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Vor Gericht (Symbolbild).

© dpa

Prozessbeginn gegen Elektrofachmann aus Potsdam: Ex-DDR-Offizier soll für Moskau spioniert haben

Der 56-Jährige soll sensible Informationen über Bundestagsgebäude an den russischen Geheimdienst verraten haben. Zum Verhandlungsbeginn schwieg er.

Berlin - Der mutmaßliche Spion kam getarnt mit großer Sonnenbrille und einem dunklen Basecap zum Prozess vor einem Staatsschutzsenat am Kammergericht: Jens F. soll sensible Informationen über Bundestagsgebäude an den russischen Geheimdienst verraten haben. Zu Beginn der Verhandlung am Mittwoch hüllte sich der 56-jährige Mann aus Potsdam in Schweigen.

Jens F. arbeitete für ein Unternehmen, das im Auftrag des Bundestags wiederholt die Betriebssicherheit von „ortsveränderlichen elektrischen Geräten“ überprüfte – Kaffeemaschinen, Drucker oder Schreibtischlampen. Das muss in regelmäßigen Abständen geschehen. Die Firma, die in Niedersachsen ansässig sein soll, erhielt für die Ausführung des Auftrags PDF-Dateien mit den Grundrissen der zu prüfenden Liegenschaften.

Der Angeklagte, ein Ex-DDR-Offizier aus Potsdam, soll im Sommer 2017 eine CD-ROM mit 385 Grundrissdateien erstellt haben – in 46 Ordnern verpackte Daten über vom Deutschen Bundestag genutzte Liegenschaften. Die CD soll er in russischer Sprache mit dem Hinweis „besondere Wichtigkeit“ beschriftet haben. Dann sei die illegale Post in einem frankierten Briefumschlag ohne Absenderangabe abgeschickt worden.

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Der Angeklagte soll den Brief an den damals amtierenden Verteidigungsattaché der Russischen Botschaft in Berlin gesandt haben. Bei diesem Mann habe es sich um einen getarnten Mitarbeiter des russischen Militärgeheimdienstes GRU gehandelt, heißt es weiter in der Anklage.

Nun geht es um den Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit. Jens F. sei nicht angeworben worden, sondern habe aus eigenem Entschluss gehandelt, teilte die Bundesanwaltschaft bei Anklageerhebung vor sechs Monaten mit. Ein Motiv – ideologische oder finanzielle Gründe – wurden nicht genannt. Der mutmaßliche Spion blieb auf freiem Fuß.

Ob sein Mandat auch bei der Stasi war? Der Anwalt weiß es nicht.

Der Verteidiger von F. hielt am Rande der Verhandlung mit seiner Meinung zu dem Verfahren nicht hinterm Berg: „Nach meinem Gefühl wurde etwas über das Ziel hinausgeschossen.“ Die Grundrisse seien nicht geheim – „keines dieser Dokumente trägt ein Geheimvermerk“. Drei Behörden hätten ermittelt „und einen Brei gekocht“.

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Der Anwalt bestätigte, dass F. Offizier der Nationalen Volksarmee (NVA) war. Ob sein Mandant auch Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi war? Der Anwalt zuckte mit den Schultern. Er kenne keine entsprechende Akte.

Ein Hinweis des Bundesamtes für Verfassungsschutz brachte das Verfahren 2017 ins Rollen. Das Unternehmen, in dem F. seit 2010 tätig gewesen sein soll, geriet in den Focus: Der Weg der Dateien, aus denen sich etwa die Lage oder Nummern von Büroräumen ergeben, wurde nachverfolgt. 

Ab Juni 2018 hätten sich die Ermittlungen gegen F. gerichtet, sagte ein Ermittler als Zeuge. Zu den Indizien hätten auch seine guten Russischkenntnisse gehört. Zudem befinde sich seine Wohnung im Einzugsbereich jener Postfiliale, in der der Brief abgestempelt worden sei. Der Prozess wird am 15. September fortgesetzt.

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