Tiefpunkt sei dann erreicht gewesen, als der Figur mit dem schwarzen Gesicht gesagt wurde, dass man nicht den „Neger“ gerufen habe, sondern den Jäger. „Du hast doch hier nichts zu suchen“, habe der Erzähler gesagt.

Viele der Kinder hätten diesen Teil der Vorstellung nicht verstanden, so Lack, zumal sie völlig ohne Kontext war. Für ihn sei die Vorstellung auf unerträgliche Weise rassistisch und sexistisch gewesen. Mehrere Besucher bestätigten Lacks Beobachtung. Seinem Ärger machte er im sozialen Netzwerk Facebook Luft. Dort gab es bis Montagabend entsetzte Kommentare von einem Dutzend Nutzer.

Veranstalter der Märchenbühne ist die Firma Adventure Productions aus dem mecklenburgischen Grevesmühlen. Kritik an der Inszenierung kann man dort nicht nachvollziehen und beruft sich auf die künstlerische Freiheit. „Das war ein Gag“, so Peter Fensmer von Adventure Productions. Er verstehe die Aufregung nicht: „Das wundert mich schon.“ Man habe 37 Märchen bühnentauglich umgeschrieben, damit sie auch für Erwachsene unterhaltsam seien, und führe sie seit zehn Jahren auch in Potsdam auf. So habe es auch aktuelle Bezüge zur Bundestagswahl beim Froschkönig gegeben. Die Kinder hätten am Sonntag von allein „Neger“ gerufen. „Neger und Jäger – das reimt sich“, so Fensmer. Zufällig sei dann ein schwarz geschminkter Darsteller aufgetaucht. Und von der Bühne sei er nicht geschickt worden, weil er der „Neger“ war, sondern weil er im falschen Märchen war, so Fensmer.

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