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PYAnissimo: Erstmal weg

Manchmal wünsche ich mir Potsdam in die Wüste. Kein Wasser – kein Streit, viel Wasser – viel Streit: Wer darf wann und wo und womit in oder ans Wasser?

Manchmal wünsche ich mir Potsdam in die Wüste. Kein Wasser – kein Streit, viel Wasser – viel Streit: Wer darf wann und wo und womit in oder ans Wasser? Wie viel Wasser braucht der Mensch überhaupt, muss er zwingend Zugang haben oder reicht nicht auch der herrliche Anblick?

Aktuell gibt es Zoff am Babelsberger Havelufer. Dort wird seit den 1950er-Jahren im Strandbad des VEB Naherholung Potsdam, heute Stadtwerke, gebadet. Nachbar ist, auch seit den 50ern, der Seesportclub, der damals noch unter der Flagge der GST, der Gesellschaft für Sport und Technik, segelte. Seitdem wird hier nicht nur gesegelt, auch gerudert, geschwommen und geknotet, und Motorboote gibts auch. Noch ältere Rechte am Ufer haben die Royals, König Wilhelm und Augusta. Das Schloss Babelsberg war ihre Sommerresidenz, aber vermutlich haben sie hier nie gebadet, sondern auf der Terrasse mit Seeblick ihr Frühstück genommen. Dann kamen Krieg und Diktatur und der Park lag plötzlich im Grenzgebiet, hier bellten Schäferhunde am Mauerstreifen, Pückler drehte sich sicher der Magen um.

Jetzt ist alles wieder schön, und es soll noch schöner werden. Die Schlösserstiftung hatte das schon vor zwei Jahrzehnten vorgeschlagen und daraufhin einen Vertrag mit dem Segelverein geschlossen: Bleiben darf er nur, wenn er nach 20 Jahren auch geht. Damit an dessen Stelle das Strandbad rückt. Dahin, wo man schon fast unter der Nutheschnellstraße schwimmen kann. Sehr verkehrsgünstig gelegen, da lohnt sich ein Sprungturm vom Straßenrand.

Der Seesportclub hatte damals die Wahl zwischen Pest und Cholera und blieb erstmal. Investiert wurde seitdem nur wenig, von Stiftungshand gleich gar nicht, heißt es vom Verein.

Nun sieht alles entsprechend schäbig aus. Die Situation ist zudem kompliziert, weil sich niemand für das Auffinden eines Ersatzgrundstücks zuständig fühlte. Aber ein Seesportclub ohne See – gibts nicht. „Dann sind wir tot“, sagt der Vereinschef.

Da ging das mit der Fachhochschule ja noch glimpflich aus. Da wurde jahrelang auch nichts mehr gemacht, weil es ja Abrisspläne gab. Aber die FH bekam immerhin zuerst einen schönen Ersatzbau. Und erst dann wurde geschreddert.

Beschlossen war auch das seit Jahren. Erstmal weg. Wir hatten die DDR in den 90ern so satt. Dass es mal anders kommen könnte, das konnte sich wohl keiner vorstellen. Fachhochschule, Minsk, Strandbad und Seglerheim, Haus des Reisens – sind das alles Opfer unserer übereilten Verabschiedungspolitik?

Ich glaube, wir haben einfach nicht damit gerechnet, dass wir uns eines Tages doch nach Wurzeln sehnen, die nun mal da sind. Und es ist doch immer so: Was man wegschmeißt, vermisst man meistens sofort, nachdem es in den Müll gewandert ist. Murphys Gesetz.

Erstmal geht es ganz aktuell dem Sportverein an den Kragen. In der Stadt mit dem Kinderfreundlichkeits-Siegel geht dann ein Ort verloren, an dem auch die Kinder aufs Wasser können, die ohne goldenen Löffel im Mund geboren wurden und kein Bootshaus im Garten haben. Nicht zuletzt wette ich, dass die Parkbesucher auch ohne das Fleckchen unter der Brücke genügend Spazierwege finden würden.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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